Am Samstag, 14. Januar, von 11 bis 20 Uhr ist wieder Winterrundgang der Spinnereigalerien. An diesem Tag eröffnen zahlreiche Galerien in der Spinnerei neue Ausstellungen. Auch die Josef Filipp Galerie lockt mit den Fotografien von Thomas Steinert und Jill Luise Muessig, die sich auf stille Weise ergänzen. Arkadien kann überall sein, wenn man es nur zu sehen gewillt ist.

Thomas Steinert kennen L-IZ-Leser schon als aufmerksamen Connewitz-Fotografen, dessen Bilder aus schwarz-weißer Zeit im Bildband „Connewitzer Welttheater“ (Lehmstedt Verlag 2006) zu besichtigen waren. Der Band besticht natürlich durch den aufmerksamen, poetischen Blick Steinerts auf „sein“ Connewitz, wie es war kurz vor der „Wende“ – vom Abriss bedroht, bewohnt von einem Völkchen der Widerständigen, das hier Freiräume und Zuflucht fand.

Und mit demselben Blick reist der Fotograf natürlich auch durch die Welt. Wer gelernt hat, das Poetische zu sehen, findet es zum Beispiel auch noch in Venedig.

Die zeitlos wirkenden Aufnahmen unter dem Titel „Et in Arcadia ego“ von Thomas Steinert sind von 1990 bis 1999 entstanden. Steinert reiste auf den Spuren von Nietzsche und Wagner in die Schweiz und nach Italien und dokumentierte die Plätze und die Sehnsuchtsorte, die der Philosoph und der Maestro etwa 170 Jahre zuvor, zum Teil gemeinsam, bereisten.

Die Fotografien könnten bei einer flüchtigen Betrachtung wie Kalenderbilder wirken. Auf den zweiten Blick bestechen Steinerts Fotografien durch den bei der Aufnahme gewählten präzisen Bildausschnitt und ihre klare Komposition. Es entstehen mit einer Selbstverständlichkeit Bilder, die nur so sein können, wie sie sind.

Diese Bilder sind weit mehr als Landschaftsaufnahmen, wirbt der Galerist. Subtil, fast beiläufig, entwickeln sich bei Thomas Steinert eigene Bildwelten, die die Realität nicht mehr berühren. Unter dem Titel „Et in Arcadia ego“ ist  eine Auswahl von Sehnsuchtsbildern aus Steinerts Fotoreihen zu den Reisen und Denkpfaden von Nietzsche und Wagner zu sehen. Auch ohne den weiteren Hintergrund zu kennen, wird der Betrachter von den Bildern eingenommen. Sie wirken erhaben und kommen einem erträumten Idyll, einem Schwelgen in den elysischen Gefilden schon recht nahe.

Stillleben von Jill Luise Muessig

Ergänzt wird die Bilderschau des Arkadienreisenden Thomas Steinert durch „Stillleben“ von Jill Luise Muessig. Der Schwerpunkt in all ihren Arbeiten ist das Thema des Sammelns, Bewahrens, Ausstellens und entsprechenden Präsentationsformen.

Zu der Serie „Stillleben“ wurde die Künstlerin durch die Stillleben der flämischen und niederländischen Malerei der Renaissance und des Barock inspiriert.

Stillleben von Jill Luise Muessig. Copyright: Josef Filipp Galerie
Stillleben von Jill Luise Muessig. Copyright: Josef Filipp Galerie

„Meine auf den ersten Blick traditionell wirkenden Bilder offenbaren die mehrfachen medialen Brechungen und Reflexionen erst bei näherer Betrachtung. Drei gleichwertig bedeutsame Bildebenen werden zu einer bildnerischen Gesamtkomposition gefügt. Diese besteht aus einem fotografierten Stillleben-Motiv, dem fotografisch reproduzierten Rahmen und dem umlaufenden weißen Bildrand“, erzählt die Fotografin über ihr Anliegen. „Der Ausgangspunkt für die neue Arbeit ist meine Sammelleidenschaft von alten und schönen Dingen. Dabei reizen mich Alltagsgegenstände, an denen Benutzungsspuren sichtbar sind, dazu gehören auch Bilderrahmen, unter anderem mit Abplatzungen und anderen Verletzungen. Für mich werden sie durch diese ‚Schäden‘ wertvoller, vielleicht weil sie wegen ihrer ‚Makel‘ Gefahr laufen, weggeworfen zu werden.“

Die von ihr inszenierten Stillleben erinnern an barocke Prunkstillleben, ohne sie nach einem Vorbild nachzustellen.

„Ich verwende überwiegend historische Gebrauchsgegenstände für meine Arrangements. Nicht nur das Medium der digitalen Farbfotografie macht sofort sichtbar, dass es sich um ein zeitgenössisches Kunstwerk handelt, sondern auch die Objekte auf dem Bild ermöglichen bei genauer Betrachtung eine zeitliche Einordnung. So sind zum Beispiel in den Ohren des Widderkopfes die Erkennungsmarken aus Kunststoff sichtbar“, beschreib Jill Luise Muessig ihre Arbeit. „Die zweite Bildebene ist der Bildrahmen, den ich für die fotografierten Bilder suche. Der Bilderrahmen bestimmt maßgeblich die Wirkung eines Bildes. Das wurde mir bei Bildbetrachtungen im Ausstellungskontext bewusst. Dabei sind für mich die Größe des Rahmens, die Stärke der Leiste, das Profil und die Farbe von Bedeutung. Erst wenn der richtige Rahmen für das jeweilige Bild gefunden ist, lege ich den endgültigen Bildausschnitt fest. Das fotografierte Stillleben wird in den fotografierten Bilderrahmen am Computer eingesetzt. Die Größe des endgültigen Bildes ergibt sich zwingend aus dem verwendeten Rahmen, die immer im Verhältnis 1:1 abgebildet werden. Das dritte Element ist der weiße Rand um den fotografierten Bilderrahmen. Er erzeugt eine gesteigerte Präsenz des farbigen Bildmotivs und der Eindruck einer bloßen Reproduktion bzw. einer nicht beabsichtigten Augentäuschung wird vermieden.“

Auch das ein Weg, wieder das Hinschauen zu lernen. Kunst als Komposition, als Inszenierung eines bildhaften Zustandes. Auch eine Art Arkadien.

Zu sehen ist die Doppelausstellung Thomas Steinert „Et in Arcadia ego“ / Jill Luise Muessig „Stillleben“ in der Josef Filipp Galerie vom 14. Januar bis zum 25. Februar.

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