Bei einer islamfeindlichen Kundgebung auf dem Leipziger Marktplatz samt Gegenprotest geriet die Situation am Samstag zeitweise außer Kontrolle, es kam zu Jagdszenen auf offener Straße und Prügeleien. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer setzt auch nach dem Ende des Ukraine-Kriegs weiterhin auf russisches Gas. Und: Benannter Krieg könnte, statt zu enden, auf eine weitere Eskalation zusteuern. Die LZ fasst zusammen, was am Wochenende, dem 22. und 23. Oktober 2022, in Leipzig, Sachsen und darüber hinaus wichtig war.

„Islam-Aufklärung“ als Lebensthema

Wer seine Aktivitäten via Internet verfolgt, der weiß, dass es bei seinen Veranstaltungen meistens hoch hergeht: Michael Stürzenberger, Aktivist aus Unterfranken und früherer Pegida-Redner, hat die „Aufklärung“ über den „Politischen Islam“ offenbar zu seinem Lebensthema erkoren. Seit Jahren tourt der 58-Jährige mit der rechtspopulistischen „Bürgerbewegung Pax Europa“ durch die Republik, gibt sich hier gern als „Brückenbauer“ in die Gesellschaft, warnt vor einer angeblichen Gefahr durch Muslime und Zuwanderung.

Am Samstag ab 13 Uhr machte sein überschaubarer Trupp nun Station in Leipzig.

Der Versammlung, laut Polizei (hier die Pressemitteilung) im „niedrigen dreistelligen Bereich“, stand auf dem Markt nach einiger Anlaufzeit dann ein deutlich größerer Gegenprotest des Aktionsnetzwerks „Leipzig nimmt Platz“ gegenüber.

Jagdszenen und Prügel in der City

Die Redner auf der Versammlung „Aufklärung über den Politischen Islam“ wurden laut Polizei zunächst durch Zwischenrufe und Trillerpfeifen gestört. Als in der aufgeheizten Stimmung mehrere Eierwürfe in Richtung der Stürzenberger-Kundgebung flogen, ohne jemanden zu treffen, folgten regelrechte Jagdszenen zwischen Teilnehmern beider Lager, die in einer Schlägerei auf der Grimmaischen Straße mündeten. Polizeibeamte hatten Mühe, beide Seiten zu trennen.

Nur kurz darauf kam es gegen Ende der Versammlung beim Absingen der Nationalhymne zum (versuchten) Niederreißen von Fahnen und weiteren Rangeleien am Versammlungsort. Auch Stürzenberger selbst geriet mit Einsatzkräften der Polizei aneinander, als diese aufgrund der Unfriedlichkeit seiner eigenen Ordner und der Gesamtsituation versuchte, die Versammlung zu beenden.

Unter anderem auf der Grimmaischen Straße hatte ein Ordner von Stürzenberger einen Gegenprotestler zu Boden geschlagen, weitere Rangeleien folgten.

Mehr als ein Dutzend Anzeigen

Das Ende vom Lied: Mehr als ein Dutzend gefertigter Strafanzeigen wegen Körperverletzung, Beleidigung, Sachbeschädigung, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz und wegen des Verdachts der Volksverhetzung.

Eine Dokumentation mit Bildern und Videos haben unsere Kollegen geliefert, einschließlich einer ausführlichen Einordnung des mehrfach vorbestraften Michael Stürzenberger, der übrigens vom Verfassungsschutz in Bayern beobachtet wird – und mit seinem populistisch-holzschnittartigen Weltbild wohl kaum zur Lösung von Problemen beiträgt.

Ein weiterer Aufzug in der City unter dem Motto „Für Frieden und eine freie Impfentscheidung für alle“ verlief nach Polizeiangaben weitestgehend friedlich. Auch diesen hat die LZ begleitet, hier das Video dazu. Es kam dabei ebenfalls zu Rangeleien, an denen sich die Friedensdemonstranten aktiv beteiligten.

