Stück für Stück kehrt das gewohnte Leben zurück, wenn auch noch auf längere Zeit unter Auflagen, denn das Coronavirus ist nach wie vor unterwegs. Also gelten nicht nur in Gaststätten und Kabaretts die wichtigen Hygiene-Regeln. Sie gelten auch in Galerien. Doch wenigstens dürfen sie wieder öffnen, auch die kleineren wie der Kunstraum D21 in der Demmeringstraße 21, wo am Freitag, 29. Mai, eine höchst aktuelle Ausstellung eröffnet.

Denn nicht nur wir Alltagsmenschen haben uns im Corona-Lockdown einmal wieder mit etwas konfrontiert gefühlt, was wir sonst im Arbeits- und Leistungsstress so gern vergessen: Dass wir nämlich keine Maschinen sind und auch nicht in einer künstlichen Blase leben, die uns von all den Unberechenbarkeiten der Natur fernhält. Das versuchen wir wohl und die tägliche Werbung suggeriert uns das auch genauso wie allerlei Pharmaprodukte und Technik-Spielereien.

Da muss dann wohl wirklich erst ein Virus aus einer chinesischen Fledermauspopulation überspringen, um uns klarzumachen, dass wir nach wie vor Lebewesen sind, die von winzigsten Organismen besiedelt sind, die von Krankheitserregern befallen werden und die am Ende doch wieder nur Teil eines großen Kreislaufs des Lebens sind. Lebewesen unter Lebewesen.

Manchem war diese Besinnung auf die eigene Verletzlichkeit und Körperlichkeit schon wieder zu viel. Ihnen kommt ja das große Versprechen von Künstlicher Intelligenz und Computerisierung des Körpers nur zu entgegen. Und viele, viele andere haben in diesen Wochen gemerkt, wie sehr ihnen die körperliche Berührung mit anderen Menschen fehlt.

Denn sie ist ja nicht nur Liebes- und Freundschaftsbeweis, sie ist auch ein viel zu oft vergessener Teil unserer Kommunikation. „Social distancing“ kann zwar helfen, die Infektionen drastisch zu senken – doch für viele Menschen hat es eben auch Gefühle der Einsamkeit und der Ohnmacht zur Folge.

Aber es braucht wohl den Blick der Künstler dafür, dass die Entkörperlichung nur ein alter, glitzernder Traum ist. Unser Körper bleibt das Maß aller Dinge. Und nirgendwo wird Kunst prägnanter, als wenn sie sich mit dem Menschen und seiner so misstrauten Körperlichkeit beschäftigt.

Und darum geht es – auf vielfältige Weise – in der Ausstellung „Corpo_reality. cor|po|real {adj} [kɔːɹˈpɔːɹiəl] lat. corporeum. bodily, fleshly, mortal, material“, die ab Freitag, 29. Mai im Kunstraum D 21 in der Demmeringstraße zu sehen ist. Eine Eröffnungsparty gibt es logischerweise nicht. Es muss also niemand gleich am ersten Tag hinlaufen und sich ins Gedränge wühlen.

„Wir öffnen, unter Berücksichtigung unseres Hygiene-Plans, zu den üblichen Zeiten (Fr-So | 15 bis 19 Uhr)“, betont das Kunstraum-Team.

Und es schildert dann die Ambitionen, die man mit dieser Gemeinschaftsausstellung verfolgt: „Körper sind Medien, über die Kommunikation stattfindet. Nonverbal-sensueller Kontakt spielt sich zwischen ihnen ab, von Haut zu Haut und über visuelle Codes, die sie tragen und mittels derer sie gelesen und kategorisiert werden. Sie sind Träger von individuellen Erfahrungswelten, subjektivem Ausdrucksbegehren und kollektiven Zuschreibungen.

Um im Feld des Sichtbaren aufzutauchen, eignen sich Körper determinierte Bilder an. Körper normieren, reglementieren und idealisieren sich selbst. Sie nehmen die Gestalt aus bestehenden Bildrepertoires an, von dem sie sich repräsentiert fühlen und können in jener Gestalt erfasst werden. Dieser Akt unterliegt nicht der freien Gestaltung individueller Körper, sondern den normativen Angeboten vorgegebener Körperbilder der umgebenden Gesellschaft. Welche Körper bleiben unmarkiert?“

Man sieht: Auch der Körperkult kommt wieder zurück, die Normierung von menschlicher Schönheit durch Werbung und Medien, ein letztlich langweiliges, gleichförmiges Bild von menschlicher Schönheit, das bei aller Künstlichkeit meist Wärme und Herzlichkeit vermissen lässt.

Genug Stoff, für die beteiligten Künstler/-innen, deren Arbeiten jetzt im D 21 zu sehen sind: Franziska Achatzi, Elmar van Arnhem, Nadja Buttendorf, Ariane Graf, Geeske Janßen, Tina Kaden, Melissa Leander Lücking, Olave Nduwanje, Patricia Carolin Mai, Alix Marie, Isabel Monroy Moreno, Ilse Riediger, Julischka Stengele.

Zu sehen ist die Ausstellung bis zum Finissage-Wochenende mit Workshops und Gesprächen vom 3. bis 5. Juli.

Die Workshops:
Lust am (eigenen) Schwabbel mit Julischka Stengele
Embody yourself. Express yourself mit Isabel Monroy Moreno und Franziska Achatzi
Never not striking nails mit Nadja Buttendorf
Gespräche mit Ariane Graf und Ilse Riediger

Falls die Workshops nicht vor Ort stattfinden können, soll es jeweils eine Online-Version geben.

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