Sollten sich die Vorwürfe erhärten, hat Sachsen den nächsten Polizeiskandal am Hals: Insgesamt 17 Beschuldigte aus den Reihen eines Mobilen Einsatzkommandos (MEK) in Dresden waren heute Ziel von Durchsuchungen, bei denen es unter anderem um den Verdacht des Munitionsdiebstahls geht. Nun werden auch mögliche Verbindungen zur rechtsextremen Prepper-Gruppe „Nordkreuz“ geprüft. Gleichzeitig steuert der Freistaat mit Vollgas auf das zweite Osterfest in der Pandemie zu und die Corona-Fallzahlen geben Anlass zur Sorge. Die LZ fasst zusammen, was am Dienstag, den 30. März 2021, in Leipzig, Sachsen und darüber hinaus wichtig war.

7.000 Schuss Munition geklaut? Dresdner Elitepolizisten im Visier

Als Ermittler in Dresden ab Dienstagmorgen zu mehreren Räumlichkeiten des LKA und Privatadressen ausrückten, stand kein netter Kollegen-Plausch auf dem Programm. Vielmehr ging es um Beweissicherung. Gegen insgesamt 17 Verdächtige aus den Reihen des Mobilen Einsatzkommandos (MEK) in Dresden wird ermittelt. Die beim LKA angesiedelte Spezialeinheit wird oft bei gefährlichen Zugriffen im Bereich von Terrorismus und Organisierter Kriminalität angefordert.Vier Hauptbeschuldigte zwischen 32 und 49 Jahren stehen im Verdacht, im November 2018 aus Beständen der sächsischen Polizei 7.000 Schuss Munition entwendet zu haben. Mit dem abgezweigten Bestand sei dann ein durch Vorgesetzte untersagtes Schießtraining bei der Firma „Baltic Shooters“ in Güstrow „bezahlt“ worden.

Der Verdacht der Ermittlungseinheit INES gegen das Quartett lautet auf gemeinschaftlichen Diebstahl, Verstoß gegen das Waffengesetz und Bestechlichkeit. Gegen 13 ihrer Kollegen (30-54), die am Training teilgenommen haben sollen, laufen Ermittlungen wegen Beihilfe zum gemeinschaftlichen Diebstahl und Verstoß gegen das Waffengesetz.

Verbindungen zum „Nordkreuz”?

Besonders brisant: Benannter Schießplatz in Güstrow steht im direkten Zusammenhang mit der „Nordkreuz“ – Gruppierung – einem Zusammenschluss sogenannter „Prepper“, die sich auf den „Tag X“ eines angeblich bevorstehenden Staatszusammenbruchs vorbereiteten und auch hochrangige Mitglieder von Bundeswehr und Polizei in ihren Reihen zählten – etwa den ehemaligen SEK-Beamten Marko G., der sich vor einigen Jahren in einem ARD-Beitrag als harmloser Biedermann präsentierte. Mitte 2019 landete er in Untersuchungshaft, nachdem er massenhaft Munition gehortet hatte, kam aber vor Gericht mit Bewährung davon.

Die von ihm gegründete Gruppe soll auch gezielt die Tötung politischer Gegner vorbereitet und zu diesem Zweck fast 25.000 Namen aus ganz Deutschland gelistet haben.

LKA-Chef „wütend und enttäuscht“

Petric Kleine, seit 2017 Chef des LKA Sachsen. Foto: Alexander Böhm (Archiv)
Petric Kleine, seit 2017 Chef des LKA Sachsen. Foto: Alexander Böhm (Archiv)

Laut einer heutigen Pressemitteilung sei Sachsens LKA-Chef Petric Kleine „wütend und enttäuscht darüber, dass sich ein ganzes Kommando bewusst nicht nur über dienstliche Weisungen hinweggesetzt hat, sondern Einzelne unter ihnen das bestehende Vertrauensverhältnis für kriminelle Aktivitäten missbraucht haben.“ Auf einer einberufenen Pressekonferenz hieß es allerdings, Erkenntnisse zu einer „Nordkreuz“-Verbindung gäbe es bisher nicht.

Alle Verdächtigen seien von ihren Aufgaben beim MEK entbunden und an andere Stellen versetzt sowie Disziplinarverfahren eingeleitet worden. Das MEK in Dresden soll nun aufgelöst werden.

Nach dem im letzten Jahr aufgeflogenen „Fahrradgate”-Skandal kommen Sachsens Gesetzeshüter, die doch eigentlich zum Schutz aller da sein sollten, wohl so schnell nicht zur Ruhe.

