Er wird bis heute gern gelesen und nicht nur in Bad Segeberg jeden Sommer auf der Freilichtbühne gespielt: Karl May, der sächsische Romanautor, dessen Vision vom „Wilden Westen“ bis heute die Vorstellungen vieler Menschen prägt. Dass darin ein Stück koloniales Denken steckt, das kann man am Donnerstag, 16. Juni, im Kubus der Schaubühne Lindenfels im Clara-Zetkin-Park lernen.

Denn am 16. Juni spricht dort Kathleen Bomani (Tansania/USA) über Western, Kolonialismus und die Romantisierung von Karl May. Der Ort ist nicht zufällig gewählt, denn 2022 erinnert Leipzig an dieser Stelle ja an die Sächsisch-Thüringische Industrie- und Gewerbeausstellung 1897 (STIGA), zu der seinerzeit auch sogenannte „Völkerschauen“ gehörten.

Anlass genug für die Schaubühne, sich in diesem Jahr mit dem deutschen kolonialen Erbe und heutigen Perspektiven darauf zu beschäftigen. Ein Kubus im Park ist das Zentrum von „MAY TOWN IN ZETKIN PARK“. Unter freiem Himmel und in entspannter Atmosphäre zeigt die Schaubühne am Donnerstag, 16, Juni, die bekannten Filme von Karl May mit einem ungewöhnlichen Live-Kommentar von internationalen Künstler/-innen: „The Spectres of May – A Hauntological Saloon“.

Der Artist Talk Special beginnt am Donnerstag, 16. Juni, um 20 Uhr am Kubus am Parkeingang in der Nähe des Kreisverkehrs/Anton-Bruckner-Allee Leipzig.

Der Eintritt ist frei. Die Veranstaltung nach dem Konzept von Kathleen Bomani findet in englischer Sprache statt.
Die teilnehmenden Künstler/-innen sind: Kathleen Bomani, Alberto Bustamante, Cristina Kristal Rizzo, Pedro Sepulveda Cruz Coke.

Ausstellungseröffnung für „Nati“

Direkt vorher findet die Vernissage der Ausstellung „Nati“ statt. Die in Panama City geborene Eucaris Guillen erzählt in „Nati“ die Geschichte ihrer Urgroßeltern im gleichen Zeitraum, in dem in Leipzig die STIGA öffnete. Ein postkoloniales Erbe, welches sie nicht nur als Zeitzeugin erlebt, sondern in das sie hineingeboren wurde.

Genau 70 Jahre nach der Leipziger STIGA in Panama City geboren, wuchs Eucaris Guillen in einem Land und in einer Stadt auf, deren Form durch die Kolonialisierung geprägt wurde und in der sich bis heute postkoloniale Konstrukte und Normen in den gesellschaftlichen Strukturen wiederfinden.

Mal spanisch, mal schottisch, mal kolumbianisch, mal französisch, mal amerikanisch; die heutige Republik Panama wurde von vielen beansprucht, die dorthin kamen und sich dachten, dass sie das Rezept hätten, um aus dieser „herrenlosen“ Gegend in strategischer Lage den meisten Profit rauszuziehen.

Ausstellung "Nati": Die Urgroßmutter von Eucaris Guillen. Foto: Eucaris Guillen
Ausstellung „Nati“: Die Urgroßmutter von Eucaris Guillen. Foto: Eucaris Guillen

Die Installation „Nati“ befasst sich mit den Wurzeln der Künstlerin und deren Widersprüchen. Afrikanische, deutsche, spanische und indigene Ursprünge in einem Menschen vereint. Ein postkoloniales Erbe, welches sie nicht nur als Zeitzeugin erlebt, sondern in das sie hineingeboren wurde.

„Nati“ erzählt die Geschichte ihrer Urgroßeltern in Panama im gleichen Zeitraum, in dem in Leipzig die STIGA öffnete. Sie beschreibt die Umgebung, in der sie lebten und Menschen, die sie umgaben. Menschen vereinigt an einem Ort großer Verzweiflung und großer Hoffnung. Menschen, die denselben Ort aus verschiedenen Perspektiven erlebten, die selten aufeinander blickten, sondern sich viel häufiger und bewusst voneinander abwendeten.

Eucaris Guillen ist Kultur- und Eventmanagerin. Sie lebt seit 1988 in Leipzig, wo sie an der HTWK Drucktechnik studierte. Seit Beginn der 90er-Jahre setzt sie sich für die Integration und Teilhabe von Menschen aus anderen Kulturen ein. 2014 gründete sie den Verein „Initiative Aktives Gestalten e. V.“, mit dem sie sich unter anderem auch für benachteiligte Kinder und Jugendliche diverser Herkunft in Leipzig engagiert.

„MAY TOWN IN ZETKIN PARK“ – Spuren einer Ausstellung, findet vom 21. Mai bis 31. Juli im Clara-Zetkin-Park statt und zeigt „digitale und reale Interventionen von internationalen Künstler/-innen“. Initiator ist die Schaubühne Lindenfels.

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