Das Bundesverwaltungsgericht (BVG) in Leipzig hat die Vorratsdatenspeicherung für rechtswidrig erklärt. Dies geht aus einer am Donnerstag bekannt gemachten Entscheidung hervor. Die Richter schlossen sich mit dem Urteil der Einschätzung des Europäischen Gerichtshofes an. Damit wurde den Klagen zweier Telekommunikations-Unternehmen stattgegeben.

Eine anlasslose und komplette Vorratsdatenspeicherung verstößt gegen das Europarecht und darf nicht angewandt werden. Mit dieser am Donnerstag, dem 7. September 2023 mitgeteilten (und aufgrund der Vorgeschichte wenig überraschenden) Entscheidung des BVG in Leipzig schlossen sich die Richter der Argumentation des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) in Luxemburg an.

Grundsatzentscheidung aus Luxemburg: pauschale Speicherung ist illegal

Dieser hatte bereits vor fast genau einem Jahr eine Grundsatzentscheidung vorgelegt, wonach die deutsche Regelung im Telekommunikationsgesetz rechtswidrig sei.

Telefonverbindungs- und Standortdaten dürften demnach nicht ohne konkreten Verdacht durch Telekommunikationsanbieter gespeichert werden: „Unter Berücksichtigung der Entscheidung des EuGH ist das Bundesverwaltungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Regelung im Telekommunikationsgesetz eine anlasslose, flächendeckende und personell, zeitlich und geografisch undifferenzierte Vorratsspeicherung eines Großteils der Verkehrs- und Standortdaten vorschreibt. Diese genügt schon deshalb nicht den unionsrechtlichen Anforderungen, weil keine objektiven Kriterien bestimmt werden, die einen Zusammenhang zwischen den zu speichernden Daten und dem verfolgten Ziel herstellen“, heißt es in einer Mitteilung des BVG.

Im Bereich der Telekommunikation und der Telefondienste fehle es im deutschen Gesetz an einer Begrenzung der Speicherung auf den Schutz der nationalen Sicherheit, monierten die Richter. Auch wenn es um das Internet und die Bereitstellung von IP-Adressen ginge, sei eine Datenspeicherung zwar erlaubt, sofern schwere Kriminalität und Sicherheitsgefährdungen verhütet werden sollten. Doch auch hier nehme der Gesetzgeber in Deutschland keine klare Eingrenzung vor.

Regelung seit 2017 in Deutschland ausgesetzt

De facto war die aus 2015 stammende Gesetzesregelung der damaligen Großen Koalition allerdings schon ab 2017 in Deutschland wegen juristischer Bedenken durch die Bundesnetzagentur ausgesetzt worden. Das BVG in Leipzig hatte, da Europarecht betroffen war, ein Verfahren beim EuGH in Gang gebracht, dessen Vorgaben vom September 2022 jetzt entsprechend auf Bundesebene umgesetzt worden sind. Ursprünglich gegen das Gesetz geklagt hatten die Unternehmen Deutsche Telekom und Spacenet. Sie argumentierten, dass sie nicht zu einer Speicherung der Daten ihrer Kunden auf Vorrat verpflichtet seien.

Politischer Streit ist weiter unentschieden

Nun schloss sich nach jahrelangem Streit auch das BVG dieser Einschätzung an: Eine pauschale Speicherung von Daten der Telekommunikation ist demnach illegal. Besonders freuen dürfte es Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP), der sich strikt gegen die Regelung gestellt hatte. Anders als seine Kabinettskollegin Nancy Faeser: Die SPD-Innenministerin pocht weiter auf Möglichkeiten zur Vorratsdatenspeicherung, um Straftaten aufzuklären.

Als Alternative gilt das sogenannte „Quick Freeze“ – Verfahren: Beim Verdacht auf schwere Kriminalität könnten Daten auf Anordnung anlassbezogen „eingefroren“ und im etwaigen Strafverfahren später genutzt werden. Bisher ist bei diesem Konflikt aber noch kein Kompromiss beider Ministerien in Sicht. Nicht ausgeschlossen also, dass der politische Streit auch nach der rechtlichen Entscheidung weitergehen wird.

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