LEIPZIGER ZEITUNG/Auszug Ausgabe 84, seit 23. Oktober im HandelAm 15. Oktober öffnete in Düsseldorf eine Ausstellung ihre Pforten, die ab März bis Juni 2021 auch in Leipzig zu sehen sein wird. Kein geringerer Maler als Caspar David Friedrich steht im Mittelpunkt der über einhundert Kunstwerke, die aus internationalen Sammlungen ihren Weg in die Ruhrgebiets-City, genauer gesagt in den Kunstpalast, gefunden haben.

Es handelt sich um Leihgaben aus der Alten Nationalgalerie in Berlin, der Hamburger Kunsthalle, dem Folkwang Museum Essen, dem Musée du Louvre in Paris, der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe, dem Städel Museum in Frankfurt am Main, dem Thyssen-Bornemisza Museum in Madrid und anderen renommierten öffentlichen und privaten Sammlungen, die einen Schwerpunkt bilden: Malerei aus dem zersplitterten Deutschland des frühen 19. Jahrhunderts. In „Caspar David Friedrich und die Düsseldorfer Romantiker“ wird die Ansammlung der besten und schönsten Werke einer Ära gezeigt, die Kunsthistoriker als „Romantik“ bezeichnen.

Wenden wir uns vom verkitschten Begriff des Romantischen ab, finden wir uns in einer religiösen und mystisch erscheinenden Welt wieder, die Glaube und Natur verklärt anstatt erklärt. Die Entwicklung der malerischen Positionen östlich des Rheins ist insofern interessant, weil verschiedene Faktoren in diese Phase einwirken; die Französische Revolution, die Aufklärung des späten 18. Jahrhunderts und die Napoleonischen Eroberungskriege in Europa und Nordafrika.

Das Titelblatt der LEIPZIGER ZEITUNG Nr. 83, Ausgabe September 2020. Foto: Screen LZ
Das Titelblatt der LEIPZIGER ZEITUNG Nr. 83, Ausgabe September 2020. Foto: Screen LZ

Die Ideen der Französischen Revolution, die aufklärerischen und rationalen Ideen aus Frankreich schlugen sich auch in der Malerei nieder. Im zersplitterten Territorium des zerfallenen Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation standen auch Künstler diesen revolutionären Ideen skeptisch gegenüber. Vertreter wie Caspar David Friedrich und Carl Gustav Carus suchten im Aufspüren der zerfallenen „deutschen“ Geschichte ihre Sujets, andere wiederum in Alltagsszenen und in religiösen Themen.

Die Ausstellung will den Romantikbegriff nicht neu definieren, sondern fokussiert sich auf ein wissenschaftliches Detail. Auf den ersten Blick erst einmal unwichtig erscheinend, wird in acht Kapiteln, von Atelierszenen bis hin zu den vielfältigen Landschaftsthemen, erzählt, wie die Dresdner Romantik durch die Düsseldorfer Malerei abgelöst wurde und welche gesellschaftlichen Ursachen diesem Geschmackswandel zugrunde lagen. Doch wie soll das gelingen?

Sehen wir in den ausgestellten Bildern doch allbekannte Sujets; die heimatliche Landschaft, Seestücke und vom Mond beschienene Nachtszenen. Das bereits im 16. Jahrhundert praktizierte und im 17. Jahrhundert besser dokumentierte Freilichtstudium in der Natur wird als Arbeitsweise fortgeführt und zum ersten Mal als eigenständige Kunstform eingeführt – ein Novum, das uns direkt in die industrielle Moderne, sprich: Impressionismus, katapultiert.

„Anhand von Themen wie der Vergänglichkeit als zentrales Sujet der Romantik, veranschaulicht die Ausstellung die Weiterentwicklung von der stillen Andacht Friedrichs bis zur gesellschaftskritischen Genremalerei der Düsseldorfer“, heißt es aus dem Kunstpalast. Wenngleich das Thema Vergänglichkeit bereits in den Tempelmalereien in Mesopotamien und Ägypten versinnbildlicht wurde und den Zeitgenossen im Mittelalter und Frühmoderne durchaus bewusst war, dass alles vergänglich ist: memento mori.

Einkehr und Andacht finden wir in nahezu jedem Gemälde vor, das sich nicht mit Krieg und martialischen Szenen beschäftigt, das seit Beginn des 15. Jahrhunderts in den Kabinetten der Adeligen und Klerikern als herausragende Kuriositäten ausgestellt wurden. Etwas Wichtiges klingt in der Ausstellung heraus; Maler wie C.D. Friedrich und Carus erfanden Malerei neu. Sie stellten Kontraste neu dar, schwächten ab und schufen Sehen mit Unbehagen.

Wer das Licht und die Farben der Malerei aus protzigen bayrischen Kirchen des 17. und 18. Jahrhunderts kennt, wird sich über die Niedergeschlagenheit und den Trübsinn wundern wenn wir uns dem Werk der deutschen Maler zu Beginn des 19. Jahrhunderts nähern. Ernüchternd, müsste man angesichts der Blicke in die Weite sagen. Einer Weite, die in unser Inneres führen soll. Ein Inneres, das die damaligen Menschen wohl mit einem tiefen Glauben an Gott beantwortet hätten.

C.D. Friedrich zufolge sollte die Naturanschauung ein Ergründen des inneren Selbst ermöglichen; Landschaftsgemälde bildeten die Natur nicht nur 1:1 ab, sondern weckten Empfindungen. Wir kennen die Kreidefelsen, die Mondnacht mit den bemäntelten Figuren, dem Betrachter am Meer. Nun erkennen wir die Natur und den Mensch als Symbole und Allegorien auf verloren Geglaubtes.

Maler in Düsseldorf und Sachsen bezogen sich seit der Zeit um 1830 auf Friedrichs Malerei. Die Düsseldorfer entwickelten hingegen mehr Dramatik und Pathos in ihren übergroßen Gemälden. Ihre Malerei gewann an Einfluss, vor allem auf die Kunstentwicklung an der Elbe. Führende Düsseldorfer Maler berief man als Professoren an die Dresdener Akademie.

Carl Gustav Carus, Ferdinand Oehme, Oswald Achenbach und Wilhelm Schirmer: sie alle hatten sicher nichts romantisches im herkömmlichen Sinn in ihren Köpfen als sie ihre Bilder anfertigten, sondern besaßen einen tiefgläubigen Anspruch an sich selbst und die Betrachter jener Werke, denen im kommenden Dreivierteljahr in Kooperation des Kunstpalastes Düsseldorf mit dem Museum der bildenden Künste Leipzig in Form von dreißig Gemälden und zwanzig Zeichnungen im Kunstpalast Düsseldorf bis Februar 2021, danach bis Juni 2021 in Leipzig gezeigt werden.

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