Einhundertzwölf Jahre ist es alt und gehört damit zur gründerzeitlichen Substanz der Leipziger Zoogebäude. Das Terrarium, von Baurat Anton Käppler errichtet, ist nach mehr als vierjähriger Sanierungszeit neu eröffnet worden. Im Februar 2021 schloss es seine Türen. Pandemiefolgen, steigende Stahlpreise verzögerten die Arbeiten.
Doch nun steht es da, mit präzise restaurierter Fassade, samt der historischen Ornamente und einem völlig neuen Dach, das der ursprünglichen Konstruktion weitestgehend entspricht, aber deutlich weniger Wärme nach außen abgibt. Unter den sorgsamen Augen des Denkmalschutzes haben Zoo und Gewerke mit Liebe und Können ein Paradies entstehen lassen, das Heimat für ein paar besonders interessante Wesen wurde. Wir stellen eine kleine Auswahl von ihnen vor …
Er hat einen schrecklichen Namen
Sitzt gelb und friedlich zwischen grünen Blättern, wirkt wie ein kleines Überraschungsei. Und das ist er auch. Denn in ihm schlummert Arges. Und so trägt er seinen Namen wohl zu Recht.
Der “Schreckliche Pfeilgiftfrosch” (Phyllobates terribilis) ist ein Kind der kolumbianischen Pazifikküste – und gilt als giftigstes Landwirbeltier der Welt. Allerdings verdankt er seinen Namen nicht dem Umstand, daß er giftige Pfeile verschießt oder über einen artfremden Stachel verfügt. In seiner Haut steckt ein Nervengift, das schon in winzigen Mengen gefährlich ist. Einst wurde es genutzt, um die Spitzen von Blasrohrpfeilen damit zu bestreichen.
Heute gilt die Art als gefährdet. Abholzung und illegale Tierfänge setzen dem knallgelben, wenige Zentimeter großen Fröschlein zu. International wird er deshalb streng geschützt, auch der Zoo Leipzig trägt als Mitglied eines Zuchtprogrammes zum Erhalt dieser einzigartigen Amphibie bei.

Er ist ein kleiner Hippie
Dieser Gecko nimmt keine seltsamen Substanzen zu sich. Weil er aber dennoch so guckt, als entstamme er der psychedelischen Kunst der 1960er/70er Jahre, wählten die Erstbeschreiber 2010/2011 den Artnamen psychedelica. Erst 2009 entdeckt, gehört dieser Gecko zu den jüngsten Tieren der wissenschaftlichen Betrachtung. Und kaum entdeckt, wurde auch ihm attestiert, dass er in die Rote Liste der IUSN aufgenommen werden muss.
Nur wenige hundert Tiere werden auf dem kleinen Lebensraum zweier südvietnamesischen Inseln geschätzt. Vier Jahre nach der Entdeckung wurden in Europa und Russland Exemplare dieser Art für 2.500 bis 3.000 Euro pro Paar verkauft, was nun verboten ist. 2015 gelang auf der Insel Hòn Mê die Erstzucht des Psychedelischen Felsengeckos in menschlicher Obhut.
Der kleine Kerl mit den aufgerissenen Augen lebt auf Felsgestein und versteckt sich bei kleinsten Störungen. Er ist nicht aggressiv, sondern entspannt, solange man ihn nicht bedrängt.

Sie hat ‘ne eigene Fußbodenheizung
25 Grad Hallentemperatur hat das Terrarium im Leipziger Zoo. Die Tiere dort stammen ursprünglich aus warmen Regionen. So hat die Strahlenschildkröte ihre natürliche Heimat in Madagaskar. Doch ZUUUU warm mag sie es nicht, in den heißen Sommern versteckt sie sich in freier Wildbahn unter Schatten spendenden Sträuchern. Aber wie wir Menschen in der hiesigen Region mag sie es auch nicht „fußkalt.“
Deshalb gibts für die Reptilien Wärme von unten. Dabei wird nicht der gesamte Boden beheizt, sondern Teilflächen, sodass Temperaturgefälle am Boden entstehen und sich die Schildkröten, die bis zu 80 Jahre alt werden, aussuchen können, wo es für sie im Moment am gemütlichsten ist.
Und gemütlich sind sie, die etwas schwerfälligen Reptilien mit tragbarem Eigenheim. Doch daher leider auch nicht schnell genug in freier Wildbahn. In ihrer natürlichen Heimat, dem Südwesten Madagaskars, werden die Dornenwälder zerstört, was ihren natürlichen Lebensraum drastisch verkleinert. Und trotz des gefährdeten Bestandes gelten sie für viele noch als Delikatesse.

Er wird nie erwachsen
Sieht nicht nur verrückt aus, sondern ist es auch. Mit seinen augenscheinlichen Puschelohren gehört er eigentlich ins Kinderfernsehen. Doch seinen Platz im Terrarium fand er, weil es sich gar nicht um Ohren handelt.
Der „Andersons Querzahnmolch“ (Ambystoma andersoni) stammt aus Mexiko, und was nach Ohren aussieht, sind äußere Kiemenbüschel, die seitlich am Kopf stehen, mit denen er atmet. Ungewöhnlich, denn die meisten Amphibien durchlaufen eine Metamorphose: Aus der Kaulquappe mit Kiemen wird ein erwachsenes Tier, das auf Lungenatmung wechselt. Oder auf Atmung über die Haut (Frösche, Molche). Anders als diese Tiere verliert der Querzahnmolch seine Kiemen nie.
Sein Gebiss zeigt er selten. Den Namen verdankt er ihm trotzdem. Beim Querzahnmolch stehen die Zähne im Oberkiefer nicht in Längsreihe, sondern sie bilden ein V-Muster. “Puschelohrmolch” wäre als Name vielleicht doch nachvollziehbarer gewesen.
Seine Nahrung besteht aus kleinen Fischen, Larven und Würmern. Und auch sein Lebensraum wird zerstört und durch Umweltverschmutzung stark bedroht, sodass er in der Natur nur noch in sehr kleinen Populationen existiert. Der verdankt seinen Name dem mexikanischen Biologen José Luis Anderson, der ihn 1984 entdeckte und erstmals wissenschaftlich beschrieb.