Pandemie-Ostern vor der Tür und wieder mal eine neue Corona-Verordnung

Unterdessen vergeht die Zeit und der Freistaat Sachsen steuert auf das zweite Osterfest zu, das unter Pandemie-Bedingungen stattfindet. Auch wenn eine „strikte Osterruhe“ inklusive Ladenschließung schon am Gründonnerstag vom Tisch ist, gibt es noch längst keine Normalität. Im Gegenteil: In ganz Sachsen mit Ausnahme von Leipzig liegt die 7-Tage-Inzidenz (Neuinfektionen mit COVID-19 innerhalb einer Woche pro 100.000 Einwohner) wieder über der Marke 100. Die betroffenen Landkreise mussten daher die Notbremse ziehen und Lockerungen des öffentlichen Lebens wieder zurücknehmen.

Lediglich Leipzigerinnen und Leipziger dürfen sich aktuell frei bewegen, ohne einen triftigen Grund dafür vorweisen zu müssen. Dazu zählen etwa Arbeitsweg, Einkauf oder Individualsport. Ab 1.4. gilt für Sachsen eine neue Schutzverordnung.

Laut dieser sollen Kontaktbeschränkungen und Maskenpflicht Bestand haben, zugleich werden jedoch ab 6.4. inzidenzunabhängige Öffnungsschritte für Läden, Museen, Gedenkstätten und Zoos angeboten. Maßgebend soll hier sein, dass die kritische Schwelle der Krankenhaus-Kapazitäten im Freistaat nicht überschritten ist, zudem ist ein aktueller Negativ-Test im Bezug auf COVID-19 obligatorisch.

„Tübinger Modell“ in Leipzig?

Die Maßnahmen erinnern an das „Tübinger Modell“ unter dem dortigen Oberbürgermeister Boris Palmer (48, Grüne), wo bereits versucht wird, ein Stück Normalität mit Präventivmaßnahmen gegen das Virus SARS-CoV-2 zu verbinden. Der Erfolg dieses Konzeptes ist angesichts steigender Inzidenzen auch in der Neckarstadt allerdings fraglich. SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach (58) hat den Tübinger Ansatz wiederholt kritisiert. Stattdessen plädiert er für einen schärferen Lockdown.

Der in der Vergangenheit wegen provokativer Thesen vor allem zum Thema Asyl und Migration umstrittene Boris Palmer erhält für sein Modellprojekt offenbar inzwischen sogar Morddrohungen.

Während der medizinische Vorstand des Leipziger Uniklinikums die Impfempfehlung mit Astrazeneca indes erneut überprüft, sind die ersten Mallorca-Urlauber wieder am Flughafen gelandet. Nachdem die beliebte Baleareninsel nicht mehr als Risikogebiet gilt, hatten tausende Menschen die Gelegenheit trotz offizieller Verzichts-Appelle zum Kurzurlaub genutzt. Die Rückreise war jedoch nur mit negativem Schnelltest erlaubt.

Wie es nach Ostern im Freistaat Sachsen weitergeht, bleibt abzuwarten. Teilweise wird befürchtet, der kritische Kipp-Punkt der Klinik-Auslastung könnte schon bald erreicht sein.

Worüber die LZ heute berichtet hat: Eine Sportlerin berichtet, welche Persönlichkeitsmerkmale helfen, die Coronakrise mental besser zu überstehen. Unser Redakteur Ralf Julke fragt kritisch, warum städtische Unternehmen noch immer auf Verbrennungsmotoren setzen.

Zudem stellen wir corona-kompatible Trainingsmethoden im Wassersport vor. Und wir präsentieren eine Bilddokumentation zum Finale des Sanierungsgebiets Plagwitz.

Was heute sonst noch wichtig war: Tarek Alaows wollte im Herbst als erster Flüchtling für die Grünen Oberhausen und Dinslaken in den Deutschen Bundestag einziehen. Doch daraus wird nun nichts: Der 31-jährige Syrer hat seine Kandidatur zurückgezogen. Alaows, der in seiner Heimat unter anderem Jura studiert hatte und 2015 nach Deutschland kam, begründete die Entscheidung mit rassistischen Ressentiments gegen sich und sein Umfeld.

Vor mehr als zehn Jahren hatten von Nordafrika ausgehende Aufstände auch auf Syrien übergegriffen und dort einen bis heute andauernden Bürgerkrieg von inzwischen internationaler Dimension ausgelöst.

Hunderttausende Menschen kamen bisher ums Leben, Millionen sind geflohen, die meisten in Nachbarregionen, ein kleinerer Teil nach Europa. Eine Beilegung des Konfliktes ist nicht in Sicht. Zumindest hat eine Geberkonferenz nun Hilfgelder für das kriegszerrissene Land zugesagt. Die EU möchte 560 Millionen Euro beisteuern, Deutschland sich mit 1,6 Milliarden Euro beteiligen.

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