Gas aus Russland, Sanktionskritik und Verhandlungen: Kretschmer gibt seinen Kurs nicht auf

Nicht zu vergleichen ist Stürzenberger mit einem anderen Michael, der jedoch zumindest auch unbeirrt an seinem Kurs festhält: Schon seit Monaten vertritt Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (47, CDU) einen Russland-Kurs, der deutlich von der offiziellen Parteilinie abweicht. Zuletzt verscherzte er es sich mit seinem alten Parteifreund, dem ehemaligen Ostbeauftragten der Bundesregierung Marco Wanderwitz (47).

Dabei geht es wohl eher um den Zeitpunkt seiner Forderungen im Angesicht eines noch immer nicht verhandlungswilligen russischen Präsidenten und dem weiteren Verlauf der Kriegshandlungen. Zuletzt hatte dabei die russische Armee sehr schlecht ausgesehen und mit gezielter Zerstörung von Infrastruktur auf die Rückschläge reagiert.

„Wir brauchen langfristige Verträge für Flüssiggaslieferungen aus den USA, Katar und anderen arabischen Ländern. Außerdem müssen wir endlich eigenes Erdgas in der Nordsee erschließen. Und wenn der Krieg vorbei ist, sollten wir auch wieder Gas aus Russland nutzen“, sagte Kretschmer nun gegenüber der „Bild am Sonntag.“

Für das Gas werde man Pipelines brauchen, antwortete er auf die Frage nach einer Wieder-Inbetriebnahme der beschädigten Leitung Nord Stream 1.

Zugleich drängte der sächsische Landesvater erneut auf Friedensgespräche mit Moskau zur Beendigung des Krieges und übte Kritik an den westlichen Sanktionen. Für eine Lösung am Verhandlungstisch müsse die Ukraine auf keine Teile ihres Territoriums verzichten, Russland müsse Kriegsschäden begleichen und Kriegsverbrechen bestraft werden.

Schon im Juli hatte Kretschmer mit seiner Forderung nach einem „Einfrieren“ des Konflikts scharfe Kritik geerntet. Auch jetzt ließ der Widerspruch, teilweise aus den Reihen seiner eigenen Partei und darüber hinaus, nicht lange auf sich warten.

Eskaliert der Krieg in der Ukraine weiter?

Acht Monate nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine mehren sich jedoch eher die Sorgen vor einer Eskalation, als dass eine Chance für Gespräche im Bereich des Greifbaren scheint.

Jüngster Anlass sind unter anderem Äußerungen des russischen Verteidigungsministers Sergej Schoigu (67) gegenüber seinem französischem Amtskollegen, wonach die Ukraine den Einsatz einer „schmutzigen Bombe“ als Provokation plane – eines konventionellen Sprengsatzes also, der auch radioaktives Material verbreitet. Die Ukraine weist den lancierten Vorwurf zurück und unterstellt Moskau die gleiche Absicht.

Angesichts der letzten Misserfolge Russlands beim Halten besetzter Gebiete reagiert die wohl zunehmend nervöse Kreml-Führung um Präsident Wladimir Putin (70) inzwischen mit Drohen und Raketenschlägen speziell gegen die ukrainische Energieversorgung. Einen geplanten Einsatz taktischer Atomwaffen, wie vom Westen befürchtet, weist Russland zurück. Allerdings wurde auch ein geplanter Überfall auf die Ukraine lange offiziell dementiert – bis zum Einmarsch am 24. Februar 2022.

Schon seit Tagen fürchtet die Kiewer Führung einen russischen Angriff auf den Staudamm des Wasserkraftwerks Kachowka im Süden des Landes: Der Staudamm sei bereits vermint, um mit einer Flutwelle die ukrainische Gegenoffensive in der Stadt Cherson aufzuhalten. Es kursiert bereits die Warnung vor einer Katastrophe riesigen Ausmaßes. Russlands Besatzungsbehörden haben Zivilisten offenbar in Erwartung eines Angriffs bereits aufgefordert, Cherson zu verlassen.

