Wie organisiert man ein Jubiläum? Am besten mit einem Verein. Das stellt die Leipziger Prüfgesellschaft bbvl fest und das Finanzdezernat, das für das Jubiläum 2015 federführend ist, gab das so am 16. April auch in die Dienstberatung des OBM. Ein Kuratorium "Leipzig 2015" gibt es seit November 2012, ein Festkomitee seit September. Aber der Verein soll nicht nur die Organisation übernehmen, sondern auch "Bürgerinnen und Bürger der Stadt Leipzig" einbinden. Eine Art Festkalender steht auch schon.

Auch wenn der erste Baustein selbst ohne Jubiläum so stattfinden würde: der Neujahrsempfang “Gemeinsam für die Region” von IHK, HWK, Unternehmerverband und Marketing Club. Aber es erscheint nur logisch, das Jubiläum auch hier gleich zu würdigen. Denn Wirtschaft gehörte die ganze Zeit als Grundlage der Stadtblüte immer dazu.

Im Mai soll es dann den offiziellen Festakt mit Eröffnung der Kongresshalle mit dem Bundespräsidenten als Schirmherr geben. Anschließen soll sich vom 30. Mai bis 7. Juni eine Festwoche, die mit der Eröffnung des Notenrades als Erweiterung der Notenspur beginnen soll. “Vorbehaltlich Finanzierung”, betont das Finanzdezernat. Am Folgetag, dem 31. Mai, soll es dann einen Festumzug mit Abschlussveranstaltung auf der Festwiese geben.

Danach sind Thementage geplant und am 7. Juni ist das Leipziger Stadtfest der vorläufige Endpunkt bis zu den “Leipziger Festtagen” im August/September. Verknüpft werden soll das thematisch mit den traditionellen Bürger-, Stadtteil- und Ortsteilfesten “zum längsten Stadtfest der Welt”. Was vielleicht keine so gute Idee ist. Da greift dann meist der Goethe-Spruch: “Getretner Quark wird breit, nicht stark.”

Eine Ausstellung “Leipzig-Wien. Zwei europäische Kulturhauptstädte von Weltrang” ist geplant und vom 12. bis 14. November dann die Fachtagung “1.000 Jahre Leipzig” unter Federführung der Stadt Leipzig mit den vier Herausgebern der wissenschaftlichen Stadtgeschichte. Darin eingebettet auch der Festakt zur Übergabe der vierbändigen wissenschaftlichen Stadtgeschichte durch die Herausgeber an den Oberbürgermeister. Was bestimmt spannend wird. Zwei Jahre sind keine lange Zeit mehr für dieses Projekt. Vielleicht wird’s ja wie bei der sechsbändigen Universitäts-Geschichte: Der erste fertige Band wird überreicht.

Am 20. Dezember soll es dann den offiziellen Abschluss des Festjahres geben.

“Darüber hinaus werden die Themenfelder Wirtschaft und Internationales im Festjahr fest verankert. Ein internationaler Zukunftskongress über die neuesten Entwicklungen und Tendenzen im Messe- und Kongresswesen wird im Rahmen von 850 Jahre Leipziger Messe vorbereitet. Die Medizinische Fakultät der Universität Leipzig wird aus Anlass ihres 600jährigen Bestehens internationale Kongresse nach Leipzig holen. Weiteren Jubiläen im Jahr 2015 wird gebührender Platz eingeräumt. Überschneidungen und Doppelungen im Terminkalender sollen vermieden werden”, heißt es in der Vorlage weiter.

So gebe es auch erste Abstimmungen zu 850 Jahre Markt- und Stadtrecht, 850 Jahre Leipziger Messe und 850 Jahre Stadtkirche St. Nikolai, was ja alles eins ist und zurückgeht auf den umstrittenen Stadtbrief, den die Forscher auf die Zeit zwischen 1156 und 1170 datieren. Er selbst trägt kein Datum. Deswegen einigt man sich meist auf die irgendwie in der Mitte liegende Jahreszahl 1165. Alles, was sich auf dieses Datum bezieht, ist also mehr oder weniger Fiktion.

