"Tatort"-Fans ist er als Kommissar bekannt. Axel Prahl ist auch ein musikalischer Mensch. Mit "Blick aufs Mehr" veröffentlichte der Schauspieler sein erstes Album, das ihn schon nach Halle/Saale, Jena und zur Buchmesse nach Leipzig führte. Sven Rogowski traf Axel Prahl und fragte ihn aus. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann der singende "Tatort"-Kommissar wieder zurück in die Messestadt kommt.

Du warst hier auf der Buchmesse vor allem, um dein Album “Blick aufs Mehr” zu promoten. Weil du als Musiker deine künstlerische Laufbahn begonnen hast, scheint die Frage berechtigt: Warum kommt die Platte erst jetzt?

Ich habe mich sehr lange zurückgehalten, mit meiner Musik in die Öffentlichkeit zu gehen, da ich als Schauspieler ja sehr erfolgreich bin. Es ist immer etwas hinterhältig für alle Musikerkollegen, die grandios musizieren und ein eigentlich namenloses Dasein fristen, und dann kommt da ein Schauspieler daher, der seine Popularität anders gewonnen hat. Das kam mir immer ungerecht vor. Dann dachte ich, dass ich jetzt schon so alt sei, um es endlich zu wagen und dachte: ?Jetzt machst Du es einfach mal!? Dann ging alles seinen sozialistischen Gang!

Fühlst du dich eigentlich augenblicklich als schauspielender Sänger oder als singender Schauspieler?

Momentan stehe ich eher in einer Zwischenwelt und weiß noch nicht, wo die Reise hingehen wird. Das Album ist überraschend erfolgreich. Von Musik zu leben ist heutzutage relativ schwierig und daher ist die Schauspielerei für mich augenblicklich ein sicheres Standbein.

Haben die Texte auf der CD persönliche Hintergründe, sind sie autobiographisch und haben sich über die Jahrzehnte angesammelt?

Autobiographisch sind alle Titel, da ich sie selbst geschaffen habe. Sie bilden einen Teil meines Lebens ab. “Wieso bist du immer noch da?” habe ich geschrieben, als ich meine erste Scheidung erleben durfte. Da fehlte zum Beispiel eine Strophe, die im Zuge der Zusammenarbeit mit Danny Dziuk, meinem wunderbaren Arrangeur, dazugeschrieben wurde, um eine musikalische Struktur zu schaffen. Manche Titel habe ich in fünfzehn Minuten am Küchentisch verfasst und andere lagen als Fragmente jahrzehntelang in der Schublade. Der Druck, die Platte fertig zu stellen, hat mir gut getan, weil ich dadurch gezwungen war, gerade diese Fragmente in ihre jetzige Form zu bringen.Gab es also während der Aufnahmen Entwicklungen der Songs?

Auf jeden Fall! An “Liebe hat mir den Tisch gedeckt” haben wir zum Beispiel sehr lange gefeilt. Diesen Song haben wir zuerst in Richtung “Stella Maris” von den Einstürzenden Neubauten aufgenommen, also sehr verhalten, wenig Töne, leicht elektronisch angehaucht. Später haben wir es als Rocksong versucht und das Endergebnis ist ein Konglomerat aus beidem geworden.

Gibt es einen Titel, an dem du besonders hängst?

Ich fände es ungerecht, ein Lied zu küren. Sie sind alle meine Kinder.

Der Titel “Blick aufs Mehr” spielt auf deine Herkunft an. Fehlt dir in Berlin das Meer, die Ostsee, an der du groß geworden bist?

Berlin hat erfreulicher Weise relativ viel Wasser, was über das fehlende Meer hinweg tröstet. Wenn ich Zeit habe, fahre ich aber natürlich ans Meer. Es fehlt mir manchmal schon! Ich hatte dort eben auch eine Huckleberry Finn-Tom Sawyer-Kindheit und würde mir so etwas auch für meine Kinder wünschen. Wir sind in den großen Sommerferien morgens um Neun mit einer Bratpfanne und Eiern bewaffnet, ein bisschen Toastbrot dazu und einem Lagerfeuer am Strand raus aus dem Haus. Das war damals alles noch möglich. Heutzutage würde die Polizei gerufen werden. Wir konnten unsere Träume noch leben!

Dein Lebenslauf ist recht ungewöhnlich. Du bist viel gereist, hast dich als Straßenmusiker verdingt. Gibt es eine Zeit, die du bereust?

