Noch vor der Haftentlassung reifte die Idee, durch ein Rauschmittel-Business mit dem als „Kinderzimmer-Dealer“ berühmten Maximilian S. (28) schnell reich zu werden – so sagte es der 36-jährige Friedemann G. am Donnerstag vor dem Landgericht aus. Der Autohändler bestätigte damit weitgehend das Geständnis seines Mitangeklagten aus der vergangenen Woche. Doch weiterhin bleiben Fragen ungeklärt.

Was brachte Maximilian S. dazu, sich noch vor seiner Haftentlassung erneut auf die Beteiligung an einem Drogenshop einzulassen? Am Donnerstag sagte dazu sein mutmaßlicher Komplize Friedemann G. vor  aus, der sich gemeinsam mit Maximilian S. und drei weiteren Männern seit Januar vor dem Landgericht zu verantworten hat. Mit Spannung wurde erwartet, wie der Autoverkäufer auf das Geständnis von Maximilian S. aus der vergangenen Woche reagieren würde.

Dabei hatte der 28-Jährige eingeräumt, ab 2019 beim Aufbau einer Online-Drogenplattform namens „Candylove“ mitgewirkt zu haben – als Initiator benannte er aber Friedemann G., während er allein für Programmierung und technische Fragen rund um den Shop zuständig gewesen sein will.

Aus Gesprächen wurde eine Geschäftsbeziehung

„Die Angaben sind im Kern zutreffend“, ließ Friedemann G. seine Verteidigerin Dr. Ines Kilian am Donnerstag vortragen. Im Herbst 2018 traf er als Häftling demnach in der Küche des offenen Vollzugs erstmalig auf den Mitgefangenen Maximilian S., der ihm wohl erst einmal eher unsympathisch war: „Ich kann mich erinnern, dass er mir gegenüber ziemlich überheblich auftrat.“ Er habe sich mit Taxi chauffieren lassen, Bio-Lebensmittel konsumiert und Markenkleidung getragen.

Wer der junge Mann war, darüber bestanden keinerlei Zweifel: Das Gesicht des sogenannten „Kinderzimmer-Dealers“, der bis zu seiner Verhaftung Ende Februar 2015 mit Drogen über vier Millionen Euro Umsatz gemacht haben soll, war auch hinter Gittern offenbar wohlbekannt.

Aber da Maximilian S. trotz fehlender Fahrerlaubnis Interesse an einem hochpreisigen Fahrzeug geäußert habe und er als Autohändler das Geschäft genau kannte, sei man irgendwie ins Gespräch gekommen, so der 36-jährige Friedemann G. weiter. Nächtelang habe man gequatscht, über Frauen, Ernährung und Sport, bis sich eine freundschaftliche Beziehung der jungen Männer entwickelte.

Auch über die Straftaten, die in den Knast geführt hatten, sei geredet worden – obwohl sich Maximilian S. dazu erst eher zugeknöpft gab. Friedemann G. jedoch ließ die Idee offenbar nicht mehr los, durch Drogen an viel Geld zu gelangen, auch wenn es ihm als Autoverkäufer eigentlich nicht schlecht gegangen sei. „Ich war hin- und hergerissen, wollte auch auf keinen Fall wieder in den geschlossenen Strafvollzug.“ Letztlich habe nicht zuletzt die mediale Berichterstattung den Ausschlag gegeben, die Maximilian S. geradezu sagenhafte Reichtümer zuschrieb.

Rauschgift-Startup begann 2019

Mit der Maßgabe, sich nur um Technik und Programmierarbeit zu kümmern, sei Maximilian schließlich mit ins Geschäft eingestiegen. Er selbst habe ihm seine Vorstellungen über angebotene Rauschmittel und deren Preise übermittelt, sagte Friedemann G. weiter, ihm habe das technische Knowhow für eine solche Plattform dagegen völlig gefehlt. Und Maximilian? Er sei beinahe krankhaft darauf bedacht gewesen, mit niemandem außer Friedemann G. selbst Kontakt zu haben, als der Drogenverkauf über die Seite „Candylove“ etwa Ende April 2019 losging.

