Zwei Jahre musste die Gothic-Community auf ihr alljährliches Hochamt zu Pfingsten in Leipzig verzichten. Dieses Jahr geht es nach Corona-Ausfall endlich weiter mit dem Wave Gotik Treffen. Das sich dieses Mal wieder einmal mit dem Leipziger Stadtfest überschneidet.
Es gibt allerdings Veränderungen zum diesjährigen WGT, die einige Stammgäste des schwarzen Festivals in Leipzig erstaunen. Denn zwei Persönlichkeiten der Szene sind nicht im offiziellen WGT-Programm vertreten, weil sie ihr eigenes Festival im Kupfersaal in der Innenstadt veranstalten.
Die Rede ist von Kriminalpsychologin und in allen Medien gefragte Expertin für alles Mörderische und Groteske Lydia Benecke und Christian von Aster, Literat, Moderator, Wortzauberer und sicherlich der bekannteste Schriftsteller in der Szene der Schwarzromantiker.
Es ist weder organisatorisch noch finanziell eine Kleinigkeit, eine eigene Veranstaltung größeren Ausmaßes auf die Beine zu stellen. Und selbst wenn hinter dem Projekt der beiden „WTF? WTF! –Wissenschaft trifft Freundschaft“ ein kleines Team steht, fragt man sich, was die Motivation dahinter war, jenes Festival innerhalb des Festivals anzugehen.
Seit vielen Jahren haben von Aster und Lydia Benecke das WGT mit ihren Auftritten bereichert und waren dabei sehr erfolgreich.
Vielleicht sogar zu erfolgreich? Denn nicht alle Vorträge, Lesungen oder Diskussionsrunden der beiden waren vom WGT-Veranstalter in Locations gebucht worden, die dem Andrang ihrer Fans gewachsen waren.
Dass man von Aster und später auch Lydia Benecke zum WGT 2018 in den zwar zentral gelegenen, aber nur mit 250 Plätzen ausgestatteten Blauen Salon im Central-Kabarett eingebucht hatte, war von den Veranstaltern mindestens unbedacht, wenn nicht fahrlässig. Quer über den Markt vorm Alten Rathaus zog sich damals die Schlange der Leute, die keinen Platz mehr zu den Veranstaltungen der beiden im Blauen Salon gefunden hatten.
In ihren öffentlichen Stellungnahmen zur Motivation, ihr eigenes Programm zu Pfingsten in Leipzig zu gestalten, hat Frau Benecke betont, dass die verfehlte Locationbuchung des WGT-Veranstalterbüros einer der Gründe dafür bildete, „WTF? WTF! Wissenschaft trifft Freundschaft“ aus der Taufe zu heben.
Sie schreibt auf ihrer Facebookseite: „Häufig konnten viele Menschen keine Plätze mehr in den jeweiligen Locations finden.“
Allerdings scheint die verunglückte Auswahl der Locations für ihre WGT-Auftritte nicht der einzige Grund gewesen zu sein, der sie dazu brachte, zu Pfingsten in Leipzig etwas Neues zu wagen. Denn im selben Posting erklärt sie: „Bezüglich des ursprünglich geplanten und bis in dieses Jahr (#wgt2022) verschobenen #wgt 2020“ wurde sowohl ihr selbst wie Christian von Aster „vonseiten der WGT-Veranstalter mitgeteilt, dass man sie nicht zum WGT buchen würde.“
Unter dem Titel „Leipziger Pfingstalternativveranstaltungs Erklärbär“ äußert sich von Aster am 23. Mai ganz ähnlich: „Ich persönlich war 21 (!) Jahre lang jedes Jahr Teil des WGT und durfte dort Lesungen veranstalten. 2020 ließ das WGT mich wissen, dass es mich nach all der Zeit in jenem Jahr nicht buchen würde (was ich übrigens bis heute nicht verstanden habe).“
Beide betonen in ihren öffentlichen Äußerungen zum WGT außerdem immer wieder, wie wichtig ihnen der Kontakt „zu den zahlreichen Menschen“ sei, „die sie bei all den WGTs stets in freundschaftlicher Atmosphäre getroffen und denen sie ihre Inhalte in diesem Rahmen präsentiert haben“.
Auch diesen Kontakt weiter aufrechterhalten und ausbauen zu können, stellte für Benecke eine Triebfeder dafür dar, eine eigene Veranstaltung in Leipzig ins Leben zu rufen.
Was genau plant man aber nun zu Pfingsten im Kupfersaal?
Die kurze Antwort lautet: ein Wissens-Festival.
