Am 1. Oktober steht das Jubiläum eines einst in Leipzig ansässigen weltbekannten Verlages an. 1828, also vor 195 Jahren, kauft Anton Philipp Reclam (28.06.1807 bis 05.01.1896) die Leihbibliothek „Literarisches Museum“ in der Leipziger Grimmaischen Straße gegenüber dem Naschmarkt und gründet am 1. Oktober den „Verlag des Literarischen Museums“. Dieser 1. Oktober 1828 gilt als Gründungsdatum des Verlages Philipp Reclam jun., schauen wir mal genauer!

Sehr anschaulich wird uns das Werden und Wirken des Anton Philipp Reclam in der Frühausgabe des Leipziger Tageblatts (LT) v. 8. Januar 1896, einem Mittwoch, erzählt:

„Ein Leben reich an rastloser Arbeit ist mit dem am Sonntage erfolgten Heimgange Anton Philipp Reclam’s abgeschlossen worden. Am 28. Juni 1807 wurde er in Leipzig geboren, seine früheste Jugend fällt also in jene für Deutschland zunächst so unglückliche, dann aber durch die Erhebungen gegen den corsischen Eroberer so große Zeit. Er erlebte als siebenjähriger Knabe in Leipzig die Völkerschlacht, sah aus der am Markt gelegenen Wohnung die Franzosen an den Straßenecken ihre Gewehre von sich werfen, als die Kosacken und Baschkiren in die Stadt hineinsprengten, und warf letzteren, in Ermangelung anderer Nahrungsmittel, Aepfel aus dem Fenster zu, die jene lachend auffingen.

Eine Scene war ihm besonders in Erinnerung geblieben: als einer der Reiter einen Apfel in seiner spitzen Mütze aufgefangen hatte, theilte er denselben mit seinem gleich ihm hungernden, sich sehnsüchtig umschauenden Pferde. Hinter den Kosacken rückten andere Truppen in Leipzig ein und mit ihnen die drei verbündeten Monarchen. Vor dem Königshause stieg der Kaiser Alexander vom Pferde und forderte den König Friedrich August von Sachsen auf, sich den verbündeten Monarchen anzuschließen. Jene ernste, kriegerische Zeit machte auf den Knaben einen tiefen Eindruck.

Nach Absolvirung der Schule trat Philipp Reclam im Jahre 1823 als Lehrling in die Schulbuchhandlung von Vieweg & Sohn in Braunschweig ein. Hier fand er Gelegenheit, neben dem Buchhandel auch die Buchdruckerkunst zu erlernen. Mit Hilfe eines ihm von seinem Vater vorgesteckten Capitals von 3000 Thalern übernahm er die unter dem Namen ‚Literarisches Museum’ hier bestehende Verlagsbuchhandlung, verbunden mit Lesecabinet und Journalisticum. Es war dies ein Unternehmen, in dessen Lesecabinet die damaligen Leipziger Gelehrten und Literaten verkehrten. Somit im 20. Lebensjahre schon selbstständig, erwarb er mit den ersten ersparten dreißig Thalern das erste Manuscript, eine Uebersetzung aus dem Französischen, dem bald andere Verlagswerke folgten.

Im Jahre 1837 verkaufte Reclam das ‚Litterarische Museum’ wieder, um sich von jetzt ab ganz dem Verlagsgeschäft zu widmen und firmirte von da an ‚Philipp Reclam junior’.“

(Unterzeichnet von Vater Carl Heinrich – C. H. Reclam ohne Verlagsangabe – erscheinen in der Leipziger allgemeinen Zeitung v. 04. und 06. 10. insgesamt sechs von C. H. Reclam gezeichnete Anzeigen – dann erst wieder 20 Tage später am 26. 10. 1837 im Leipziger Tageblatt: „Der Komet, herausgegeben von C. Herloßsohn, erscheint am 1. Januar 1838 im Verlage von Philipp Reclam jun. in Leipzig.“ Mit dieser Anzeige am 26. 10. 1837 hat also Anton Philipp Reclam auch die Gründung seines eigenen Verlages bekannt gemacht.)

Bibel, Wörterbücher, Liederbuch

Doch nun weiter im Text des LT von 1896: „Am 9. Januar desselben Jahres (1837) verheirathete er sich mit Susanne Auguste Baumann aus Horgen am Züricher See. Aus der Ehe ging ein Sohn, Hans Heinrich hervor, der Mitarbeiter und nunmehrige Nachfolger im Geschäft.

