Schreck in den frühen Nachmittagsstunden. Mit einem Großaufgebot stürmte die Polizei am Freitag das alternative Wohnprojekt "Stö". Drei Bewohner sollen eine Drogenküche betrieben und mit den illegalen Substanzen gehandelt haben. Alles ging blitzschnell. Um 16 Uhr rasten Einsatzfahrzeuge in den südlichen Teil der Stockartstraße. Behelmte Polizisten sperrten die "Stö", wie der Straßenzug mit seinen ehemals besetzten Häusern in der alternativen Szene genannt wird, komplett ab.

Ein gespenstisches Bild, das treffenderweise von leichtem Nieselregen untermalt wird. Uniformierte klettern mit Leitern auf das Dach eines Hauses, das Brummen eines Polizeihubschraubers durchbricht den Sound des Feierabendverkehrs. Nur Anwohner werden durchgelassen. Selbst auf dem 100 Meter entfernten Netto-Parkplatz steht eine Polizeikette.

Die Nachricht von der Razzia breitet sich im Kiez wie ein Lauffeuer aus. Schaulustige befürchten einen Schlag gegen die linke Szene. Ein Irrtum. “Die Kriminalpolizei führt ein Verfahren wegen Herstellens von und unerlaubten Handelns mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge”, erklärt Polizeisprecher Uwe Voigt. Die Beamten nehmen zwei Wohnungen in Haus Nr. 3 unter die Lupe. Das große Polizeiaufgebot diene der Eigensicherung. “Damit uns niemand etwas auf den Kopf schmeißt, während wir die Durchsuchungen durchführen”, so Voigt. “Die Lage im Haus ist aber ruhig.”
Noch während sich die ersten Schaulustigen sammeln, werden drei Verdächtige im Alter von 30 – 40 Jahren aus dem linken Wohnprojekt abgeführt. Ein Vierter wohnt in der Fichtestraße. Bei ihm standen die Beamten ebenfalls auf der Matte – natürlich ohne großen Bahnhof zu machen. Er befindet sich wie die übrigen Beschuldigten zur Stunde auf dem Revier. Welche Drogen die vier Männer gekocht haben sollen, ist noch unklar. Die Polizei möchte sich im Laufe des Abends zum Ergebnis der Razzia äußern.

Nach Angaben einer Rechtsanwältin, die die Beschuldigten vertritt, sollen die Ermittler schon in den vergangenen Tagen mehrere Wohnungen durchkämmt haben. Ein Zusammenhang mit der heutigen Großrazzia lässt sich derzeit zumindest nicht ausschließen.

Update 19:30 Uhr

Die Durchsuchungen in Connewitz dauerten länger als geplant. Erst gegen 18.45 Uhr begann die Polizei, sich schrittweise zurückzuziehen. Die Kulturlocations “Schuppen 16” und “Liwi” sind am heutigen Abend für Passanten wieder erreichbar. Zwischenzeitlich hatten sich rund 80 Schaulustige vor den Absperrungen versammelt, um sich mit den Betroffenen zu solidarisieren.

Aus benachbarten Wohnungen dröhnten derweil laute Protestsongs in die Stockartstraße.
“Die Kriminalpolizei der Polizeidirektion Leipzig führt seit mehreren Monaten ein umfangreiches Ermittlungsverfahren gegen vier Beschuldigte (m, 30 – 40 Jahre). Gegen sie wird ermittelt wegen des Verdachts des Herstellens, Handelns und Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.
Das Amtsgericht Leipzig ordnete aufgrund der vorliegenden Ermittlungsergebnisse mehrere Durchsuchungen von Wohnungen an, welche durch Einsatzkräfte der Polizeidirektion Leipzig im Zusammenwirken mit der Staatsanwaltschaft Leipzig am heutigen Tag, beginnend um 16:00 Uhr, realisiert wurden.

Im Fokus standen konkret fünf Wohnungen im Stadtgebiet Leipzigs, unter anderem in der Stockartstraße. Dort wurden zwei Tresore, ca. sechs kg Marihuana, 800 g Haschisch sowie Bargeld aufgefunden und beschlagnahmt. Weiterhin wurden mehrere Stich- und Schusswaffen festgestellt und ebenfalls beschlagnahmt. Bei den Schusswaffen muss in der weiteren Folge geprüft werden, ob es sich um Schreckschuss- oder scharfe Waffen handelt.

In einer Wohnung im Bereich Connewitz beschlagnahmten Beamte rund zwei kg Marihuana und in einer weiteren Wohnung (Bereich Reudnitz-Thonberg) geringe Mengen Kokain, Crystal und Marihuana.

In diesem Zusammenhang wurden vier Personen vorläufig festgenommen.

Aufgrund des Polizeieinsatzes kam es im Bereich der Stockartstraße und in der Bornaischen Straße zu zeitweisen Verkehrsbehinderungen.

Die Maßnahmen der Polizei standen nicht im Zusammenhang mit einer politisch-motivierten Straftat.”

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