Kirchenbauwerke gehören in Mitteldeutschland zu fast jedem Ort. Im Alltag sind sie bekannt als Wahrzeichen, Ortsmittelpunkt oder Orientierungsmarke, sie haben architektonisch, kunsthistorisch und regionalgeschichtlich vielfältige Bedeutung. Die Zukunft vieler Kirchen ist bedroht: Dutzende von ihnen haben ihre Funktion verloren, einige sind spurlos aus dem Ortsbild verschwunden. Doch auch einige wenige hatten Glück und wurden bewahrt: Sie bestehen weiter – und werden für andere Zwecke genutzt.

Wer in Magdeburg auf dem Elberadweg unterwegs ist, kommt auf der Krone des dortigen Elbedamms am Stadtteil Prester vorbei. Ins Blickfeld gerät dort die nahegelegene, historische Dorfkirche. Auch wenn sie nicht mehr als Gotteshaus dient, lockt sie allwöchentlich viele Menschen an: Wo früher sich christliche Seelen labten, versprechen nun Speis’ und Trank körperliche Erquickung.

Doch der Reihe nach: Es war im Jahr 1110, als Erzbischof Adalgot von Veltheim das Dorf Prester dem Magdeburger Kloster Berge schenkte. Seitdem stand dort ein Gotteshaus, geweiht Johannes dem Täufer. Jene Kirche wurde in den folgenden Jahrhunderten immer wieder mal zerstört – und stets wieder aufgebaut: Prester ohne Kirche, das ging gar nicht – jedenfalls damals nicht in gottesfürchtiger Zeit.

1832 entstand der bis heute erhalten gebliebene, neogotische Sakralbau. Er wurde anstelle der baufällig gewordenen mittelalterlichen Kirche nach Plänen der preußischen Baudeputation Berlin unter Mitwirkung des Architekten Karl Friedrich Schinkel errichtet. Die Gestaltung des Kirchturms soll dabei der Turmgestaltung am Magdeburger Dom nachempfunden worden sein. Das Baumaterial stammt aus dem Steinbruch Plötzky, dem Schweinitzer Forst und dem Grünewalder Forst.

Die Immanuelkirche Prester ist heute ein Restaurant. Foto: Muggmag, gemeinfrei, Quelle: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=2724112
Die Immanuelkirche Prester ist heute ein Restaurant. Foto: Muggmag, gemeinfrei,
Quelle: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=2724112

Die einschiffige Hallenkirche hat einen schmalen Altarraum. Im Westen wurde ein Turm mit quadratischem Grundriss angefügt. Der Kirchturm hat ein achteckiges Glockengeschoss mit massiv gemauertem und mit Krabben (!) besetztem Spitzhelm.

Zwölf Jahre später schuf Magdeburgs Orgelbauer Hamann dort seine Orgel, sie erklang erstmals am 27. Oktober 1844. Am 2. Juni 1957 bekam das Gotteshaus anlässlich seiner 125-Jahrfeier den Namen „St.-Immanuel-Kirche“.

Doch im Jahr 1983 verstummten in Prester die bislang regelmäßigen, sonntäglichen Gebete und Lobgesänge der Protestanten endgültig. Bereits Mitte der 1970er Jahre wurde die Orgel, erbaut vom Unternehmen Jehmlich Orgelbau Dresden, der katholischen Rosenkranzkapelle in Magdeburgs Stadtteil Rothensee verkauft. Die Zeit der Kirchen-Nutzung ging zu Ende, die Zukunft des Gotteshauses war ungewiss.

Ein neues Kapitel und damit die Rettung begann Mitte der 1990er Jahre: Als das Kirchlein in Prester zum Verkauf stand, reifte die Idee zur Umnutzung. Es fanden sich tatkräftige, wagemutige Gastronomen, die an diese Idee glaubten – und an die vielversprechende, fuß- und fahrradfreundliche Lage nahe an eben jenem Elberadweg.

So wurde 1997 das Gotteshaus zu Prester zum Gasthaus. Fast ein Vierteljahrhundert später ist das Restaurant „Die Kirche“ überregional bekannt für seine besondere Verknüpfung von Architektur und Kunst, Kirche und Gastronomie.

Die beiden noch im Kirchturm von Prester verbliebenen Glocken fanden 2007 ihr neues Zuhause in der Sankt-Briccius-Kirche in Magdeburg-Cracau.

Koordinaten: 52° 6′ 12,2″ N, 11° 40′ 29,4″ O

Quellen und Links:
https://de.wikipedia.org/wiki/Immanuelkirche_(Prester)
https://restaurant-die-kirche.de/ueber-uns/
https://www.cracau.info/index.php/Restaurante_in_Alt_Prester
https://www.port01.com/citytipps/Magdeburg/Restaurant_Die_Kirche-13-6875.htm
https://www.nold-objekteinrichter.de/beitrag-lesen/einrichtung-restaurant-die-kirche-prester.html
https://www.deutschlandgourmet.info/magdeburg/restaurant-die-kirche-4/
https://www.licht-von-dieser-welt.de/hochzeit-in-der-kirche-magdeburg/

Mit freundlicher Unterstützung vom Förderverein der Leipziger Denkmalstiftung.

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