Demo-Bericht, Entmietungspraktiken, Fußball und vieles mehr

Worüber die LZ am Wochenende berichtet hat:

Der Demo-Bericht vom Samstag

über Entmietung in einer Leipziger Nachbarstadt

ein Filmpreis für die Dokumentation über Jugendpfarrer Lothar König

eine verlorene Kirche in Berlin-Mitte

die Begegnung BSG Chemie gegen Hertha BSC

das Projekt Bürgerjournalismus und

den neuen Krimi eines Leipziger Autors

Außerdem sprachen wir mit der Band The Hungover im langen Interview, behandelten einen Naturschutzstreit am Störmthaler See und stellen einen Roman von Jakob Augstein vor.

Ein realer und ein vermutlicher Todesfall in der Geschäftswelt

Was sonst noch wichtig war: Der Strukturwandel auch in Mitteldeutschland soll massiv durch EU-Mittel unterstützt werden.

„Freier Sachse“ pleite

Der bekennende Coronamaßnahmen-Gegner Thomas Kaden wollte noch letztes Jahr OBM in Plauen werden – nun ist der 59-Jährige insolvent, meldet die Freie Presse. Unterstellen kann man ihm, dass er sein Busunternehmen in der Pandemie dadurch solvent hielt, indem er sich am Business-Modell Demo von Michael Ballweg beteiligte.

Er war mit seinen Angeboten einer der Haupttransporteure zu den Großdemonstranten in der Republik geworden, später gründete er zusammen mit den sächsischen Rechtsextremisten Stefan Hartung (NPD) und Martin Kohlmann (Pro Chemnitz) die “Freien Sachsen”.

Dietrich Mateschitz ist tot

Ein realer und ein mutmaßlicher Todesfall prominenter Unternehmer wurden gemeldet. Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz, der neben vielen anderen auch den Fußballverein RB Leipzig besaß, starb mit 78 Jahren, laut Medienberichten an den Folgen einer Krebserkrankung. Der eher öffentlichkeitsscheue Milliardär aus Österreich, der sein Privatleben abschirmte und nur selten Interviews gab, war in der allgemeinen Wahrnehmung umstritten.

Unter anderem lasteten ihm Kritiker eine Nähe zum Rechtspopulismus an, wie etwa durch den Sender „Servus-TV“.

McFit-Millionär und Loveparade-Macher Schaller vermisst

Vor der Küste Costa Ricas stürzte offenbar Rainer Schaller mit einem Privatjet ab. Der 1969 in Bamberg geborene Geschäftsmann wurde als Gründer der Fitnessstudio-Kette McFit bekannt – und zum Multimillionär. Eine seiner Firmen hatte auch die Loveparade in Duisburg organisiert, wo im Juli 2010 bei einer Massenpanik 21 Menschen starben und hunderte verletzt wurden. Schaller hatte sich zu einer moralischen Mitverantwortung bekannt, juristisch schuldig gesprochen wurde er nicht.

Mit Stand Sonntagabend gilt er offiziell noch als vermisst – jedoch wurden bereits Trümmerteile und zwei noch nicht identifizierte Leichen durch Suchmannschaften im Meer entdeckt. Die Überlebenschancen gelten als gering. Der 53-jährige Schaller war mit seiner Partnerin, deren zwei Kindern, einem weiteren Passagier aus Deutschland und dem Schweizer Piloten an Bord der Maschine. Die Unglücksursache ist bisher unklar.

Boris Palmer bleibt Tübinger OBM

Boris Palmer wurde als Oberbürgermeister Tübingens wiedergewählt. Die Mitgliedschaft des 50-Jährigen bei den Grünen ruht derzeit wegen Vorwürfen rassistischer Ausfälle und Tabubrüche. Palmer hat das Amt als Rathauschef seit 2007 inne. Sein politisches Schicksal hatte er ausdrücklich von einer Wiederwahl in der ersten Runde abhängig gemacht.

Willkommen in Xina: Der ewige Jinping

Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping (69) baute seine Macht weiter aus und wurde für eine dritte Amtszeit als Generalsekretär der Kommunistischen Partei bestätigt.

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