Im Jahre 1839 gelang es Philipp Reclam, durch wohlhabende Freunde unterstützt, die gut eingerichtete Haack’sche Buchdruckerei zu erwerben. Sein Bestreben war von nun an darauf gerichtet, sich von fremden Auftraggebern mehr und mehr unabhängig zu machen, d. h. die Druckerei nur mit Werken im eigenen Verlage zu beschäftigen. Die Bibelausgabe, das französisch-deutsche und deutsch-französische Wörterbuch von Schmidt, sowie das Liederbuch ‚Das singende Deutschland’ sind hiervon die ersten Anfänge. Von 1842-1848 erschienen in Reclam’s Verlage neben Oettinger’s ‚Charibari’ vorzugsweise Schriften politischen Inhalts, deren Verlag er jedoch aufgeben mußte, als ihr Vertrieb für den Bereich der kaiserlich österreichischen Staaten verboten wurde.

Seitdem war Reclam bestrebt, durch Unternehmungen, deren Vertrieb ein dauernder werden mußte, dem Geschäfte fernerhin eine mehr gesicherte Grundlage zu verleihen. Im Jahre 1862 siedelte Reclam in das von ihm hauptsächlich für Geschäftszwecke neuerbaute Haus in der Dörrienstraße Nr. 4 über. Der bis dahin beispiellose Erfolg der von Reclam bewirkten Shakespeare-Ausgabe, die immer wieder neu aufgelegt werden mußte, ließ ein Gleiches von den billigen Ausgaben auch anderer Dichter erwarten. Als nun noch durch das im November 1867 in Kraft tretende Gesetz, die Werke aller seit dreißig Jahren und länger verstorbenen Autoren Gemeingut der Nation wurden, bereitete die Firma Philipp Reclam jun. für diesen Termin eine Gesammtausgabe von Schiller’s Werken vor, der sich später solche Werke Lessing’s, Goethe’s, Körner’s, Hauff’s, Börne’s, sowie Moliére’s und Byron’s anschlossen.

Die Geburt der Universalbibliothek

Neben diesen wohlfeilen Klassikerausgaben, deren Zahl mit der Zeit noch beträchtlich vermehrt wurde, begann die Firma am gleichen Tage ein Unternehmen, das aus kleinen Anfängen zu einem im Buchhandel bisher unerhörten Umfange gelangen sollte. Es ist dies die Universalbibliothek, dazu bestimmt, die Werke der Dichter und Denker sowohl den weitesten Kreisen des deutschen Volkes zugänglich zu machen, als auch populaire Schriften allgemein interessirenden Inhalts zu verbreiten. Diese Ausgaben fanden einen großen, stetig steigenden Absatz. Wer kennt nicht die kleinen Heftchen mit den röthlichen Umschlägen, die in Millionen von Exemplaren über den ganzen Erdball verbreitet sind und den Weltruf der Firma begründet haben!

Eine Vergrößerung der Geschäftslocalitäten, namentlich eine Vermehrung der Schnellpressen, stellte sich bald als nothwendig heraus. Es wurde daher das Nachbarhaus angekauft, und nachdem bald beide Häuser bis unter den Giebel mit Vorräthen von gebundenen und gehefteten Büchern gefüllt waren, wurde zu einem Neubau auf dem zu diesem Zweck angekauften großen Grundstück in der Kreuzstraße Nr. 7 geschritten.

Seit 1887 befinden sich hier neben der Buchdruckerei, in welcher über hundert Personen beschäftigt sind, die Verlagshandlung mit 15 Angestellten und die Lagerräume für Vorräthe von gedruckten Büchern und Stereotypplatten. Einunddreißig Schnellpressen und mehrere Tiegeldruckpressen arbeiten fast ausschließlich für den eigenen Verlag. An Hilfsmaschinen sind fünf Glättpressen und eine Abziehpresse in Thätigkeit. Zwei Dampfmaschinen von zusammen 75 Pferdekräften besorgen den Betrieb. Durch eine Dynamomaschine für 300 Glühlampen wird das Haus erleuchtet.

Nach Fertigstellung eines im Jahre 1895 ausgeführten Vergrößerungsbaues erfuhren die Betriebs- und Lagerungsräume eine abermalige Erweiterung. Buchbinderei und Schriftgießerei sind mit dem Betrieb nicht verbunden, sie werden von selbstständigen Geschäften geliefert.