Zwei Tage lang soll dort Wissenschaft zum Erlebnis werden. Wird es Vorträge, Lesungen, Diskussions-, Frage- und Antwortrunden geben. Unter Überschriften wie „Zeitreise der Verschwörungserzählungen“, „Mit der Wissenschaft auf Geisterjagd“ oder „Zerteilte Leichen und Nachtmusik“ gibt es jeweils von 13 bis 22:30 Uhr faszinierende Fakten aus Wissenschaft und Forschung. Präsentiert wird das Programm von Lydia Benecke gemeinsam mit Christian von Aster.
Den Auftakt macht dabei am 3. Juni um 13 Uhr dann auch von Aster mit einer Lesung aus „Die wahrhaft unglaublichen Abenteuer des jüdischen Meisterdetektivs Shylock Holmes & seines Assistenten Dr. Wa’Tsun“.
Ihm schließt sich Luci van Org ( Sängerin des Hits „Weil ich ein Mädchen bin“) an, die ihre „Hundert Heldinnen“ aus Romanen und Kurzgeschichten mithilfe ihrer Drei-Oktaven-Sängerinnen-Röhre auf der Bühne zum Leben erweckt.
Aber, wie könnte es auch anders sein bei Deutschlands bekanntester forensischer Psychologin, kommen auch das Verbrechen und die Verbrecher keineswegs zu kurz. Unter dem Punkt „True Crime“ werden der forensische Entomologe und Ballistiker Marcus Schwarz („Wenn Insekten über Leichen gehen“ und „Der Tod im Anflug“) von der Rechtsmedizin Leipzig, sowie Tatortreiniger und Desinfektor Thomas Kundt („Nach dem Tod komm ich“) gemeinsam mit Kriminalpsychologin Lydia Benecke Einblicke in ihre unterschiedlichen beruflichen Perspektiven auf echte Verbrechen gewähren.
Diskutiert werden Themen wie Gewalt in Partnerschaften, autoerotische Unfälle, Leichenzerstückelungen sowie die überraschend verschiedenen Motive für Tötungsdelikte allgemein.
Ein ganz aktuelles Thema, nämlich Verschwörungstheorien, wird von Bernd Harder (Autor von Büchern wie „Verschwörungstheorien. Ursachen – Gefahren – Strategien“ und dem „Lexikon der Großstadtmythen. Unglaubliche Geschichten von Astralreisen bis Zombies“) bearbeitet.
Lydia Benecke spricht über die „Satanic Panic 2.0“ in Deutschland und wie aktuelle Enthüllungen in der Schweiz diesem bedenklichen Phänomen ein Ende setzen könnten.
Und der bekannte Physiker Dr. Holm Gero Hümmler (Autor des Buches „Verschwörungsmythen. Wie wir mit verdrehten Fakten für dumm verkauft werden“) erklärt, was sich hinter QAnon, MKUltra & Co. verbirgt.
Weitere Themen bei „WTF? WTF! Wissenschaft trifft Freundschaft“ sind Geister und Vampire. Bernd Harder und Lydia Benecke ergründen, was hinter vermeintlichen Begegnungen mit Toten steckt, was beim modernen „Ghosthunting“ geschieht und was es damit auf sich hat, durch die Befragung von Geistern Kriminalfälle lösen zu wollen.
Christian von Aster liest unter dieser Überschrift Kurzgeschichten aus den vier Bänden seiner legendären Kult-Anthologie „Liber Vampiorum“. Außerdem gibt es einen Streifzug durch die Kulturgeschichte des Vampirs und einen Blick auf die Real-Life-Vampyr-Subkultur in Deutschland.
Ganz wichtig für Pfingsten in Leipzig ist der Themenpunkt: „Der Tod und was danach kommt“, dem sich die als „Friedhofsflüsterin“ bekannte Dr. Anja Kretschmer zusammen mit Marcus Schwarz, der sich in der Rechtsmedizin täglich mit Leichen und den Lebewesen, die sie besiedeln, beschäftigt, im Kupfersaal annehmen wird.
Zum Abschluss des Festivals im Festival wird Luci van Org mit ihrem Soloprojekt „Lucina Soteira“ eine kleine Nachtmusik präsentieren. Das gesamte Programm und Informationen gibt es auf www.WTF-Leipzig.de.
Literarisch spielt das WGT-Team bei seiner Buchung für 2022 jedenfalls auf der ganz sicheren Seite, denn dort hat man Bestsellerthrillerautor Sebastian Fitzek gebucht. Der ist so erfolgreich und mainstream, dass sich zu seinem Auftritt sicher auch einige Stadtfestbesucher verirren werden. Nur als ein fester Teil der Gothic-Szene war der Mann bislang eher nicht bekannt.
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