Die Freibeuter haben nicht locker gelassen. Für sie ist die Art, wie das Leipziger Amtsblatt verteilt wird, ein Relikt aus dem vergangenen Jahrhundert. Es wird einfach in alle Häuser verteilt, ohne dass irgendjemand weiß, ob es die Leipziger auch tatsächlich aufheben und lesen. Nachdem die Stadt bei dem Thema jahrelang gemauert hat, hat das Referat Kommunikation jetzt erstmals einen Vorschlag vorgelegt, wie man mit dem Thema umgehen könnte. Aber nicht gleich.

Denn es stimmt ja: Niemand weiß, wer das Amtsblatt überhaupt noch in welcher Form liest. Weshalb auch die Stadtratsfraktionen nur mutmaßen können und völlig verschiedene Sichtweisen auf das Thema haben, obwohl der Klimaaspekt, den die Freibeuter mit ihrem Antrag „Klimanotstandbeschlüsse umsetzen – auch beim Leipziger Amtsblatt“ ins Zentrum gerückt haben, durchaus mehrheitsfähig ist.

Zielgruppe Senioren?

„Einer berechtigten Debatte über Klimawirkung und Ressourcenverbrauch wird sich das Amts­blatt nicht verschließen“, stellt das Referat Kommunikation der Stadt i seinem Beschlussvorschlag nun fest. „Die grundsätzliche Frage des Antrags, ob ein solcher Ressourceneinsatz (Papier, Energie) noch zeitgemäß sei, ist ohne Zweifel berechtigt. In der erforderlichen Abwägung ist aber auch zu berücksichtigen, dass Änderungen beim Vertrieb von Amtsblättern in anderen Großstädten aufzeigen, dass mit dem Verzicht auf eine haus­haltsweite Verteilung ein enormer Reichweitenverlust von bis zu 90 Prozent einhergeht.

Ein Teil der Bevölkerung – vor allem jene, die sich nicht digital informieren (möchten oder können) – wäre damit von der Kommunikation städtischer Themen ausgeschlossen. Hier ist das Amtsblatt auch ein Beitrag zur Inklusion. Es bietet eine niedrigschwellige Möglichkeit, sich über die Kommunalpolitik und städtische Entscheidungen zu informieren. Nach jüngsten statistischen Erhebungen sind zwei Drittel der über 80-Jährigen nicht online. Jeder dritte über 60-Jährige nutzt das Internet nicht.“

Beides sind freilich bundesweite Zahlen. Ob das so auf Leipzig auch zutrifft, weiß ebenso niemand.

„Eine umgehende Kündigung des bisherigen Vertrages über Produktion und Verteilung des Leipziger Amtsblatts mit dem Dienstleister würde eine Einstellung des Amtsblatts zum 31.12.2023 bedeuten. Wie groß die Risiken einer Neuausschreibung sind, zeigen die Bei­spiele der Amtsblätter in Dresden und Chemnitz“, geht das Referat Kommunikation auf die Risiken einer zeitnahen Vertragskündigung ein.

„In Dresden lief der bestehende Amtsblatt-Vertrag mit einer Auflage von 25.000 Exemplaren (vor Umstellung auf das Auslagesystem lag die Auflage bei 210.000 Exemplaren) bei 600 Auslagestellen zum 30. Juni 2021 aus. Der notwendigen Neuausschreibung schaltete die Stadt ein öffentliches Interessenbekundungsverfahren vor. Keiner der drei Interessenten gab jedoch ein Angebot ab, auf Nachfrage wurden wirtschaftliche Gründe und das Risiko der Vertragslaufzeit (3 Jahre und sechs Monate) benannt. Erbetene Übergangszeitangebote lagen mit Mehraufwendungen zum Status Quo bei mindestens rund 11.000 Euro im Halb­jahr. Derzeit läuft erneut ein Ausschreibungsverfahren.

Stellungnahme der Stadt zum Antrag „Klimanotstandbeschlüsse umsetzen – auch beim Leipziger Amtsblatt“.

In Chemnitz endete der Vertrag (haushaltsweiter Vertrieb, Auflage 130.000) im Frühjahr 2022. Da zwei Ausschreibungen kein gültiges Angebot ergaben, musste er bis Ende 2022 verlängert werden. Seit der ersten Ausgabe 2023 erfolgt die Verteilung über 200 Stütz­punkte. Die Auflage beträgt jetzt 25.000 Exemplare.“

Risiko einer Neuausschreibung

Was dann aus Sicht des Referats Kommunikation bedeutet: „Eine Neuausschreibung zum 1. Januar 2024 ist aufgrund der Ausschreibungsformalien und -risiken, aber auch aufgrund der bis dato unklaren inhaltlichen Aspekte, risikoreich. Die Umstellung auf ein Auslagesystem ist grundsätzlich möglich. Gleichwohl blieben trotz gravie­renden Rückgangs der Auflagenhöhe große Teile der Kosten (Redaktion, Druck, Vertrieb).“

Um alle diese Unsicherheiten abzuklären, schlägt das Referat Kommunikation deshalb vor, mit der Bürgerumfrage 2023 überhaupt erst einmal belastbare Daten zur Nutzung des Amtsblatts durch die Leipziger zu erheben: „Zum Leseverhalten und zur Zuverlässigkeit der Zustellung werden über die kommende Kommunale Bürgerumfrage 2023 aktuelle Daten erhoben. Die Umfrage soll u. a. zeigen, welche alternativen Vertriebssysteme bei der Bevölkerung auf Akzeptanz stoßen würden.“

Was dann auch noch ein paar andere Fragen klären soll: „Wie viel Prozent der Haushalte bekommen das Leipziger Amtsblatt? Wie tief bzw. umfänglich wird das Amtsblatt gelesen? Welche alternative Belieferung des Amtsblatts (Auslagestellen, Postversand, Newsletter) wären für die Bürger akzeptabel?“

Und wenn man die Daten dann habe, könne man entscheiden, wie es mit dem Amtsblatt dann ab 2025/2026 weitergehen soll. Die Entscheidung soll mit dem Haushalt 2025/2026 getroffen werden: „Dem Stadtrat wird bis zum 3. Quartal 2024 auf Grundlage der erhobenen Daten und Erkenntnisse ein Vorschlag zur künftigen Ausrichtung des Leipziger Amtsblatts vorgelegt.“

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