Am 20. Oktober werden 6.000 Uniformierte aus ganz Europa das Jahr 1813 wieder lebendig machen. Nicht ganz unwidersprochen. So mancher sieht das Kriegerische an diesem Auftritt kritisch. So auch der Künstler Bertram Haude. Für eine Performance sucht er noch Freiwillige aller Nationen, die sich vom 17. bis 20. Oktober der "International Shattered Liberation Force" (ISLF) anschließen.

“International Shattered Liberation Force” in der Übersetzung Haudes: Internationale aufgeriebene Befreiungskräfte. Der Künstler: “Die ISLF ist das geschlagene Bataillon. Die Ordnung ist aufgelöst, die Stimmung desillusioniert. – Dabei geht es nicht nur um die Zeit um 1813, sondern um eine generelle und symbolische Konfrontation heutiger, friedlicher, sicherer Alltäglichkeit mit den kaputten ‘Helden’, die als der Abfall von ‘Geschichte’ plötzlich vor der Tür stehen: Eine Theaterperformance für Leipzig zur Erinnerung an die Völkerschlacht.”

Diese Performance nun sucht Teilnehmer_innen, die sich vier Tage in und um Leipzig durchschlagen werden und ohne organisierte Unterkünfte und Versorgung auskommen müssen. Dabei wird die ISLF auf die Hilfe und Versorgung der Bewohner_innen angewiesen sein. Die Teilnehmenden sollten sich auf die daraus folgenden Strapazen, gegebenenfalls soziale Enttäuschungen, körperliche Entbehrungen sowie einen offenen Verlauf der Performance einstellen.

Ein recht robuster Ansatz, auch das Katastrophale der 1813er Kriegsereignisse sichtbar zu machen.Im Gegensatz zu den Reenactments alias “historische Gefechtsdarstellungen”, die jedes Jahr im Herbst aus Anlass der Völkerschlacht stattfinden, stehen bei der Aktion von Bertram Haude nicht die farbigen Uniformen und blitzenden Waffen im Vordergrund, sondern das Bild von all den verlorenen, zurückgelassenen, unbeachteten und unglücklichen Kriegsverlierer_innen.

Bertram Haude erklärt dazu: “Das Erscheinungsbild der ISLF nimmt Beschreibungen auf, welche von geschlagenen Armeen gezeichnet wurden: ausgehungerte, verdreckte, ängstliche und heimatferne Menschen. Sie haben Wunden und Ausschläge, tragen Uniformreste, schmutzige und zerschlissene Kleidung.”

Das Anliegen der ISLF sei es, die “Kriegs-Reenactments”, welche in und um Leipzig veranstaltet werden, zu unterlaufen. Ohne Anspruch auf historische Authentizität versucht die ISLF die Schattenseiten des Gemetzels anzusprechen.

Bertram Haude: “Durch den Eintritt der negativen Kriegserzählung in die heutige Alltagswelt und durch kritische Distanz zur eigenen Spiel-Rolle soll das Wesensmerkmal von Reenactments aufgebrochen werden. Dieses Merkmal ist die Aneignung von Geschichte als Histotainment ohne Gegenwartskritik in Form trivialer und folkloristischer Erinnerungskultur.”

Die Performance, die im Grunde auch ein Projekt der Selbsterfahrung und ein soziales Experiment ist, findet im Rahmen des interdisziplinären Kunst- und Wissenschaftsprojektes “Fireworks and Smokebombs” zum Thema Völkerschlacht, Völkerschlachtdenkmal und Völkerschlachtjahrestag 2013 statt.

Unterstützt wird das übergreifende Projekt “Fireworks and Smokebombs” von der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen, dem Kulturamt der Stadt Leipzig und der Rosa Luxemburg Stiftung.

Website des Künstlers: www.bertramhaude.de

Kunstprojekt von Bertram Haude und die Modalitäten des Mitmachens: www.islf.eu

Projekt “Fireworks and Smokebombs”: www.fireworksandsmokebombs.de

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