Auch die ehrwürdige Vergangenheit kannte schon ihre Eitelkeiten. Nur dass den Leipziger Professoren des 17. und 18. Jahrhunderts kein Smartphone zur Verfügung stand. Sie konnten ihre Studenten, Kollegen und Bewunderer nicht einfach mit einem Selfie überraschen. Sie mussten noch brav einen Maler beauftragen, wenn sie ihr Konterfei für die Nachwelt festhalten lassen wollten. 21 dieser Bildnisse kann man jetzt im Augusteum der Uni Leipzig wieder bewundern.

Auf der Empore im ersten Obergeschoss des Foyers im Neuen Augusteum wurde jetzt nämlich eine kleine historische Galerie von Professorenbildnissen in einem Vitrinenband installiert. Die der Öffentlichkeit bislang weitgehend unbekannte Gemäldegalerie des Barock schmückte bis 1894 die noch von den Dominikanern errichteten Bibliotheksräume auf dem Campusareal, seit 1543 Keimzelle der Universitätsbibliothek. Nach über 120 Jahren kehren die Bildnisse nun an den Augustusplatz zurück. Nicht alle. Ein paar sind auch verlustig gegangen.

Die barocke Professorengalerie der Leipziger Universitätsbibliothek, die bis ins späte 19. Jahrhundert den mittelalterlichen Bibliotheksbau auf dem Areal des ehemaligen Dominikanerklosters schmückte, zeigt Vertreter der vier damaligen Fakultäten: der Artistenfakultät (heute Philosophische Fakultät), der Theologischen Fakultät, der Juristenfakultät sowie der Medizinischen Fakultät. Die Werke der Galerie weisen ein Standardformat von etwa 60 mal 50 Zentimetern und einen einheitlichen Bildaufbau als einfaches Brustbildnis ohne Hände, in Gelehrtentracht vor dunklem Hintergrund auf. Und sie sind vielfach mit einer schriftlichen Identifizierung des Porträtierten versehen, die teils aus der Entstehungszeit, teils aber auch aus späteren Jahrhunderten stammt.

Die Professorengalerie im Neuen Augusteum. Foto: Swen Reichhold/Universität Leipzig
Die Professorengalerie im Neuen Augusteum. Foto: Swen Reichhold/Universität Leipzig

 

Aktuell nachweisbar sind derzeit 88 Werke des besagten Typs, von denen 69 in Leipzig und wohl ein weiteres in Wolfenbüttel erhalten sind, 18 dieser Bildnisse gelten als Kriegsverluste. Die Bilder weisen erhebliche Qualitätsunterschiede auf, da jeder Professor sich vom Künstler seiner Wahl malen ließ. Viele der dargestellten Professoren sind auch mit einem Epitaph im Paulinum vertreten.

Bedeutsam für die Ausweitung der Galerie war insbesondere eine Initiative des Bibliotheksdirektors Joachim Feller, der die Mitglieder des Lehrkörpers der Universität 1676 dazu aufrief, der Bibliothek ihr Bildnis zu stiften. „An diesem zentralen Ort fungierte die Professorengalerie als Kristallisationspunkt universitärer Selbstdarstellung. Die Hängung in der Bibliothek stellte eine für alle Besucher und Benutzer offenkundige Verdichtung universitären Selbstverständnisses dar. Die Gemälde erwiesen sich zugleich als Teil einer facettenreichen, umfassenden Erinnerungskultur“, erklärt Nadja Horsch.

Gezeigt werden von den überlieferten Porträts nun 21 ausgewählte Bildnisse, wie früher nach Fakultäten geordnet. Der heute von der Kustodie der Universität Leipzig betreute Bestand zeigt Professoren des 17. und 18. Jahrhunderts, die an der Alma mater lehrten, forschten – und sich auf eigene Kosten vom Maler ihrer Wahl malen ließen. Um für die kostbaren Kunstwerke das passende Raumklima mit möglichst konstanter relativer Luftfeuchte um 55 Prozent zu schaffen, werden die sehr weitgehend abgedichteten Vitrinen kontinuierlich klimatisiert.

„Bei den Leipziger Bibliotheksporträts handelt es sich nicht um einen institutionellen Auftrag, wie er für andere Universitäten belegt ist, sondern um private Schenkungen der Porträtierten. Entstehungsgeschichte und Umfang der Professorengalerie sind historisch schwer zu greifen. Die Wurzeln liegen nach bisherigem Stand der Kenntnis im ersten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts“, erklärt dazu Kustos Hiller von Gaertringen. Die bislang jüngsten Werke der Serie sind aus den 1780er Jahren, darunter beispielsweise das Bildnis des Theologen Johann Gottfried Koerner von Ernst Gottlob. Anfangs wurde auf Holztafeln, dann zusehends auf Leinwand und im 18. Jahrhundert oft auch auf Kupferplatten gemalt.

Die Idee zu dem Projekt entstand im Wintersemester 2010/2011 bei einem Projektseminar für Studierende des Masterstudiengangs Kunstgeschichte, das vom Kustos Prof. Dr. Rudolf Hiller von Gaertringen und der Professorin am Institut für Kunstgeschichte, Prof. Dr. Nadja Horsch geleitet wurde. Für das Seminar wurden ausgewählte Gemälde, die viele Jahre verpackt in der Universitätsbibliothek gelagert hatten, ans Licht gebracht und konservatorisch in der Kustodie betreut. Aufgabe der Seminarteilnehmer war zunächst die materielle Erfassung der Bilder nach musealen Standards, inklusive der Maltechnik.

Das Bildnis des Theologen Johann Adam Schertzer wurde dafür sogar in der Klinik und Poliklinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie der Universität Leipzig geröngt, was interessante Einblicke in die Malweise und den Entstehungsprozess ermöglichte.

In einem zweiten Arbeitsschritt wurden die Biografien der Dargestellten erforscht und die Zuschreibungen überprüft. Die jeweiligen Erkenntnisse flossen in die Inventareinträge der Kustodie ein. Außerdem trugen die Studierenden Informationen zur Entstehungsgeschichte und zur historischen Hängung zusammen. Ein Extrakt der Ergebnisse wurde von den Studierenden im Juni 2011 auf einer Tagung in Marburg vorgestellt.

Die Professorengalerie ist seit Anfang dieser Woche im Neuen Augusteum (Augustusplatz 10) auf der Foyerempore für alle Interessierten frei zugänglich. Die Exponatbeschriftung ist derzeit noch in Arbeit.

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