Der Mai geht zu Ende. Demnächst ist Pfingsten. Für Leipzig heißt dies: Die Stadt wird schwarz-bunt. Das Wave Gotik Treffen steht an. Das angeblich immer noch größte Festival der schwarzen Szene weltweit. Diese Szene mag sich über die Farbe Schwarz definieren, ist aber in ihren Verästelungen längst so bunt geworden wie der Rest Deutschlands. Seit 1992 ruft das Festival Fans und Szenegrößen nach Leipzig. Es gehört längst zur Tradition des WGT, dass es um einzelne der über 200 Künstler*innen, die zu Pfingsten in Locations überall in der Stadt auftreten werden, Kontroversen gibt.
So berichtet Robert Frost, Mitgründer des einflussreichen Szeneblogs „Spontis“, dass er die Band „Death in Rome“ persönlich für eine problematische Buchung hält. Frost: „Wer so offen mit Symboliken und Inhalten aus dem Nationalsozialismus kokettiert, hat für mich nichts auf dem WGT verloren. Diese Form der Provokation ist angesichts der politischen Lage 2025 das sprichwörtliche ‘Öl ins Feuer’ derer, die das WGT für ihre rechts-ideologischen Zwecke vereinnahmen wollen und ‘Wasser auf den Mühlen’ derer, die nur darauf warten, die gesamte Szene in die rechte Ecke zu stellen.”
„Death in Rome“ keiner der Headliner des Festivals. Die sind sämtlich eher unpolitisch oder verorten sich, wie im Fall der britischen Band New Model Army, eher im linken Spektrum ein.
Zum ersten Mal wird es in diesem Jahr ein offizielles Festivalradio geben, betrieben von dem Musiksender „80s80s“, das frei zu empfangen sein wird und mit Kommentaren, Einblicken und Hinweisen und natürlich viel Musik das WGT begleiten wird.
Für die Leipziger, die sich nicht zur Szene zählen, ist das WGT willkommener Anlass, „Gruftis“ zu schauen. Wozu sie nicht nur in der Innenstadt am WGT-Hotspot Moritzbastei oder um die zahlreichen übrigen Konzertlocations herum ausreichend Gelegenheiten haben. Denn seit vielen Jahren Höhepunkt des Schaulaufens der Szene vor den Leipzigern und ihren Gästen ist das „viktorianische Picknick“, das dieses Jahr am 6. Juni im Clara-Zetkin-Park stattfindet und bei dem besonders spektakuläre Outfits der Festivalteilnehmer bewundert werden können.
Der Preis für eines der Festivalbändchen liegt in diesem Jahr bei 170 Euro und ist damit für ein 4-Tage-Festival mit über 200 Künstlern nicht ausgesprochen moderat, aber auch nicht übertrieben. Im Vorfeld des Events gab’s einige Aufregung um mögliche Kostenexplosionen aufgrund von neuen und erweiterten Sicherheitskonzepten rund um Großveranstaltungen. Zumindest einen Teil jener erhöhten Kosten planten die Stadtväter auf Veranstalter und damit die Besucher abzuwälzen. Angesichts der recht stabilen WGT Preises scheint die Kostenerhöhung für 2025 noch nicht durchgeschlagen zu sein.
Für alle, die sich keines der Festivalbändchen leisten können oder wollen, aber dennoch WGT Feeling genießen möchten, hat sich seit vielen Jahren ein breites Angebot an Veranstaltungen parallel zum Festival etabliert, die in den meisten Fällen ohne Eintritt auskommen oder sich mithilfe von Spenden finanzieren.
Eine andere Linie bei den Veranstaltungen rund ums Schwarze Festival in Leipzig fährt die prominente forensische Psychologin und Autorin Lydia Benecke. Die im Kupfersaal in der Innenstadt bereits zum dritten Mal ihr eigenes zweitägiges WTF-Festival auf die Bühne bringt.
Dort liegt der Fokus weniger auf Musikacts, sondern auf Vorträgen und Lesungen. Mit dabei sind unter anderem ein echter Tatortreiniger, der Leipziger Autor Christian von Aster oder ein Zweierteam von Beamtinnen einer Mordkommission, die Einblicke in ihre Arbeit jenseits von TV-Krimi –Klischees geben.
Aber auch ein Vortrag über Sex im Viktorianischen Zeitalter steht am Pfingstsamstag um 12 Uhr Mittags an, gehalten von der bekannten saarländischen Autorin Isa Theobald, der Kulturwissenschaftlerin und Tantramasseurin Eva Hanson und dem Leipziger Autor Ulf Torreck, die von sich behaupten, dass sie ziemlich oft an Sex denken, nur meistens eben nicht so wie man es erwartet.
Ebenfalls am 6. Juni findet im leider immer noch gar nicht so bekannten Theaterhaus Schille in der Otto-Schill-Straße zum inzwischen zweiten Mal die „Schwarze Schille“ statt, eine Veranstaltung aus der Szene für die Szene, deren Einnahmen Correctiv zugutekommen. Hier werden neben Musikacts wie der Berliner a-Cappella-Band Stimmgewalt oder dem Szeneurgestein Schock auch Lesungen und Vorträge geboten.
Aus ihnen kann das Publikum unter anderem von der Historikerin und forensischen Psychologin Dr. Juliane Meyer neue Fakten über Jack the Ripper und dessen Opfer erfahren. Aber auch in der „Schille“ wird es ganz ohne Sex nicht laufen. Denn zur vorgerückten Stunde ist ein Vortrag über Sex Magic angesetzt, der mit (nicht immer ganz ernst gemeinten) Rezepten und Anleitungen aufwartet.
Sogar Plagwitz, das sonst eher nicht als Hochburg der Leipziger Gothic-Szene gilt, bietet beim breiten Veranstaltungsangebot rund ums WGT kräftig mit. Seit Jahren zählt der Felsenkeller immerhin zu den festen Konzertlocations des offiziellen WGT-Festivalprogramms.
Aber nicht nur dort, sondern auch im Westwerk können Festival-Gäste und Leipziger WGT-Feeling genießen. Dann nämlich, wenn am Sonntag, dem 8. Juni, inzwischen ebenfalls zum dritten Mal „In Darkest Plagwitz“ stattfindet. Die Veranstalter haben dort von der britischen Rocklegende Wayne Lost Soul bis zur Leipziger Band Lorning und zahlreichen DJ Sets von Szenegrößen ein Programm zusammengestellt, das keinen WGT-Besucher kaltlassen sollte, der sich ins Hipsterviertel wagt.
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