Gnadenlos hat der Corona-Shutdown offengelegt, wie viele Kinder aus finanziell benachteiligten Familien abgehängt waren im Homeschooling. Sie hatten überhaupt nicht die nötigen Endgeräte, um mit ihren Lehrer/-innen so zu kommunizieren, dass ein halbwegs belastbarer Unterricht möglich war. Das thematisierten die Grünen im August mit einem Antrag. Und die Stadt will jetzt helfen, Abhilfe zu schaffen. Und eigentlich könnten alle Leipziger, die noch funktionsfähige Altgeräte haben, mitmachen.

Tatsächlich gibt es den Ansatz für so ein Projekt schon. Darauf weist das Dezernat Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule in seiner Stellungnahme zum Grünen-Antrag hin: „Für das Projekt ,Hardware for Future‘ (Kooperation des Vereins dezentrale e. V. und dem Referat Digitale Stadt) wurden bereits einzelne Notebooks und PCs durch die Lecos GmbH als auch durch das Medienpädagogische Zentrum (MPZ) aufbereitet. Darüber hinaus haben bereits erste Abstimmungen zwischen den Partnern stattgefunden, um das Projekt weiter auszubauen.“

Im Juni hatte das Referat Digitale Stadt einen ersten Aufruf gestartet, damit aussortierte Laptops von Unternehmen, Institutionen oder Privatpersonen gesammelt und wieder aufbereitet werden. Eigentlich ein seit Jahren überfälliger Aufruf. Denn meist landen die Geräte – obwohl weiter nutzbar – im Elektronikschrott, statt denen zu helfen, die sich die modernen Geräte gar nicht leisten können.

Und auch Altgeräte aus der Stadtverwaltung sollen künftig wieder nutzbar gemacht werden, denn die hat bisher auch immer nur verschrottet: „Die Stadt Leipzig stimmt sich im Weiteren mit der Lecos GmbH dazu ab, Rückläufer-PCs aus der Kernverwaltung künftig an den Verein dezentrale e. V. abzugeben anstatt sie zu verschrotten. Die möglichen Gerätemengen sind von den Roll-Out-Phasen der Verwaltung abhängig. Dazu muss eine mit den Regelungen des BSI (Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik) konforme Reinigung (u. a. zur vollständigen Datenlöschung) der PC-Technik von der Lecos GmbH erfolgen.“

An der Stelle wird dann die ganze Sache mit den Lizenzrechten kompliziert, was auch für Geräte aus Kommunalunternehmen gilt.

Aber man hätte es nicht mit einer Verwaltung zu tun, wenn sie nicht sofort alle möglichen Schwierigkeiten auflisten würde: Wer bezahlt das Ganze? Wer stellt die Mittel bereit, damit die Geräte zurückgesetzt werden können? Die stadteigene Lecos wieder kann die Geräte nicht selbst verteilen.

Also: „Bei einer kontinuierlichen Bereitstellung müssen dauerhafte Prozesse und Strukturen verbindlich organisatorisch und technisch abgestimmt und vereinbart werden. (…) Eine Konzepterstellung samt Darstellung der finanziellen Auswirkungen erfolgt bis Ende des Jahres 2020.“

Da kann man gespannt sein, ob man da ein simples Konstrukt zustande bringt mit einer Abgabestelle für solche Geräte, einer rechtskonformen Zurückstellung des Systems und einer fließenden Abgabe an die Bedürftigen.

Erst einmal würde man sich um die auch amtlich Bedürftigen kümmern, betont das Schuldezernat: „Das Angebot von Hardware for Future richtet sich zunächst ausschließlich an bedürftige Personen gemäß § 52 und § 53 der Abgabenordnung. Demnach können Personen mit einem aktuellen Leistungsbescheid über Arbeitslosengeld II, Sozialgeld, Sozialhilfe, über Leistungen gemäß dem Asylbewerberleistungsgesetz oder mit ihrer aktuellen Aufenthaltserlaubnis als Asylbewerber/-in eine Bedürftigkeit nachweisen. Die Technik wird den Schüler/-innen dauerhaft zur Verfügung gestellt. Bei ausreichender Verfügbarkeit von Endgeräten kann der Kreis der Anspruchsberechtigten erweitert werden. Die Kriterien, an welche Schüler/-innen die Geräte verliehen werden, werden gegenwärtig noch erarbeitet.“

