Am Sonntag, dem 28. Mai, kommt ein einzigartiges Konzept von Tanz und KI in der Oper Leipzig zur Uraufführung. Mario Schröder, Direktor und Chefchoreograf des Leipziger Balletts, hat fast zwei Jahre lang zusammen mit Harry Yeff alias Reeps100 eine Vereinigung (Fusion) von Stimme und Tanz vorbereitet. Der britische Sprachkünstler und Musiker Harry Yeff beschäftigt sich mit der Visualisierung der Stimme und wird als Vorreiter im Bereich der Stimmtechnologie gefeiert.

Er nutzt einen fast unmenschlichen Stimmumfang, und seine Stimmkontrolle und performativen Installationen haben längst eine weltweite Fangemeinde mit über 100 Millionen Online-Zugriffen erreicht. Auch in seiner Leipziger Arbeit in „Fusion“ untersucht er die Schnittstelle zwischen visueller und Audiokultur.

Jedenfalls verschiebt diese multidisziplinäre Ballettproduktion an der Oper Leipzig die Grenzen von Kunst und Technologie. Aufgeführt vom Leipziger Ballett wird „Fusion“ vom 29. Mai bis 8. Juli. Regie und Komposition führt der Sprachkünstler und Musiker Harry Yeff (Reeps100): Ballett, mit generativer KI, vom Konzept über die Musik bis hin zum Bühnenbild.

Das Mysterium der Stimme

„Die menschliche Stimme ist ein Mysterium. Die Stimme entscheidet, ob ein Manuskript zur feurigen Rede wird oder zum drögen Genuschel. Unser Unterbewusstsein nimmt die Signale der Stimme viel direkter auf als den Inhalt der Worte. Die Stimme verrät uns, ob unser Gegenüber entspannt oder gestresst ist, traurig oder aggressiv. Dabei schafft Stimme Zuneigung oder Misstrauen“, beschreibt die Oper Leipzig selbst diesen Einstieg in ein ganz bestimmt neuartiges Balletterlebnis.

„Man sagt, der Klang sei ein Spiegelbild der Seele. Längst werden Stimmanalysen zur Diagnose von Krankheiten eingesetzt. Doch streng genommen gibt es ‚die Stimme‘ gar nicht, sie ist ein Zusammenspiel aus Muskeln, Atem, Kehlkopf und unterschiedlichen Resonanzräumen. Erst die Impulse des Menschen lassen das Zusammenspiel zur Stimme werden, geprägt wird sie von Erbanlagen, Hormonen, Umwelt und Kultur.“

Und das verbunden mit der Schönheit des Tanzes: „Tanz hingegen ist stumm. Nein! Denn hier sprechen die Körper. Sie reagieren auf die Musik, auf den Klang, auf den Rhythmus, die von außen die Impulse geben. Verraten sie uns dabei vielleicht sogar mehr, schenken dem Unsagbaren eine Stimme?“

Die Aufnahme zeigt Harry Yeff/Reeps 100 (Britischer Stimmkünstler und Solist von FUSION), Thilo Reinhardt (Freier Dramaturg FUSION), Mario Schröder (Direktor und Chefchoreograph Leipziger Ballett), Gadi Sassoon (Co-Komponist im Team von Harry Yeff). Foto: Andreas Schmidt
Harry Yeff/Reeps 100 (Britischer Stimmkünstler und Solist von FUSION), Thilo Reinhardt (Freier Dramaturg FUSION), Mario Schröder (Direktor und Chefchoreograf Leipziger Ballett), Gadi Sassoon (Co-Komponist im Team von Harry Yeff). Foto: Andreas Schmidt

Und so dürfte man ab dem 28. Mai im Leipziger Opernhaus etwas durchaus Überraschendes erleben.

Harry Yeff

Harry Yeff ist ein Sprachkünstler, ein Klangkünstler, ein Musiker, ein Forscher auf der Suche nach neuen Klängen, einer, der die Grenzen der Stimme in alle Richtungen auslotet. Er schenkt mit seiner Stimme die Impulse, welche die Körper der Tänzerinnen und Tänzer des Leipziger Balletts in Bewegung versetzen. Mehr als zwei Jahre haben Harry Yeff und Mario Schröder an der Entwicklung gearbeitet. Ein einzigartiges Experiment mit Körper und Stimme.

Harry Yeff hat die bemerkenswerte Musik für „Fusion“ in Zusammenarbeit mit dem Komponisten Gadi Sassoon und dem zeitgenössischen klassischen Komponisten Teddy Riley komponiert und inszeniert. Die Musik kombiniert zeitgenössische klassische Kompositionen, elektronische Musik und innovative Beatbox-Techniken und schafft so eine Symphonie, die die Grenzen der stimmlichen Fähigkeiten sprengt.

Yeff wird während des gesamten Ballett-Auftritts selbst live auftreten.

Das Thema von „Fusion“

Die von Mario Schröder choreografierte und durch das Bühnenbild von Paul Zoller visuell zum Leben erweckte Erzählung von „Fusion“ befasst sich mit der komplexen Dynamik der Gemeinschaft und des Gleichgewichts innerhalb der Menschheit, inspiriert von Platons Konzept des geteilten Selbst.

Die Einbeziehung von KI-Technologie, einschließlich generativer synthetischer Stimmen, verstärkt den visionären Ansatz des Balletts weiter und bietet einen Einblick in die Zukunft der Performancekunst.

Harry Yeff begreift sich als neurodivergenter Künstler und Technologe, dessen Karriere ihn von bescheidenen Anfängen als Bewohner einer Sozialsiedlung in East London zu einem renommierten Beatboxer und kreativen Kraft in der Welt der Kunst und Technologie geführt hat.

Yeff hat drei Künstleraufenthalte an der Harvard University absolviert, er nahm am Bell Labs-Programm teil und war der erste Künstler, der mit seinem Voice Gems-Projekt beim Weltwirtschaftsforum ausstellte. Yeff hat über tausend Stunden lang mit Stimme und KI trainiert. Eine Technologie, um eine fast posthumane und maschinenähnliche Kontrolle über seine Stimme zu erreichen.

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