Für wen macht der MDR eigentlich Sendung? Meist weiß man es in der Dreiländeranstalt wohl selbst nicht so recht. Irgendwie schwankt man zwischen öffentlichem Senderauftrag und Quote, will das eine und kann das andere nicht lassen. Und dann kommt an einem 2. Dezember so eine Meldung dabei heraus: "Silbereisen schlägt sie alle".

Den Samstagabend, als das deutsche Fernsehen landauf, landab auf Adventstimmung, Kerzen, Tannenbäume, Engel und Lametta umschaltete, erklärt der Mitteldeutsche Rundfunk gleich mal zum “Show-Vierkampf”.

“Den Show-Vierkampf am Samstag, 30.12.2013, hat Florian Silbereisen gewonnen: ‘Das Adventsfest der 100.000 Lichter’ landete mit deutlichem Vorsprung auf Platz eins vor den drei Konkurrenzshows”, meldet der mitteldeutsche Sender. “5,57 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer wollten die stimmungsvolle Eurovisionsshow zur Eröffnung der Weihnachtsmärkte im Ersten sehen. Mit einem Marktanteil von 19,7 Prozent ein überragendes Ergebnis und die mit Abstand meistgesehene Sendung am Samstagabend um 20.15 Uhr. Bei den 14- bis 49 Jährigen erzielte die Show einen sehr guten Marktanteil von 6,5 Prozent.”

Zuvor hatte das Medienmagazin DWDL schon über diese Art, Siege zu feiern, berichtet. Noch ein bisschen ergänzt um den Teil, den der MDR in seiner Meldung dann weg ließ: “Dagegen hatte das ZDF mit der von Johannes B. Kerner präsentierten Suche nach dem ‘Quiz-Champion’ keine Chance. Nur 3,81 Millionen Zuschauer hatten insgesamt eingeschaltet, das waren sogar nochmal gut 400.000 weniger als bei der letzten Ausgabe am Mittwoch vergangener Woche. Der Marktanteil beim Gesamtpublikum lag mit 13,1 Prozent im Mittelmaß. Bei den 14- bis 49-Jährigen lag die Quizsendung mit 7,3 Prozent immerhin knapp vor dem ‘Adventsfest’ im Ersten.”

Die deutschen Fernsehsender sind geradezu in einem Rausch der Quoten. Jede Stunde wird gemessen, hochgerechnet, in Champions-Listen gepackt.

Aber was bedeuten die 5,57 Millionen Zuschauer für Florian Silbereisen, die 3,95 Millionen für das “Supertalent” auf RTL und die 3,81 Millionen für Kerners “Quiz Champion”? Saßen alle 80,5 Millionen Bundesbürger am Samstagabend vor ihren Flimmerkisten? Oder besser: Die 78 Millionen, die gezählt werden, denn die unter Dreijährigen werden nicht mitgezählt. Da kommt man in das Reich der Fernsehzahlen, in dem so gut wie alles märchenhaft ist. Was übrigens auch die verantwortlichen Politiker immer wieder in der Überzeugung bestärkt, das Fernsehen sei das grundlegende und allumfassende Medium. Immerhin soll ja in 94 Prozent aller Haushalte ein Fernsehapparat stehen.

Aber selbst dieser silberne Samstagsabend brachte tatsächlich nur eine Minderheit vor den Apparat. Denn die 19,7 Prozent Marktanteil ergeben nach Adam Ries 28,3 Millionen Menschen, die am Samstagabend einen der deutschen Sender guckten. Heißt ja wohl im Klartext: Ungefähr 50 Millionen und noch etliche unter Dreijährige taten etwas ganz anderes – tranken zum Beispiel Glühwein auf richtigen Weihnachtsmärkten, besuchten Konzerte, Party oder Freunde, daddelten am Computer oder schlummerten brav.

Aber nicht nur das verraten diese Zahlen, Es steht ja auch noch der kleine Hinweis da, dass sich Florian Silbereisen auch bei den 14- bis 49jährigen ganz gut behauptet hätte mit 6,5 Prozent Marktanteil. Unübersehbar aber spielten in dieser jüngeren Zuschauergruppe andere Sendungen eine wichtigere Rolle. Hier rangierte RTL mit “Das Supertalent” und 21,0 Prozent Zuschaueranteil an der Spitze (2,08 Millionen) vor “Joko gegen Klaas – Das Duell um die Welt ” auf Pro7 mit 15,6 Prozent Marktanteil (1,57 Millionen) und dem Spielfilm “Hancock” auf Sat.1 (9 Prozent und 920.000 Zuschauer). Die 6,5 Prozent für Florian Silbereisen bedeuten hier also noch rund 660.000 Zuschauer.

Woher kamen also dann die über 4 Millionen anderen?

570.000 stammen aus der Zuschauergruppe der 50- bis 59jährigen, denn die Auswertung der Zuschauergruppe 14- bis 59 weist eine 1,23 Millionen aus und damit einen Marktanteil von 8,1 Prozent. Was schon einmal ahnen lässt, wohin die Reise geht und wer da am Samstag die 100.000 Lichter des Florian Silbereisen sehen wollte. Die Rechnung ist ja dann ganz simpel: 4,34 Millionen Zuschauer dieser MDR-Adventsshow entstammen der Zuschauergruppe 60plus.

Die Meldung erzählt also eine ganze Menge über das Zielpublikum des MDR und die Fragwürdigkeit von Quoten. Aber so lange die öffentlich-rechtlichen Sender derart gebannt auf die Quoten starren, wird sich ihr Programmangebot nicht verbessern.

DWDL-Zahlenzentrale: www.dwdl.de/zahlenzentrale

MDR-Ankündigung zur Silbereisen-Show:
www.mdr.de/feste-der-volksmusik/adventsfest188.html

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