Und wahrscheinlich braucht es finanzielle Unterstützung aus der Stadtgesellschaft. Denn: „Zur Finanzierung und Aufarbeitung der Sammlung gebrauchter Endgeräte können keine Mittel aus der Richtlinie Digitale Schulen genutzt werden. Die Mittel sind mit der Vorlage VI-DS-08178 ,Schaffung einer digitalen Infrastruktur an kommunalen Schulen unter Verwendung der Mittel des DigitalPakt des Bundes (Teil A und Teil B)‘ bereits untersetzt und vom Stadtrat in seiner Ratsversammlung vom 26.02.2020 bestätigt.

Auch das Sofortausstattungsprogramm des Bundes kann für die Aufarbeitung der digitalen Endgeräte nicht herangezogen werden. Aus diesem Programm erhält der Freistaat Sachsen 25 Millionen Euro. Die landesrechtliche Umsetzung steht jedem Bundesland frei. Maßgabe des Bundes ist die sofortige Umsetzung bis zum Jahresende 2020. Sachsen hat dazu eine Förderverordnung, die Mobile-Endgeräte-Förderverordnung, erarbeitet. Einen Digitalzuschuss in Höhe von 150 Euro wird es demnach nicht geben. Die verfügbaren Mittel werden gemäß der Förderverordnung analog zu den Fördermitteln DigitalPakt Schule nach dem Königsteiner Schlüssel aufgeteilt.

Die Stadt Leipzig erhält 3,3 Millionen Euro Fördermittel für den Erwerb von mobilen Endgeräten. Des Weiteren werden technische Werkzeuge und Dienste zur Erstellung von digitalen Lehr-Lern-Infrastrukturen gefördert. Je nach Beschaffungswert können so 5.800 mobile Endgeräte inklusive Tragetasche bereitgestellt werden. Die Ausschreibungen dafür sind gegenwärtig im Verfahren.“

Dass diese Zahl von Endgeräten nicht ausreicht, um den tatsächlichen Bedarf zu decken, ist absehbar.

Es ist im Grunde nur ein Vehikel, um ein paar offensichtliche Lücken zu überbrücken, keine Gesamtlösung, um allen Schüler/-innen die Nutzung eines leistungsfähigen Endgerätes zu ermöglichen.

„Die Verordnung sieht vor, dass der Schulträger die mobilen Endgeräte bis zum 30.11.2020 beschafft und Eigentümer der Geräte bleibt“, betont das Schuldezernat extra. „Nur im Falle der Anordnung von Fernunterricht sollen die neuen digitalen Endgeräte (Tablets) per Leihvertrag an Schülerinnen und Schüler ausgeliehen werden. Die Geräte werden ansonsten in der Schule verbleiben und dort für Unterrichtszwecke zum Einsatz kommen. Für die Ausleihe hat der Freistaat Sachsen einen Mustervertrag zur Verfügung gestellt, aber auch der bereits in der Stadt Leipzig genutzte Leihvertrag für Taschenrechner an Schülerinnen und Schüler kann genutzt werden.“

Aber wenn es die Stadt mit „Hardware for future“ ernst meint, startet sie wirklich eine gute Kommunikationsstrategie, die dazu führt, dass möglichst viele Leipziger Unternehmen und Privathaushalte mitmachen und all ihre Geräte spenden, die sie nicht mehr benötigen. Es wäre zumindest peinlich, wenn es Leipzig nicht schafft, allen Schüler/-innen wenigstens die Grundausstattung für eine digitale Teilhabe zu ermöglichen, die auch im Fall von Homeschooling funktioniert.

Für digitale Schulbücher soll es ein Modellprojekt an sechs Leipziger Schulen geben

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