Es wird auch diskutiert, ob der “Stadtbrief”, den Markgraf Otto der Reiche ausgestellt haben soll, eine Fälschung ist. Genauer: eine “feststellende Fälschung”, die einen Tatbestand nachträglich beurkundet. Da aber Markgraf Dietrich das Papier nach dem Stadtaufstand von 1216 bestätigte, erhielt das Ganze somit zumindest im Nachhinein Gesetzeskraft.Was bei den oben genannten vier Daten völlig untergeht: Der “Stadtbrief” beurkundet im Grunde die tatsächliche Gründung der Stadt Leipzig. Denn zuvor gab es nur den Burgwart auf dem heutigen Matthäikirchhof und die zugehörige Siedlung.

Was der Brief aber beurkundet, ist die Gründung einer neuen Stadt, wie es damals vielerorts in Sachsen geschah. Außerhalb der alten Gründungskerne wurde eine neue Stadt mit geometrischem Straßenraster angelegt – mit Markt und Kirche. In der Urkunde Markgraf Otto des Reichen von Meißen heißt es dazu, er habe das Stadtgebiet “zur Bebauung ausgeteilt” (“aedeficandam distribuit”) und das Hallische und Magdeburgische Recht verliehen. Letzteres dann das gültige Stadtrecht für das neue Leipzig, quasi Leipzig-Neustadt.

Zentrum dieser neuen Stadt war der heutige Nikolaikirchhof, wo wohl auch das erste Rathaus stand. Wahrscheinlich war er auch der erste offizielle Marktplatz der Stadt – denn der Name Neumarkt deutet darauf hin, dass der Neumarkt schon der zweite Markt dieser wachsenden Stadt war (später sogar in den Varianten Neuer Neumarkt und Alter Neumarkt). Der eigentliche Markt, wie man ihn heute sieht, ist praktisch der dritte.

Mit dem Stadtrecht verliehen wurde auch das Marktrecht für diesen ersten Markt, gültig für einen Umkreis von 1 Meile, was ungefähr 15 Kilometern entspricht. Damit wurden der Stadt die Produkte aus den umliegenden Dörfern gesichert. Von Messe kann man in diesem Sinn noch nicht reden. Leipzig war damit eine jener neu gegründeten Städte, mit denen die Wettiner ihre Machtansprüche sicherten. Die andere wichtige Stadt, die in dieser Zeit protegiert wurde, war Freiberg. Leipzig erhielt mit der Zuschreibung seines “Weichbildes” auch eine Sondergerichtsbarkeit, gehörte also fortan nicht mehr zur Landgerichtsbarkeit. Und es bekam einen eigenen Stadtvogt – eine Funktion, die die Herren von Schkeuditz übernahmen.

Die Nikolaikirche ist dann wohl auf dem ursprünglichen Marktplatz erbaut worden und war vor ihren vielen späteren Umbauten wohl auch eine Ecke kleiner als heute.

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Es ist also durchaus überlegenswert, ob man dieses Detail der Stadtentstehung nicht auf eigene Weise feiert.

Denn das, was als 1.000jähriges Jubiläum gefeiert wird, ist ja “nur” die Ersterwähnung Leipzigs durch Thietmar von Merseburg. Und die “urbs libzi”, die er erwähnt, ist der Burgwart auf dem späteren Matthäikirchhof, eine mit einem weiten Wallsystem umgebene Burganlage, zu der auch eine Siedlung gehörte. Die für Otto den Reichen nur sehr günstig gelegen war – nämlich in der Mitte seiner neu erworbenen Besitzungen im Osten seines Herrschaftsgebietes. Das Stadtrecht bekam die neu angelegte Siedlung. Der markgräfliche Burgwart blieb säuberlich außen vor und damit auch landesherrliches Gebiet, so dass Markgraf Dietrich im 13. Jahrhundert, als die Leipziger rebellierten, auf eigenem Grund und Boden Klöster gründen und Burgen bauen konnte.

Welche Jubiläen will die Stadt 2015 mitbedenken? – Die Vorlage des Finanzdezernats listet auf: 600 Jahre Medizinische Fakultät, 150 Jahre Allgemeiner Deutscher Frauenverein, 120 Jahre Einweihung Reichsgericht, 100 Jahre Fertigstellung Leipziger Hauptbahnhof.

Die einzelnen Budgets müssen noch durchdefiniert werden und sollen dann 2014 im Rahmen des regulären Haushaltsplanverfahrens verabschiedet werden.

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