Es war schon ein besonderer Tag, dieser 13. Februar, für die Gemeinde der Leipziger Wagnerianer, die sich zum Gedenken an ihren Meister am Schwanenteich hinter dem Opernhaus versammelten. Vor 210 Jahren erblickte hier in Leipzig Richard Wagner das Licht der Welt. Genau vor 140 Jahren, als er in Venedig starb, gab es darüber großes Aufsehen „von den Gestaden der Adria bis weit über die Meere nach den entlegensten Wohnstätten gebildeter Menschen“.

Die Wiener „Neue Freie Presse“ widmet fast eine ganze großformatige Seite für einen Nachruf. Da heißt es (Schreibweise hier und fortfolgend im Original übernommen, d. Red.): „Die Nachricht vom Tode Richard Wagner’s ist uns heute abends zuerst durch eine Depesche des deutschen, in Venedig lebenden Arztes Herrn Dr. Keppler bekannt geworden. In der Oper wurde ein Gerücht vom Hinscheiden Wagner’s während der Vorstellung der ‚Widerspenstigen’ bekannt und erregte unter den Künstlern wie im Hause die große Sensation. Nach der ersten eben erwähnten Depesche des Herrn Dr. Kepler erhielten wir noch mehrere andere Telegramme aus Venedig, welche die Todeskunde bestätigten; sämmtliche Nachrichten stimmten darin überein, daß Wagner’s Tod mit großer Plötzlichkeit erfolgte; es ist kein Zweifel, daß er einem Herzschlage erlegen ist.“

Für die Wiener steht nun fest: „Ein musikalischer Königsthron ist im Reiche der Musik leer geworden.“

Zum Tode Wagners hat sich auch etwas später Kritiker Eduard Hanslick geäußert: „Was tröstend wie eine weiche Hand sich auf ihre Trauer legen muß, ist der Gedanke an den beneidenswerthen, schönen Tod, der dem Meister beschieden war. Nur halb wahr ist das Wort des griechischen Dichters, daß die Götter ihre Lieblinge jung abberufen. Glücklicher preisen wir den Sterblichen, der wie Wagner zu hohen Jahren und hohen Ehren aufgestiegen ist, um dann ohne Siechthum heiter und ahnungslos aus dem Leben zu scheiden. Ja, als ein Glücklicher ist Wagner gestorben. Es war ihm noch vor wenig Monden beschieden, sein letztes großes Werk in Bayreuth lebendig zu machen, sich tagtäglich an der eigenen Rüstigkeit zu erfreuen und im vollen Sonnenschein seines Erfolges zu schwelgen, wie er keinem Künstler irgend einer Zeit oder Nation je zuvor geleuchtet hat.“

Ohne Siechtum, heiter und ahnungslos? Als ein erstes Anzeichen seines Gesundheitszustandes kann eine Antwort auf die Frage nach seinen Reiseplänen gelten, die man ihm während der Bayreuther „Parsifal“-Aufführungen im Sommer 1882 stellte: „Ich ertrage nicht mehr den grauen wolkenumflorten Winterhimmel in Bayreuth!“

Gegenüber seinem Wiener Freund und Vertrauten Dr. Standtharner klagte er bei gleichem Anlass über Atembeschwerden; dieser untersuchte Wagner und fand eine Vergrößerung des Herzens. Die gleiche „bedrohliche Entdeckung“ machte zu jener Zeit bereits der Kliniker Dr. Leibl in Erlangen.

Dann im Oktober ging Wagner mit Familie nach Italien, nahm schließlich eine Wohnung zur Miete im 2. Stock im Palazzo Vendramin in Venedig. Zu Weihnachten hat man im intimen Kreise noch ein schönes musikalisches Fest gefeiert; man beging das fünfzigjährige Jubiläum einer Wagnerschen Symphonie, eines Jugendwerkes, das er im Jahre 1832 in Leipzig geschrieben hatte.

„Wagner’s Name war durch Jahrzehnte ein Schlachtruf, welcher große und erbitterte Parteien schuf, von welchen die eine den Meister exzentrisch vergötterte, während die andere ihn ebenso stürmisch bekämpfte. Wagner selbst stand wie ein erhitzter Streiter mitten in diesen Kämpfen um das neue, von ihm geschaffene Musikdrama; neben der Feder, welche seine dichterischen und musikalischen Ideen aufzeichnete, lag das Schwert, mit welchem er nach rechts und links scharfe Hiebe gegen Alle führte, die seiner künstlerischen Richtung sich entgegenwarfen“, – diese schon einen Tag nach Wagners Tod veröffentlichte Bewegung um Persönlichkeit und Werk Richard Wagner’s hat sich wohl bis heute erhalten.

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