Er ist aus den Medien verschwunden. Der Nahost-Konflikt. Der Bundesaußenminister traf sich zuletzt mit regierungskritischen Organisationen in Israel, wird als Gast von Premierminister Netanjahu wieder ausgeladen. Sein Amtsvorgänger und frisch gewählter Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier – gerade in Israel – betonte das freie Recht zur Wahl von Gesprächspartnern … So viel zum „sensibelsten Konflikt“ in Geschichte und Gegenwart? Konflikt verschwunden? Weit gefehlt.

Die rund 50 Besucher im Ariowitsch-Haus Leipzig waren sich mit dem Podium einig: Die politischen Verhältnisse in Israel, die ungelösten Probleme der Siedlungspolitik und israelischen Landnahme, des Terrorismus als Folge sind nach wie vor da, sie sind medial verdrängt worden. Durch den „Islamischen Staat“, den scheinbar unübersichtlichen und interessengeleiteten Syrien-Krieg, die „Mutter aller Bomben“, die „Kinder des Zorns“, die „Abgehängten“ und … und … und.

Zum „Israel-Tag“, der Tag der Gründung des jüdischen Staates jährt sich kommende Woche zum 69. Mal, sprachen im Ariowitsch-Haus drei gestandene Journalisten miteinander. Kostas Kipuros (61), durchaus unorthodoxer und geistig fitter Redakteur der Leipziger Volkszeitung, Schwerpunkte: Russland, Balkan und Nahost. Sein Gegenüber: Harald Stutte (52) von der „Hamburger Morgenpost“, Diplomand zum Diskussionsthema vor langer Zeit, später Reisejournalist, Israel-Vertrauter.

Moderiert wurde die zweistündige Diskussion vom Kulturredakteur der LVZ Jürgen Kleindienst, der sauber vorbereitet, durch ein schwieriges Thema führte. Schwierig, weil beladen von ideologischen Resten, historischer Last, von Ost- und West-Geschichtsapologetik und scheinbarer Unlösbarkeit eines Dauerkonfliktes. Im Nahen Osten.

„Das Israelbild in den DDR-Medien“. Ein Spiegelbild des „Kalten Krieges“ zwischen den Siegermächten des 2. Weltkrieges. Kleindienst begann historisch-chronologisch zu fragen. Es wurde hervorgehoben, dass die Gründung des Staates Israel von den Kräften um die Sowjetunion und deren Satelliten begrüßt wurde, als „Bollwerk gegen den arabischen Nationalismus“ und – selbstverständlich – als kollektive Wiedergutmachung des Holocaust. Dann plötzlich „über Nacht“ begann sich „die Geschichte zu drehen“, wie Stutte meinte und ein Israel-Hass begann sich vor allem in der offiziellen DDR-Außenpolitik zu etablieren.

Die Verstrickung in die „kalten“ Kriegswirren wurde hier kaum erwähnt – wohl eine Unterlassungssünde. Auch Kipuros stimmte zu, räumte Fehler in der Israel-Berichterstattung der DDR ein, erklärte die verengte Israel-Position in Teilen des Ostens mit Unkenntnis der Lage, der Menschen, der spezifischen Situation vor Ort.

Kaum Widersprüche zwischen den Herren von LVZ und „Morgenpost“ erkennbar.

Vorsichtig, freundlich Kipuros: „Aber ein bisschen Nicht-Einverständnis muss auch sein.“ Erwähnte das von Israel geduldete Massaker in den palästinensischen Flüchtlingslagern Sabra und Chatila im Jahre 1982, den „Sechstagekrieg“ 1967, den er als israelischen Angriffskrieg bezeichnete, sprach die Vertreibung der Palästinenser allerdings nur am Rande an, betonte die Aufgabe, die Hauptforderung an den politisch-kritischen Journalisten: „Ich muss auch Tatsachen anerkennen, auch wenn sie mir nicht ins politische Konzept passen.“

Alles passte da nicht, auch wenn der vergleichende Diskurs (Was sich beim Wahlwestdeutschen Stutte gar nicht vermeiden ließ.), wie eingangs vom Moderator betont, keine explizit wissenschaftliche Diskussion sein könne.

Mehr als passend die musikalischen Beiträge. Gal Levy an der Gitarre begleitete die Sopranistin Shira Bitan in ihrem zartfühlenden Tönen. Israelische Musik in hebräischer Sprache. Töne aus Israel von Israelinnen. Sie nahmen der Diskussion die ohnehin nicht vorhandene Schwere.

Leicht war es nicht, auch in der anschließenden Diskussion, neben der Kritik an der DDR-Medienpolitik (Verschweigen bzw. Marginalisierung der Holocaust-Opfer) einen roten Faden der umgebenden Problemfelder zu finden. Offiziöse Medien – in der DDR „gleichgeschaltet“ (Stutte) – heute in der Berichterstattung ohne stereotypische Feindbilder und vorauseilenden Gehorsam?

Ist Kritik an der israelischen Regierung automatischer Antisemitismus? Hebelt Israel, während seine Regierungspolitik aus den Schlagzeilen verschwindet, nicht inzwischen das staatliche Existenzrecht der Palästinenser aus und arbeitet klammheimlich oder direkt auf eine „Ein-Staaten-Lösung“ hin?

Da bleiben doch wie so oft die eigentlichen Fragen aktueller Natur offen. Das „Schlusswort“ hatte wieder die wunderbare Musik von Shira Bitan. Worüber sie denn sänge, fragte sie Kleindienst. „Über das Land Israel und nicht über den Krieg.“

Tat irgendwie gut.

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