Am Freitag, 3. April, hätte es in der Peterskirche eigentlich das große Carmina-Burana-Konzert der Philharmonie Leipzig zusammen mit dem Philharmonischen Chor, Solisten und MDR Kinderchor geben sollen. Das war – wie jedes dieser Konzerte – fast ausverkauft. Und musste natürlich aufgrund der Corona-Schutzmaßnahmen abgesagt werden. Doch wie so viele Orchestermusiker in dieser Zeit wandten sich auch die Mitglieder der Philharmonie Leipzig mit einem berührenden Video an die Öffentlichkeit. Und es ging viral.

Das Verblüffende an dieser Einspielung, in der die Mitglieder des Orchesters ihren Part jeweils zu Hause einsingen, ist die Tatsache, dass es etwas zeigt, was selbst ein gelungenes Konzert nicht schafft: Gerade weil wir die Mitwirkenden allein zu Hause vor der Kamera sehen, wird unübersehbar, wie sehr Musik etwas ist, bei dem Menschen sich aufeinander einlassen.

Sonst funktioniert ja so ein grandioser Chor nicht und auch kein Orchester. Da wird geprobt und geprobt. Aber meist gar nicht mehr, um das Stück einzustudieren, sondern um die Antennen zu schärfen dafür, was jeder im Ensemble gerade macht, wie das klingt, ob einer ausreißt, zu laut wird, zu schnell oder untergeht.

Wer Orchesterkonzerte besucht, weiß das, der fiebert ja immer mit. Denn dann, wenn jeder einzelne Part mit dem der anderen verschmilzt, wird Musik grandios. Hebt die Konzerthalle ab. Erlebt man als Zuhörer das, was man mit gutem Recht ein kosmisches Gefühl nennen kann.

Und das wird in Ansätzen auch bei dem Video spürbar, das die Philharmonie Leipzig jetzt statt des abgesagten Konzerts aufgenommen hat.

Carmina Burana 2020 – Virtual Music Concert – #wirbleibenzuhause

Alle Mitglieder der Ensembles sind zu Hause und wenden sich an ihr Publikum und an alle, die das Gleiche in dieser besonderen Situation erleben: „O Fortuna! Göttin des Glücks und des Schicksals.“ Und man merkt, dass sie schon lange geübt haben, dass sie eigentlich nur noch auf den Auftritt in der Peterskirche hingefiebert haben, der ganz bestimmt ein großer geworden wäre.

„Wie passend ist doch der Text der Carmina Burana in der heutigen Zeit“, betonen Dr. Michael Köhler und Holger Engelhardt aus dem Vorstand des Philharmonie Leipzig e. V.

Chefdirigent Prof. Michael Koehler sagt über das Video: „Wir vermissen unser Publikum! Wir brauchen gute positive Nachrichten in Zeiten der Pandemie und sind bei Ihnen in dieser besonderen Situation. Alle Musiker und Sänger haben diese Aktion unterstützt und sind in Gedanken und online bei Ihrem Publikum. Mitglieder des MDR Kinderchores haben sich auch an unserer Aktion beteiligt, darüber freuen wir uns sehr.“

Konzertmeister Holger Engelhardt fügt an: „Alle warten auf die Zeit nach Corona, wenn wieder großartige Konzerte stattfinden können. Besonders freuen wir uns im Herbst auf Nigel Kennedy. Mit ihm zusammen geht es auf eine große Deutschland-Tournee. Unser Video ist ein Zeichen für Optimismus – bleiben Sie gesund!“

Die Aufführung der Carmina Burana war ursprünglich für den 3. April in der Leipziger Peterskirche geplant und wird – sofern es behördlich möglich ist – auf den 11. Juli verlegt.

Diese Art, die Mitglieder eines hochkarätigen Chors oder Orchesters in Corona-Zeiten virtuell zusammenzuführen, hat mittlerweile einige eindrucksvolle Vorläufer. So meldete sich schon am 19. März der International Opera Choir aus Italien mit einer mitreißenden Nabucco-Einspielung zu Wort. Am 20. März zeigte sich das Rotterdams Philharmonisch Orkest und interpretierte das derzeit wohl am häufigsten gespielte Stück: Beethovens „Ode an die Freude“, genauso, wie sich damit am 26. März aus den Niederlanden das Dutch Orchestra zu Wort meldete und am 23. März die Colorado Symphony aus den USA.

Am 30. März gab es dann auch eine eindrucksvolle Wortmeldung vom l’Orchestre national de France, das den „Bolero“ von Ravel spielte. Am 1. April stellte dann die Philharmonie Leipzig ihr Video zum „Carmina Burana“-Konzert ins Netz, das mehr als nur neugierig macht auf den vielleicht möglichen Spieltermin am 11. Juli, Beginn 20 Uhr, in der Leipziger Peterskirche (Schletterstraße 5). Über 3.000 Menschen haben das Video schon angesehen. Musik gehört eindeutig zu den Grundbedürfnissen in dieser Zeit.

Coro virtuale „Va pensiero“ („Nabucco“ di G. Verdi) – International Opera Choir

PlayOn: Colorado Symphony’s Digital Ode to Joy

Dutch orchestra performs ‘Ode to Joy’ from self-isolation

From us, for you. Rotterdams Philharmonisch Orkest

Le Boléro de Ravel par l’Orchestre national de France en #confinement

Hinweis der Redaktion in eigener Sache

Natürlich werden auch die L-IZ.de und die LEIPZIGER ZEITUNG in den kommenden Tagen und Wochen von den anstehenden Entwicklungen nicht unberührt bleiben. Ausfälle wegen Erkrankungen, Werbekunden, die keine Anzeigen mehr schalten, allgemeine Unsicherheiten bis hin zu Steuerlasten bei zurückgehenden Einnahmen sind auch bei unseren Zeitungen L-IZ.de und LZ zu befürchten.

Doch Aufgeben oder Bangemachen gilt nicht 😉 Selbstverständlich werden wir weiter für Sie berichten. Und wir haben bereits vor Tagen unser gesamtes Archiv für alle Leser geöffnet – es gibt also derzeit auch für Nichtabonnenten unter anderem alle Artikel der LEIPZIGER ZEITUNG aus den letzten Jahren zusätzlich auf L-IZ.de ganz ohne Paywall zu entdecken.

Unterstützen Sie lokalen/regionalen Journalismus und so unsere selbstverständlich weitergehende Arbeit vor Ort in Leipzig. Mit dem Abschluss eines Freikäufer-Abonnements (zur Abonnentenseite) sichern Sie den täglichen, frei verfügbaren Zugang zu wichtigen Informationen in Leipzig und unsere Arbeit für Sie.

Vielen Dank dafür.

 

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar