Drei Männer befinden sich aktuell in Untersuchungshaft, weil sie sich an den Ausschreitungen in der Silvesternacht in Connewitz beteiligt haben sollen. Der Rechtsanwalt eines Betroffenen bewertet die U-Haft für seinen Mandanten als rechtswidrig. Der zuständige Ermittlungsrichter sei befangen gewesen; es fehle zudem ein wichtiges Dokument. Außerdem beruhe der Tatverdacht lediglich auf den Aussagen zweier Polizisten – doch diese seien nicht besonders vertrauenswürdig.

Seit den Ausschreitungen in der Silvesternacht in Connewitz sitzen drei etwa 30-jährige Männer in Untersuchungshaft. Sie sollen unter anderem an Körperverletzungen und Angriffen auf Beamte beteiligt gewesen sein. Eine vierte Person, die sich seit Neujahr in Untersuchungshaft befand, wurde in der vergangenen Woche zu einer Bewährungsstrafe von sechs Monaten verurteilt.

Zudem laufen Ermittlungsverfahren gegen weitere Personen, unter anderem wegen Landfriedensbruchs und versuchten Mordes.

Rechtsanwalt Daniel Werner vertritt einen der drei Beschuldigten, die sich momentan in Untersuchungshaft befinden: „Ich bin der Ansicht, dass die U-Haft, die gerade gegen meinen Mandanten vollstreckt wird, aus formellen Gründen rechtswidrig ist und er deshalb sofort freizulassen ist.“

Konkret wirft Werner den Ermittlungsbehörden beziehungsweise dem zuständigen Richter am Amtsgericht vor, zu spät über die Untersuchungshaft entschieden und anschließend ein notwendiges Protokoll verloren zu haben. Zudem sei der Ermittlungsrichter befangen gewesen.

Erst bewusstlos, dann im Krankenhaus

Laut Werner befand sich sein Mandant in der Silvesternacht gegen 1 Uhr am Connewitzer Kreuz. Dort habe dieser „aufgrund der Polizeimaßnahme vorübergehend das Bewusstsein verloren“. Bis zum späten Nachmittag beziehungsweise frühen Abend sei er deshalb im Krankenhaus gewesen. Die richterliche Vorführung erfolgte laut Werner erst am 2. Januar gegen 17 Uhr, also circa 40 Stunden nach der Festnahme. „Das ist ein Verstoß gegen das Unverzüglichkeitsgebot.“

Werner argumentiert, dass laut Gesetz spätestens mit Ablauf des Tages, der auf die Festnahme folgt, ein Richter über die Untersuchungshaft entscheiden müsse. Dies sei jedoch eine „Höchstfrist“, für die es sachliche Gründe geben müsse. Es sei für ihn nicht nachvollziehbar, warum die richterliche Vorführung nicht noch am 1. Januar erfolgte. „Die Freiheit ist eines der höchsten Güter.“ Bei den Gerichten gibt es unter anderem für solche Fälle einen Bereitschaftsdienst – auch an Neujahr.

Die Staatsanwaltschaft Leipzig hat sich auf Anfrage bislang nicht zu dem Fall geäußert. Die taz, die ebenfalls darüber berichtet, zitiert einen Sprecher der Behörde. Dieser erklärte demnach, dass eine frühere Vorführung wegen „notwendiger Ermittlungen“ nicht möglich gewesen sei und man in „Übereinstimmung mit den einschlägigen strafprozessualen Vorschriften“ vorgegangen sei.

Wo ist das Protokoll?

Werner richtet seine Vorwürfe aber auch an die Adresse des Amtsgerichts. Dort sei das originale, also von den Beteiligten unterschriebene Sitzungsprotokoll der richterlichen Vorführung nicht mehr vorhanden. Ein solches Protokoll ist zwingend vorgeschrieben.

Stefan Blaschke, Pressesprecher am Amtsgericht, erklärt den Sachverhalt auf L-IZ-Anfrage so: Die Protokollantin habe Werner und dem Beschuldigten das Dokument vorgelegt. Nachdem beide den Raum verlassen hatten, sei das Protokoll verschwunden gewesen. Man habe es neu ausgedruckt und mit dem Hinweis ergänzt, dass unklar sei, ob Anwalt und Mandant unterschrieben haben. Richter und Protokollantin hätten das Dokument dann unterschrieben. Erst dadurch sei es zum Original geworden.

Noch schwerwiegender ist möglicherweise der Vorwurf, dass der anwesende Richter befangen gewesen sei. Werner behauptet, dass dieser den Tatverdacht während der Vorführung immer wieder als feststehenden Sachverhalt dargestellt habe.

Als Werner darauf hingewiesen habe, dass sein Mandant durch die Untersuchungshaft seinen Ausbildungsplatz verlieren könnte, soll der Richter geantwortet haben, dass nicht sein Beschluss die Lebensplanung des Mandanten zerstöre, sondern der Angriff auf Polizisten. Pressesprecher Blaschke sagt, dass er sich zu diesen Vorwürfen nicht äußern könne, da er selbst nicht dabei gewesen sei.

Angeblich keine Fluchtgefahr

Es sei falsch, dass Untersuchungshaft für seinen Mandanten angeordnet wurde, sagt Werner. Dieser befinde sich nicht nur in Ausbildung, sondern sei zudem chronisch krank. Die angeblich als Haftgrund genannte Fluchtgefahr bestehe also nicht.

Werner hat noch am 2. Januar einen Befangenheitsantrag gegen den Richter gestellt. Über diesen wurde bislang noch nicht entschieden. Sollte der Antrag erst nach der Entscheidung des Richters zur U-Haft erfolgt sein, wäre er laut Blaschke sowieso unzulässig. „Wenn es so sein sollte, dann wäre es ja ein Leichtes gewesen, den Befangenheitsantrag schnell abzulehnen“, entgegnet Werner.

Der Rechtsanwalt kritisiert die Untersuchungshaft auch deswegen, weil der Tatverdacht bislang lediglich auf den Aussagen zweier Polizisten beruhe. Diese seien jedoch selbst verdächtig, seinen Mandanten verletzt zu haben. „In dieser Konstellation muss davon ausgegangen werden, dass ein Sonderinteresse an der Verurteilung meines Mandanten besteht“, so Werner.

Zudem habe die Leipziger Polizei im Zusammenhang mit dem Geschehen an Silvester mehrmals die Unwahrheit gesagt, zum Beispiel in Bezug auf einen brennenden Einkaufswagen und eine angebliche Notoperation. „Unter anderem vor diesem Hintergrund kann Polizisten kein Vertrauensvorschuss eingeräumt werden.“

Für den 23. Januar ist ein Haftprüfungstermin vorgesehen. Dann muss der zuständige Ermittlungsrichter entscheiden, ob die Untersuchungshaft bestehen bleibt.

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