Ehemaliges Druckereigebäue von außen.
Das einstige Verlags- und Druckereigebäude Philipp Reclam in der Inselstraße – heute Reclam-Karree. Foto: Ralf Julke

Aus vorstehenden Angaben schon ist ersichtlich, wie groß die Bedeutung des Verblichenen und der von ihm ins Leben gerufenen Unternehmungen war. In diesen hat er sich ein Denkmal gesetzt, das dauernder als Erz seinen Namen bis in ferne Zukunft in der Welt der Gebildeten forterhalten wird.“

Wir haben nicht zu jammern, sondern zu gedenken

Und zwei Tage später dann folgt ein Bericht im LT von der Beisetzung; daraus sei hier der Abschnitt über die Gedächtnisrede des Pfarrers Mehlhorn von der Reformierten Gemeinde zitiert: „So empfinden wir am Sarge dieses Greises nichts, was den Menschen entsetzen kann; wir haben nicht zu jammern, sondern zu gedenken. Sein ganzes Leben war reich an Mühen und Arbeit, eifrig war er bemüht, seinen Geist zu bilden, seinem Leben Inhalt zu geben. In der Schule zählte er den Roderich Benedix zu seinen Kameraden; in späteren Lebensjahren widmete er sich dem Studium der Naturwissenschaften und dem Studium der deutschen Literatur.

Fauste und Wallenstein waren ihm unter allen Charakterschöpfungen deutscher Dichtung die liebsten Gestalten. Seine Freunde nannten ihn scherzhaft ihren Professor, von dem sie mannigfache Anregungen empfingen. …

Der Verblichene war in jeder Beziehung ein ganzer Mann, der auch seinem Geschäftspersonal als ein leuchtendes Beispiel gelten durfte. Im Hinblick auf sein rastloses Wirken und Schaffen verstehen wir es, dass sein Streben reich an Erfolgen war. Die Universalbibliothek hat seinen Wohlstand am festesten begründet, 3500 Nummern sind gedruckt und Millionen der röthlichen Hefte sind über die ganze Welt verbreitet. Bis in die kleinste Hütte ist durch sie Licht und Aufklärung verbreitet worden.

Mit bedeutenden Menschen ist er in anregende Beziehungen getreten, so mit Julius Mosen, dem Dichter des Hoferliedes, mit Heinrich Laube, dessen erstes Buch in seinem Verlage erschien, mit Saphhir, Herloßsohn, Charlotte Birch-Pfeiffer und Theodor Döring. Der Verblichene hat zuletzt noch schwer gelitten; seine Hoffnung, in diesem Jahre die Helgoland Heilung zu suchen, erfüllte sich nicht. Nach seinem ausdrücklichen Willen wird ab seiner irdischen Hülle die Feuerbestattung vollzogen werden. Da die Reformirte Kirche die Wahl der Bestattung frei stellt, so ist es auch dem Pfarrer gestattet, in einem Falle, wie dem vorliegenden, am Sarge des Verblichenen des Amtes zu walten. Mit Gebet und Segen an die Leidtragenden schloß der Redner seine ergreifende Ansprache.

Nach dem Gesange des Liedes ‚Wie sie so sanft ruh’n legte Herr Binder im Namen des Geschäftspersonals einen Kranz am Sarge nieder, dem Heimgegangenen herzliche Dankesworte nachrufend. – Im Namen der Loge ‚Phönix’ rief deren Meister vom Stuhl, Herr Schuldirektor Arnold, dem geschiedenen Bruder, der Mitbegründer und Alt-Ehrenmeister der Loge Phönix war, einen innigen Abschiedsgruß in den ewigen Osten nach, den die anwesenden Mitglieder, indem sie eine Kette um den Sarg bildeten, laut bekräftigten. Nach abermaligem Gesang fand die Feier ihren Abschluß, worauf die Leiche in feierlichem Conduct nach der Thüringer Bahn zur Ueberführung nach Gotha geleitet wurde.“

Ein Jubiläum mit Erinnerungen

Es war damals, 1928, ein besonderes Ereignis, als am 1. Oktober die Verlagsbuchhandlung Philipp Reclam jr. in Leipzig auf das hundertste Jahr ihres Bestehens zurückblicken konnte. Das Unternehmen ist weltbekannt durch seine kleinen, orangegelben Hefte der Universal-Bibliothek und damit auch maßgeblich beteiligt am Werden und Wachsen Leipzigs als europäischer Hauptort des Buchhandels und des graphischen Gewerbes.
So kann denn eine Ehrung seitens des Leipziger Stadtrates nicht ausbleiben.

