Seit Dezember zeigt das Stadtgeschichtliche Museum in seinen Ausstellungsräumen im Böttchergässchen die große Foto-Ausstellung „Silber auf Glas“ mit Arbeiten aus dem berühmten Leipziger Fotoatelier Hermann Walter. Sie zeigt die zweite Phase des Ateliers – die Entstehung des modernen Leipzigs in den Jahren 1913 bis 1935. Seit Dienstag wird die Ausstellung nun durch eine besondere Kabinettausstellung ergänzt: „Neues aus Beton und Stahl“.

Kern dieser Ausstellung ist ein besonderes Sammlungs-Konvolut, über das das Stadtgeschichtliche Museum seit drei Jahren verfügt.

Der Enkel Max Gotthilf Richters übergab im November 2017 dem Stadtgeschichtlichen Museum das Firmenportfolio der Baufirma seines Großvaters. Die Aufnahmen daraus werden jetzt erstmalig in der Studioausstellung gezeigt. Sie wurden durch das Fotoatelier Hermann Walter im Auftrag der Leipziger Stahlbetonfirma Max Gotthilf Richter für Werbezwecke in den Jahren 1912 bis 1934 angefertigt und halten damit den baulichen Wandel Leipzigs und Sachsens hin zum Industriestandort der Moderne im Bild fest.

Mit den Aufnahmen von Rohbauten, Arbeitern oder auch Innenaufnahmen von Produktionshallen zeigen sie eindrucksvoll, wie Großbauprojekte vor rund 100 Jahren realisiert wurden.

Der Bauboom der 1920er Jahre in Sachsen war für die Leipziger Betonbaufirma Max Gotthilf Richter mit zahlreichen Aufträgen verbunden. Einige der Bauvorhaben dieser Zeit sind durch das Fotoatelier Hermann Walter umfangreich dokumentiert. Das Neue Bauen fand hier in zahlreichen Industrieneubauten Ausdruck. Anspruch der Neubauten jener Zeit war nicht nur die architektonische Raffinesse, die durch die neuen statischen Möglichkeiten des Stahlbetons gegeben war. Durch Luft und Licht sollte den Industriearbeitern eine verträglichere Arbeitsumgebung geschaffen werden.

Leipzig-Lützschena, Konstruktion der Kupferkuppel des Sudhauses der Brauerei Sternburg, 11. August 1927. Foto: Atelier Hermann Walter © Stadtge- schichtliches Museum Leipzig
Leipzig-Lützschena, Konstruktion der Kupferkuppel des Sudhauses der Brauerei Sternburg, 11. August 1927. Foto: Atelier Hermann Walter © Stadtgeschichtliches Museum Leipzig

Der Neubau des Uhr- und Fahrstuhlturms der Schubert & Salzer Maschinenfabrik in Chemnitz, für den sich der namhafte Architekt Heinrich Basarke verantwortlich zeigte, kann zweifelsohne bis heute als markantestes Wahrzeichen der Industriearchitektur in Sachsen betrachtet werden. Baulich realisiert wurde er 1927 vom Leipziger Baumeister Max Gotthilf Richter, dessen Unternehmen aus Leipzig-Kleinzschocher Bauten in ganz Sachsen ausführte.

Für die Leipziger viel präsenter dürften freilich auch Leipziger Bauten wie das Sudhaus der Sternburg-Brauerei in Lützschena sein.

Auch den Bau des neuen Grassimuseums am Johannisplatz dokumentiert eine neu erschlossene Sammlung im Stadtarchiv Leipzig. Als Entdeckung gelten auch Aufnahmen aus einer längeren Zusammenarbeit der Kammgarnspinnerei Stöhr & Co. AG mit dem Atelier Walter. Sie zeigen sowohl Betriebsanlagen als auch den Bau eines imposanten Kesselhauses. Auch bislang unbekannte Aufnahmen im Amt für Bauordnung und Denkmalpflege der Stadt Leipzig zum Bau der Großmarkthalle sind eine wertvolle Bereicherung.

Leipzig, Fleischerplatz 2-5, Geschäftshaus August Pick & Co., 1915. Foto: Atelier Hermann Walter © Stadtge- schichtliches Museum Leipzig
Leipzig, Fleischerplatz 2–5, Geschäftshaus August Pick & Co., 1915. Foto: Atelier Hermann Walter © Stadtgeschichtliches Museum Leipzig

Mit der Erstveröffentlichung dieser Neuentdeckungen wird das parallel bei Pro Leipzig erschienene Buch „Neues aus Beton und Stahl“ auch zur Hommage an die sächsische Ingenieurskunst jener Zeit. Sie verbindet technische Spitzenleistungen mit einer neuen Formensprache.

Das Buch ist zum Preis von 24,00 Euro im Stadtgeschichtlichen Museum und Pro Leipzig e. V. www.proleipzig.eu erhältlich.

Die Studioausstellung ist ein Beitrag des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig im Jahr der Industriekultur Sachsen 2020.

Die Ausstellung „Neues aus Beton und Stahl“ mit Industriefotografien der 1920er Jahre in Sachsen ist im Studio des Stadtgeschichtlichen Museum vom 5. Februar bis zum 17. Mai zu sehen.

Neues aus Beton und Stahl: Ein zweiter Band erzählt von der Arbeit des Ateliers Hermann Walter zwischen 1913 und 1935

Neues aus Beton und Stahl: Ein zweiter Band erzählt von der Arbeit des Ateliers Hermann Walter zwischen 1913 und 1935

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