Ich stehe ja auf dem Standpunkt, dass auch jede negative Erfahrung eigentlich immer etwas Positives beinhaltet. Es hat, so glaube ich, alles seinen Sinn gehabt. Ich bin mit mir im Großen und Ganzen “im Reinen”, wie man so schön sagt. Sicher gibt es Dinge, bei denen ich nachher denke, dass es besser gewesen wäre, wenn es nicht geschehen wäre. Außerdem gibt es auch Zwänge, wie zum Beispiel die Arbeit, um Geld zu verdienen. Darauf habe ich dann wenig Einfluss.Du hast am Theater mit dem Schauspiel angefangen, aber lange nicht mehr auf der Bühne gestanden. Warum?

Meist lässt sich die Arbeit am Theater zeitlich nicht mit meinen Filmen vereinbaren. Es gibt sicherlich Kollegen, die diese Belastung meistern. Mir wäre es zuviel, mir noch zusätzlich das Arbeitspensum des Theaters mit ins Boot zu holen. Dann blieben meine Familie, meine Liebste und die Freizeit auf der Strecke. Ich versuche, mit dem geringsten Aufwand den größten Nutzen zu erzielen.

Bei deinen Konzerten stehst du ja auf der Bühne.

So ist es. Diese Auftritte gehen ja eher in Richtung Theaterabend. Ich erzähle dort recht viel über mein bisheriges Leben, zum Beispiel die Geschichte, wie ich mich erstmals musikalisch “prostituiert” habe. Das geschah bei Frau März, einer Nachbarin, die mir schwitzend, in einer Kittelschürze steckend, immer eine Mark zusteckte, wenn ich ihr ein Lied von Heintje vorsang. Nach Vollendung meines Gesangs drückte sie mich jedes Mal gegen ihren großen Busen. Das hat mich als Kind stark geprägt! Solche und ähnliche Geschichtchen erzähle ich bei den Konzerten.

Deine Filmkarriere startete nach ersten Erfolgen in “Nachtgestalten” und “Halbe Treppe” von Andreas Dresen dann ab 2002 durch deine Rolle als Hauptkommissar Thiel im Münsteraner Tatort richtig durch. Kanntest du Deinen Filmpartner Jan Josef Liefers bereits vorher?

Nein, überhaupt nicht. Ich hatte “Knocking on heaven’s door” gesehen, hatte Jan Josef aber vorher nie persönlich getroffen. Ursprünglich war Ulrich Noethen, den ich sehr schätze, für die Rolle vorgesehen, der aber absagte. Jan Josef und ich trafen uns erstmals am Set und hatten beide unsere Gitarren dabei. Da trafen sich zwei Musiker! Es hat sofort gepasst und wir versuchen immer viel Spaß zu haben. Die Zusammenarbeit funktioniert super, ein tolles Ping-Pong Spiel!

Du hast während der Leipziger Buchmesse aus dem Buch “Ed King” von David Guterson gelesen. Wie kam es dazu?

Ich bekam eine Anfrage, durfte das Buch lesen und es gefiel mir. Da ich gerade in Leipzig war, habe ich es dann gemacht. Ich war auch sehr gespannt auf den Autoren.

Was verbindest du mit Leipzig?

Leipzig ist ein kleiner Geheimtipp! Ich traf im Zug eine Autorin, die mir erzählte, dass sie Leipzig für die Stadt der Zukunft hielte. In Leipzig passiert viel. Es gibt gute subkulturelle Strukturen und einen guten politischen Hintergrund dafür, was in Berlin nach und nach verloren geht. Was gerade am Prenzlauer Berg passiert, ist haarsträubend. 1992 bin ich dort hingezogen. Es war ein El Dorado der Subkultur! Jetzt kommen Finanzkonsortien, kaufen sich ein, bauen schicke Lofts und das war?s. Ich fürchte, dass es in Berlin etwas mit dem fehlenden Ausbau des Arbeitsmarktes zu tun hat, so dass nicht nur der Tourismus als Haupteinnahmequelle dienen muss. Jetzt sind die Kassen leer, Sparzwang herrscht und die Subkultur bekommt keine Chance. In Leipzig sieht es in dieser Hinsicht anders aus.

Gibt es einen Talisman oder ein Mitbringsel, das dich auf Reisen an dein Zuhause erinnert?

Normalerweise habe ich immer ein Fotoalbum dabei, das meine Liebste für mich gebastelt hat. Darin blättere ich gern, wenn ich Sehnsucht verspüre.

Axel Prahl, herzlichen Dank für das Gespräch!

Axel Prahl Online:

www.axelprahl.de

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