Und der Rat der Stadt Leipzig beschließt aus Anlass des 100-jährigen Bestehens der Verlagsbuchhandlung Philipp Reclam in Leipzig die Rathausstraße in Leipzig-Reudnitz in Reclamstraße umzubenennen. Die neue Bezeichnung tritt am 1. Januar 1929 in Kraft. Die Sozialdemokraten nehmen das übel, zumal ihr Ansinnen, den Augustusplatz in Karl-Marx-Platz umzubenennen, gerade abgelehnt worden ist. Ihre Presse, die LVZ, stellt gegenüber: „Allerdings hat Reclam einen verdienstvollen und erfolgreichen Handel eröffnet, und Karl Marx ‚nur’ die Gesellschaftswissenschaft und ihre Forschungsprinzipien auf eine höhere Stufe gehoben. Dafür hat der Rat kein Verständnis. …

Einem so verdienstvollen Sozialisten heute die Ehrung zuteilwerden zu lassen, die man einem königlichen Landesverräter vor 88 Jahren (1840) erwies, das ist natürlich von einem Rate, der auf die ‚gute alte Zeit’ stets noch mit trauerumränderten Augen zurückblickt, nicht zu erwarten.“

Der leise Vorwurf, nur einen für ihn erfolgreichen Handel eröffnet zu haben? Dagegen erfährt man in der Wiener Neuen Freien Presse v. 4. 10. 1928 unter dem Titel: „Bei Reclam in Leipzig“: „Überhaupt aber übte der Grundeinfall des Reclamschen Unternehmens seine im Einfachen erzieherische, sozial formende Kraft aus: Bildung darf nie das Vorrecht eines Einzelnen, einer Klasse oder eines Standes sein; je größer dann die Menge derer wird, die den geringen Preis erschwingt, umso Kostbareres aus dem Vorrat aller Jahrhunderte und Nationen kann ihnen geboten werden.“

Thomas Mann bekennt in seiner Festrede an jenem 1. Oktober: „Was mich heute an diesen Platz geführt und mich bestimmt hat, die ungewohnte Rolle des Festredners zu übernehmen – es ist Dankbarkeit, es sind Gefühle herzlicher Pietät für ein Werk, eine Kulturtat, die meiner Jugend behilflich war, wie sie der Jugend und Bedürftigkeit von Millionen behilflich gewesen ist.

Ich denke der fernen frischen Zeiten, als meine Büchersammlung sich fast ganz aus den gelbroten Heftchen der Universalbibliothek zusammensetzte, ich denke entscheidender Eindrücke, bildender, stärkender, begeisternder, die sie mir vermittelte. Die deutschen Romantiker Hoffmann, Eichendorff, Arnim; Tolstois moralische Riesenkraft; die formvolle Melancholie Turgenjews; die skandinavischen Familienromane, mit deren Lektüre ich mich auf das eigene Jugendwerk vorbereitete; die raffinierte Exaktheit der Concourts, deren Scheinleichtigkeit dazu verlocken mochte, es ebenfalls mit einem Roman zu versuchen: diese alles und anderes wirkte auf den jugendlichen Sinn zuerst in dieser Gestalt.“

Und ähnlich äußert sich der Philosoph Theodor Lessing im 14. Abschnitt seiner im Verlag Heinrich Mercy in Prag 1935 erschienenen Lebenserinnerungen „Einmal und nie wieder“: „In dem luftigen Raum mit blauer Tapete stand ein zierlich Mahagonischränkchen. Hinter seinen Glasscheiben warteten auf mich die ewigen Dichter. Mehrere hundert Reclam-Bändchen, die ich groschenweise zusammengekauft und vom alten Buchbinder Hopmann am Holzmarkt, je zehn Hefte für dreißig Pfennig hatte zusammenbinden lassen. Ich besitze sie noch heute und möchte alles, was ich sonst besitze, lieber missen, als die zerlesenen Reclam-Bändchen meiner Kindheit, die zum Grundstock meiner Bildung geworden sind.“

Die Nachfolge

Nachfolger des Firmengründers wird sein Sohn Hans Heinrich Reclam (*18.05.1840 Leipzig; †30.03.1920 Leipzig). Am 21. März 1876 schenkt dessen Frau Hedwig Ottilie geb. Sachse ihrem ersten Sohn Philipp Ernst (†06.03.1953 Heilbrunn) das Leben. Hans Emil, ein zweiter Sohn, wird am 31.03.1881 (†14.04.1943 Leipzig) in Leipzig geboren.