Das ist keine Schildkröte
Ein bisschen Spaß muss sein. Denn immerhin hatte der Zoo Schwein, dass die Sanierung des historischen Terrariums am Ende gut ging. Und so war auch dieses Stofftier über all die Zeit das Maskottchen der Baustelle. Wer es wann mitbrachte – ein Geheimnis. Sicher aber ist, dass dieses lustige Ferkel eines Tages das Feld, bzw. das Terrarium wird räumen müssen.
Denn das im Inneren wieder hergestellte Becken wird künftig statt Plüschtieren „Nördlichen Batagurschildkröten“ ein Zuhause geben. Das sind große Süßwasserschildkröten. Die Weibchen legen ihre Eier auf Sandbänken. Und auf solcher sitzt das Schweinchen. Aber wie oft liest man von Tieren und „rückwärtigen Gehegen.“ Bestimmt wird der Glücksbringer der Baustelle nicht auswärts ausgesetzt.
Sie war schon immer da
Regungslos und ohne Puls. Und doch sprudelt sie seit jeher und erfrischt die Herzen der Zoo-Besucher. Die Quellnymphe von Bildhauer Ferdinand Barth (1842–1892). Vormals war der Industrielle Max Bleichert Besitzer der Figur, 1932 bestätigte er den Erwerb der Skulptur durch den damaligen Direktor des Zoologischen Garten. Die Bombardierungen Leipzigs fügen auch dem Zoo schwere Schäden zu. Das Aquarium wird zerstört. Die Quellnymphe aber kann aus den Trümmern geborgen werden.
2017 entbrennt ein Rechtsstreit um die Brunnenfigur – und um andere Plastiken im Zoo. Ein Erbe des damaligen Zoo-Direktors Johannes Gebbing erhebt Ansprüche, weil die Werke nicht der Stadt als Betreiberin der Einrichtung, sondern der Familie seines Vorfahren gehören würden. Letztinstanzlich wurde 2018 gegen diese Sicht entschieden, der Erbe nahm seine Beschwerde zurück. Und so konnte Barths Figur zur Freude von Denkmalschutz, Zoo, Stadt und Besuchern an ihren Quell zurückkehren.

… und sie ist im Ruhestand
Traditionelle Besucher werden sie suchen. Doch Leipzigs Ur-Schildkröte wohnt nicht mehr im Terrarium. Vierzig Jahre lebte sie im Zoo, verband Generationen und lockte mit der Zeit tausende Besucher allein in das historische Terrarium. Wie alt sie ist, weiß niemand ganz genau, da ihr Geburtsdatum schon beim damaligen Einzug nicht ganz klar war.
Durch die Sanierung musste „Geierwally“, wie die Geierschildkröte liebevoll genannt wurde, umziehen. Ein neues Zuhause fand sie in München. Dort existiert eine der größten Auffang- und Pflegestationen für Reptilien des Landes. Über eintausend Tiere aus Fund, Abgabe oder Beschlagnahmung werden dort auf über 4000 qm an verschiedenen Standorten liebevoll betreut.
„Die Integration eines großzügigen Wasserteils im künftigen Terrarium war leider einerseits aus baulichen Gründen, andererseits auch aufgrund des konzeptionellen Fokus auf bedrohte Reptilien und Amphibien Südostasiens nicht umsetzbar. Da die Münchener Kollegen über viel Erfahrung bei der Pflege dieser Art verfügen und zudem viel Platz zur Verfügung stellen können, haben wir uns schweren Herzens dazu entschieden, das Angebot ,Wally dorthin geben zu können, anzunehmen. Der Transport und die Ankunft haben reibungslos geklappt und sie hat sofort ihren neuen Teich bezogen“, sagte Dr. Till Ramm, zuständiger Kurator im Gründer-Garten, anlässlich des Umzugs im Jahr 2024. Und ergänzte: „Uns ist bewusst, dass viele Leipziger eine besondere Beziehung zu der Schildkröte haben, weil sie ,schon immer da war’. Für das Tier ist die Entscheidung jedoch die bessere Alternative.“

Wir haben natürlich nur einen kleinen Teil der spannenden Wesen aus dem Terrarium vorgestellt. Es gibt unglaublich mehr Tiere und deren Geschichten zu entdecken!
Der Leipziger Zoo feiert in drei Jahren sein 150. Gründungsjubiläum, wurde am 9. Juni 1878 eröffnet. Im Wandel der Jahrhunderte erfand er sich immer wieder neu. Vom Ausflugslokal zum „Zoo der Zukunft“.
Erreichbar ist der Zoo mit der Straßenbahn-Linie 12. Alles über die Planung eines Besuchs gibt es HIER!
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