Ein Leipziger, der am 17. Juli in der City für die Befreiung des Gaza-Streifens demonstriert hatte, ist am Montag vom Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung freigesprochen worden. Der 34-Jährige sollte eine gefüllte Wasserflasche in Richtung pro-israelischer Gegendemonstranten geworfen haben.

Etwa 250 Menschen gingen am 17. Juli auf die Straße, um ein Zeichen gegen Israels aggressive Palästina-Politik zu setzen. Im Anschluss an eine stationäre Kundgebung formierten einige Teilnehmer spontan eine Demo, die durch die Innenstadt zog. Am Neumarkt trafen die Palästina-Sympathisanten auf Gegendemonstranten, die mit Israel-Fahnen provoziert haben sollen. Bei der Auseinandersetzung flogen Wasserflaschen und Tabletts, die sich einige Teilnehmer flugs aus einem Schnellrestaurant besorgt hatten.

Stefan R. (34) hatte sich unter den Israel-Kritiker gemischt. Am Montag durfte der muskulöse Dachdecker auf der Anklagebank Platz nehmen. Er ist sich keiner Schuld bewusst. “Ne Flasche hab ich nicht geworfen”, gibt er zu Protokoll. Die Demo habe er mit Freunden besucht. Ja, er sei vor Ort gewesen und ja, einige der Menschen, die um ihn herum standen, hätten tatsächlich Flaschen geworfen.

Der Polizist Alexander P. (29) berichtet dem Gericht von einer hitzigen Atmosphäre. “Herr R. stand circa ein bis zwei Meter vor mir und hat mit einer Flasche geworfen.” Der Beamte erinnert sich auf Nachfrage jedoch nicht, wie groß diese gewesen sei. Er weiß auch nicht, ob das zum Wurfgeschoss umfunktionierte Behältnis gefüllt gewesen ist. Das Problem: Die Ordnungshüter haben den Flaschenwurf nicht auf Video festgehalten. Das einzige Foto in der Gerichtsakte, das Stefan R. als Teilnehmer der Demo zeigt, stammt aus einer Lokalzeitung.

Stefan R. dürfte für die Beamten leicht zu identifizieren gewesen sein. Der muskulöse Handwerker sieht schon von Weitem wie jemand aus, der in Fitnessclub und Sonnenstudio Premium-Mitgliedschaften besitzt. Auffällig sind seine großflächigen Tätowierungen, die den Beamten vor Ort gewiss aufgefallen sind. Und doch bleiben heute letzte Zweifel. “Der Zeuge hat hier zu den wesentlichen Vorwürfen keine Angaben machen können”, resümiert Verteidiger Gunter Müller die Vernehmung.

“Wir haben zwei Aussagen, die gegenüber stehen, aber beide plausibel sind”, bringt Amtsrichterin Heike Gunter-Gröne das Problem auf den Punkt. Die Staatsanwaltschaft sperrt sich gegen eine Einstellung wegen geringer Schuld ohne Erteilung einer saftigen Geldauflage. Die Rede ist von einer mittleren dreistelligen Summe. Also kommt, was kommen muss. Der Angeklagte wird “aus tatsächlichen Gründen” freigesprochen. Gunter-Gröne misst der Aussage des Polizeizeugen in diesem Fall keine erhöhte Glaubwürdigkeit bei, sondern entscheidet “in dubio pro reo” – im Zweifel für den Angeklagten. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Zum Artikel vom 18. Juli 2014 auf L-IZ.de

“Scheiß Juden”: Zwei Demonstrationen zum Nahostkonflikt in Leipzig

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