Philipp Ernst besucht von 1886 bis 1896 das König-Albert-Gymnasium, (gegenüber dem ZOO-Eingang gelegen, durch Bomben am 4. Dezember 1943 total zerstört), in Leipzig. Nach einer Lehrzeit in Stuttgart studiert Philipp Ernst Reclam in Leipzig und München. Im Jahr seiner Promotion 1904 tritt er auch in den Verlag seines Vaters ein. Um diese Zeit wohnt er in der Carl-Tauchnitz-Straße 35.

Entsprechend seines Interesses für das schön gestaltete Buch tritt er um die Jahreswende 1905/1906 der Weimarer Gesellschaft der Bibliophilen bei und 1906 bis zu ihrer formlosen Auflösung (wegen verweigerter NS-Gleichschaltung) im April 1933 dem „Leipziger Bibliophilen Abend“, der ersten Ortsvereinigung dieser Art in Deutschland. 1906 wird er Teilhaber des Verlages, 1920 übernimmt er die alleinige Leitung der Firma Philipp Reclam jun. Leipzig von 1920 bis 1952, Verlagsbuchhandlung und Buchdruckerei mit Sitz Inselstraße 22 bis 24; seinem Bruder Hans Emil obliegt der technische Betrieb des Reclam-Verlages Leipzig.

Nach der Gleichschaltung 1933 der zweite Schlag 1943 gegen die Buchstadt Leipzig

Am 4. Dezember 1943 wird Leipzig bombardiert und dabei das Graphische Viertel vernichtet. Sehr viele „Christbäume“ zur Markierung der Bombenziele landen nach Beobachtung von Zeitzeugen im Viertel.
Ein LVZ-Bericht v. 04.12.2007 bringt dazu die Einzelheiten: „1.815 Tote, 806 Schwerverletzte, 3.749 Leichtverletzte, 60 Vermißte, 175 nicht identifizierbare Leichen. 400 britische Bomber haben auf Leipzig in drei Wellen zwischen 3.58 Uhr und 4.25 Uhr insgesamt 1.382 Tonnen Bomben, darunter 90.000 Stabbrandbomben, abgeworfen. 2.000 Groß- und 800 mittlere Brände haben einen Feuersturm ausgelöst.

Der Anteil der Toten an der Bevölkerung hat 0,25 Prozent betragen. 13.500 Gebäude sind getroffen worden, davon 3.450 total (4.500 Wohnungen). Die großen Druckereien wie Oscar Brandstetter, das Bibliographische Institut, F.A. Brockhaus, Philipp Reclam, C.G. Röder, Spamer und B.G. Teubner und viele der zum sonstigen Buchgewerbe gehörenden Betriebe sind mehr oder weniger – die meisten bis zur völligen Lahmlegung – zerstört worden.“

Von 1946 bis zu seinem Rücktritt im Januar 1948 ist Phillip Ernst Reclam erster Vorsteher des Leipziger Börsenvereins.

Erst degradiert zur „Ost-Zweigstelle“, dann liquidiert

In Leipzig mehreren Einschränkungen ausgesetzt, gründet Phillip Ernst Reclam in Stuttgart die Reclam Verlag GmbH zunächst als Leipziger Filiale, dann, nach Übersiedlung mit Familie nach Stuttgart, richtet er 1950 den Verlag als neuen Stammsitz ein.

1952 übersiedelt er mit Frau Marianne geb. v. Zimmermann und den Kindern nach Bad Heilbrunn, wo er 1953 stirbt.

Die Leipziger machen weiter. So erscheint zum Beispiel in der Reihe „Reclams Universal-Bibliothek“ des Verlages Philipp Reclam jun. Leipzig als Band 278 im Jahre 1868: „LTI“ (über die Sprache des Dritten Reiches) von Victor Klemperer – für Antinazisten ein heute noch sehr lesenswertes Buch!

Der Rest des Verlages Reclam jun. Leipzig, die Firma Reclam Leipzig wird zum Jahreswechsel 2005/06 geschlossen. „Das 1947 in Stuttgart gegründete Westunternehmen wolle seine ‚Kräfte bündeln‘, wie die offizielle Sprachregelung für die Nachricht lautet, ‚die Ost-Zweigstelle werde zum bevorstehenden Jahreswechsel dicht gemacht‘,“ schreibt Gisela Hoyer in ihrem LVZ-Leitartikel am 8. Dezember 2005; und „Der Letzte macht das Licht aus“ ist ein weiterer Beitrag von ihr in derselben Ausgabe überschrieben.

In meinem Bücherschrank steht von „Reclam Leipzig“ aus dem Jahre 1996 das Taschenbuch „Ost und West/Jüdische Publizistik 1901 – 1928“, eine Fundgrube für Anti-Rassisten!

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