Die Akte zu einem brutalen Mord unweit vom Leipziger Hauptbahnhof wird noch nicht geschlossen: Wie das Landgericht mitteilte, hat der Verteidiger eines zu lebenslanger Haft mit Sicherungsverwahrung verurteilten Ukrainers gegen die Entscheidung vom Montag Rechtsmittel eingelegt. Nun ist der Bundesgerichtshof (BGH) am Zug, über das Urteil zu befinden.
Dieser brutale Fall erschüttere auch ihn trotz langjähriger Berufserfahrung im Umgang mit Tötungsdelikten, hatte der Vorsitzende Richter Hans Jagenlauf am Ende zum Angeklagten gesagt: Nachdem die 1. Strafkammer unter seinem Vorsitz Oleksandre T. am Montag unter anderem wegen Mordes lebenslang hinter Gitter geschickt und dazu Sicherungsverwahrung angeordnet hatte, fechtet der Verteidiger des 25-Jährigen die Entscheidung an. Dies teilte das Landgericht am Freitag auf LZ-Anfrage mit.
Schnarcherei als Auslöser eines kaltblütigen Mordes
Für das Schwurgericht stand nach der Beweisaufnahme fest, dass der Angeklagte, ein vorbestrafter Ukrainer mit Fluchtgeschichte, am Vormittag des 23. April 2024 den 43-jährigen Maxim S. schwer malträtiert, gefesselt und schließlich mit einem Kabel erwürgt hatte. Ort des grausamen Geschehens war ein ausrangierter Container an der Sachsenseite des Hauptbahnhofs. Der Verurteilte und das Opfer gehörten zum Obdachlosen- und Drogenmilieu, nutzten den Container gemeinsam mit anderen als provisorischen Schlafort.
Laut Anklage soll der Getötete nur Stunden vor der Tat einen Landsmann des Angeklagten wegen störender Schnarcherei gebeten haben, das Nachtlager zu verlassen, was dieser tat. Den nichtigen Vorfall habe Oleksandre T. als Anlass zur Auslebung seiner Aggressionen genutzt und andere Mitglieder der Obdachlosengruppe unter Todesdrohungen weggeschickt, um unliebsame Beobachter zu vermeiden, hieß es seitens der Staatsanwaltschaft.
Deren Argumentation, die sich vor allem auf ein psychiatrisches Gutachten, Zeugen und DNA-Spuren stützte, war die Strafkammer gefolgt. Da Oleksandre T. als gefährlich für die Allgemeinheit eingestuft wurde, soll er auch nach dem Absitzen der lebenslangen Haft in Sicherungsverwahrung bleiben, um die Gesellschaft zu schützen. Einer der Zeugen hatte den 25-Jährigen im Prozess gar als Sadisten bezeichnet, der es liebe, Menschen zu misshandeln.
Verteidigung bezweifelt Zurechnungsfähigkeit des Verurteilten
Die Verteidigung hatte kein konkretes Strafmaß gefordert. Allerdings wies Rechtsanwalt Jens Farag, der die Täterschaft von Oleksandre T. an sich nicht bestritt, auf die problematische Biografie und den schwierigen Hintergrund seines Mandanten hin. Ein erhebliches Mitverschulden sah der Pflichtverteidiger zudem bei der JVA, die Oleksandre T. erst vier Tage vor dem Verbrechen entließ, wobei der 25-Jährige unvorbereitet und mittellos fortgeschickt worden sei.
Ohne die Behördenversäumnisse könne das Opfer noch leben, so Farag. Im Gegensatz zu Anklage und Gericht erkannte er keinen Nachweis, dass Oleksandre T. zum Zeitpunkt des Verbrechens trotz Drogen- und Alkoholkonsums überhaupt zurechnungsfähig war. Mit seinen Anträgen, ein neues Gutachten einzuholen und weitere Zeugen zu befragen, war der Anwalt am letzten Prozesstag abgeblitzt. Das vorliegende Gutachten des forensischen Psychiaters Dr. Matthias Lammel, der bei großen Strafprozessen in Leipzig regelmäßig seine Befunde beisteuert, griff er wiederholt als mangelhaft an.
Mit der bereits am Dienstag eingegangenen Revision muss der BGH das Urteil nun auf mögliche Rechtsfehler prüfen. Sollten gravierende Mängel festgestellt werden, würde ein neuer Prozess vor einer anderen Strafkammer in Leipzig angeordnet. Mit einer Entscheidung dürfte frühestens in einigen Monaten zu rechnen sein.
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