Der Abhörskandal in Leipzig und das nächste eingestellte Ermittlungsverfahren wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung gegen eine Fußballgruppierung bei Chemie Leipzig werden Thema im Verfassungs- und Rechtsausschuss im Landtag am 22. August. Denn der Landtagsabgeordnete Valentin Lippmann (Grüne) hält die Überwachung eines gesamten Phänomenbereichs bzw. eines Fußballumfelds ohne jegliche Anhaltspunkte für eine kriminelle Struktur für rechtsstaatswidrig.

Über die jüngste Anfrage von Lippmann haben wir ja berichtet. Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) konnte ihm nur bestätigen, dass auch dieses dritte Ermittlungsverfahren im Umfeld von Chemie Leipzig ausschließlich Straftaten aus dem gewalttätigen Fan-Milieu zur Grundlage hatte. Weit und breit war nicht die Spur einer kriminellen Organisation zu finden.

Und deshalb macht die Grünen-Landtagsfraktion den Abhörskandal in Leipzig und das nun eingestellte nächste Ermittlungsverfahren wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung gegen die Fußballgruppierung „Ultra Youth“ zum Thema in der nächsten Sitzung des Verfassungs- und Rechtsausschusses am Mittwoch, 22. August, im Sächsischen Landtag.

„Das ziellose Ausspähen hunderter betroffener Personen, Rechtsanwälte und Journalisten muss endlich aufhören“, fordert Valentin Lippmann, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion. „Die Generalstaatsanwaltschaft scheint auf Teufel komm raus eine linksextremistische kriminelle Vereinigung herbeikonstruieren zu wollen. Anders kann ich mir nicht erklären, warum dies bereits das dritte Verfahren seit dem Jahr 2010 ist, was eingeleitet und nach massenhafter Überwachung von Personen und deren Telekommunikation eingestellt wird. Erneut konnte sich der Tatnachweis für die kriminelle Vereinigung nicht führen lassen.“

Nach dem Ermittlungsverfahren gegen die sogenannte Antifa-Sportgruppe, das im Jahr 2010 eingeleitet und 2014 eingestellt wurde, wurde im Jahr 2012 ein weiteres Verfahren in der (linken) Fußballfanszene und 2015 ein drittes um die Fangruppierung „Ultra Youth“ eingeleitet. Sie wurden jeweils 2016 bzw. 2018 erfolglos eingestellt. Einer der Beschuldigten der Ermittlungen im ersten Verfahren war auch Beschuldigter im dritten Verfahren und wurde damit über acht Jahre überwacht. Dies geht aus der Antwort des Justizministers auf die jüngste Kleine Anfrage des Abgeordneten Lippmann hervor.

„Ich halte die Überwachung eines gesamten Phänomenbereichs bzw. eines Fußballumfelds ohne jegliche Anhaltspunkte für eine kriminelle Struktur − insbesondere mit Blick auf die hohe Anzahl von Überwachungsmaßnahmen betroffener Personen − für rechtsstaatswidrig“, erklärt der Abgeordnete. „Justizminister Sebastian Gemkow muss sich fragen lassen, welche Konsequenzen er aus diesen Ermittlungen ziehen und wie er sächsische Bürgerinnen und Bürger künftig vor solchen Überwachungsmaßnahmen und überschießenden Ermittlungseifer von Staatsanwaltschaften bewahren wird. Die Lernfähigkeit der Ermittlungsbehörden aus vorherigen Fehlschlägen scheint nicht gegeben zu sein.“

Und anders als bisher verlautbart, waren auch im dritten Überwachungsverfahren wieder Personen betroffen, die auch schon im zweiten Verfahren überwacht wurden.

„Auch das dritte Verfahren und der nunmehr bekannt gewordene Umfang der Strukturermittlungen im Bereich der Fußballszene/linken Szene seit dem Jahr 2015 stellt sich nach der Einstellung der Verfahren als unglaublicher Ermittlungsexzess dar“, kritisiert Lippmann.

„Gegen 24 Personen, von denen bereits vier Beschuldigte im zweiten Ermittlungsverfahren im Umfeld des BSG Chemie waren, wurde wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt. Dabei wurden die Telefone von weiteren zehn Beschuldigten abgehört und in diesem Rahmen zu 484 Telekommunikationsanschlüssen Bestandsdaten, also die Inhaber der Anschlüsse, ermittelt. Insgesamt wurden 53.210 Telekommunikationsereignisse gespeichert. Von den Abhörmaßnahmen waren auch wieder mehrere hunderte Drittbetroffene und vier Berufsgeheimnisträger (Rechtsanwälte und Verteidiger) betroffen.“

Bereits im Jahr 2016 hatte die Grüne Fraktion einen Antrag zum Abhörskandal in Leipzig eingereicht und im Landtag diskutiert. Bereits damals wurde bekannt, dass ein weiteres Ermittlungsverfahren läuft, zu dem jedoch keine Auskünfte erteilt werden konnten. Es handelt sich sichtlich um das nun ebenso erfolglos eingestellte Verfahren. Ob das Ausspähen freilich so ziellos war, wie Lippmann vermutet, darf man nach der Antwort des Justizministers durchaus bezweifeln, denn augenscheinlich werden die Daten gegen einige der Beschuldigten weiter verwendet und nicht gelöscht wie bei den Mit-Betroffenen der Abhör-Aktion.

Was brachte die Ermittler eigentlich dazu, eine kriminelle Vereinigung zu suchen?

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