Die Bestellungen seien meistens eher kleine gewesen. Laut Staatsanwaltschaft hatte der Shop Amphetamin, Metamphetamine, Haschisch, MDMA, Ecstasy, Kokain, LSD, Marihuana und Arzneimittel im Angebot. Für die Abwicklung der Order per Laptop waren die Mitangeklagten Julius M. (24) und Jens M. (40) verantwortlich, die dafür 1.500 Euro Monatslohn plus Mietübernahme durch Friedemann G. bekamen. Portioniert, verpackt und versendet wurde von eigens angemieteten Wohnungen aus. Die zwei in der Hierarchie untergeordneten Helfer hätten keinerlei Einfluss auf die Geschäfte selbst gehabt, so Friedemann G.: „Die beiden sollten so wenig wie möglich wissen.“

Alles kam ganz anders

Es sollte wohl anders kommen als erhofft: Schon im Lauf des Jahres 2019 häuften sich die Probleme. Mehrfach mussten die „Geschäftsräume“ verlegt werden, zunächst aus dem „Basecamp“ in der Prager Straße, wo häufiger Feueralarm störte, hin zu anderen Wohnungen in der Langen Reihe, der Franz-Flemming-Straße und der Engertstraße. Auch hier gab es offenbar öfter Stress mit Vermietern, hinzu kam, dass die Bestellungshelfer Julius M. und Jens M. im August 2019 ganz aussteigen wollten, angeblich wegen schlechter Bezahlung.

Als er widerwillig auch seine Privatwohnung in der Südvorstadt als „Dienstsitz“ nutzte und dort häufig mit Maximilian S. abhing, kam es zu Spannungen mit der Freundin von Friedemann G., zumal der Kühlschrank des Haushalts häufig geplündert worden sei. Irgendwann war das Chaos perfekt: „Es lief alles nicht so, wie ich mir das gedacht hatte.“

Regelmäßig habe er auch Kontakte zu seinem langjährigen Anwalt und Arbeitgeber André R. (43) unterhalten, der über seine GmbH bei der Suche nach Wohnungen behilflich gewesen sei, sogar gemeinsame Immobiliengeschäfte gemeinsam mit Maximilian seien zumindest Gesprächsthema gewesen. André R. sitzt als fünfter Mann derzeit mit auf der Anklagebank, weil er laut Staatsanwaltschaft die mutmaßliche Drogenbande bei Rechtsfragen unterstützt haben soll. Er hatte die Vorwürfe durch seinen Verteidiger zurückweisen lassen.

„Ich hatte Angst, verhaftet zu werden“

Mit Beginn des Jahres 2020 habe er den Eindruck gehabt, dass er observiert und fotografiert werde, sagte Friedemann G. weiter aus. „Ich hatte Angst, gleich verhaftet zu werden.“ In der Tat hatten die Behörden die Plattform seit 2019 durch einen Insider-Tipp auf ihrem Radar.

Auf die Nachfrage, wer seine Lieferanten waren, zog der Autohändler dann allerdings doch lieber das Schweigen vor. Und die Aufteilung des Gewinns von insgesamt 164.130 Euro Kryptogeld sei ihm nicht mehr erinnerlich, so Friedemann G., welcher derzeit in Berlin in anderer Sache eine Haftstrafe bis 2027 absitzen muss. Maximilian S. hatte den Profit nach eigener Aussage im Januar 2020 eingelöst, zu dieser Zeit habe er sich auch aus dem Geschäft zurückgezogen.

Fest steht für Friedemann G. nur: Maximilian S., mit dem er kooperierte, habe in seinem Geständnis von letzter Woche „etwas übertrieben, was seine persönlichen Ängste mir gegenüber betrifft.“ Der Endzwanziger, den die Anklage für den Bandenkopf hält, hatte Friedemann G. in seiner Aussage als kumpelhaften Typ dargestellt, der sich aber auch immer wieder gönnerhaft bis geringschätzig über ihn geäußert habe.

Der Prozess wird fortgesetzt, mit einem Urteil derzeit Ende Juni gerechnet.

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