Der Staat möchte das Compact-Magazin des Publizisten Jürgen Elsässer wegen rechtsextremer Inhalte verbieten, der wehrte sich erfolgreich per Eilverfahren. Nun wird am Leipziger Bundesverwaltungsgericht in der Hauptsache verhandelt. Es geht in diesem Prozess um viel, nicht zuletzt um die Frage der Grenzziehung in einem liberalen Rechtsstaat und was dieser noch aushalten muss. Das Urteil soll am 24. Juni fallen.
Seine Zielgruppe sei das Volk: So rief es Jürgen Elsässer schon Anfang 2015. Damals sprach er, von der Menge bejubelt, auf Demos von Legida, dem Leipziger Ableger der rechten Pegida-Bewegung. Der Begriff des Volkes spielte auch mehr als zehn Jahre später eine große Rolle, im großen, holzvertäfelten Saal des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig.
Wenn er scheitert, dann ist Compact tot
Jürgen Elsässer, 68, war mit Ehefrau Stephanie persönlich angereist: Es ist ein Kampf gegen das drohende Verbot des von ihm verantworteten Magazins Compact, das seit 2010 erscheint, zuletzt mit einer Auflage von etwa 40.000. Der politisch früher im linken Spektrum aktive Elsässer weiß genau: Wenn er scheitert, sei „Compact tot“, wie er sagt.
Im Juli 2024 hatte die damalige Bundesinnenministerin Nancy Faeser die Monatszeitschrift und deren Online-Präsenz verboten. Die Beiträge dort hetzten gegen Migranten, gerade Muslime, verbreiteten Antisemitismus, Geschichtsrevisionismus und Verschwörungsnarrative.
Vier Wochen später wurde das Verbot als unverhältnismäßig einkassiert, die Redaktion konnte vorerst weitermachen. Nun läuft das Hauptsacheverfahren, bei dem die Compact GmbH gegen das Verbot durch das Bundesministerium des Innern (BMI) geklagt hat. Dienstag wurde die Beweisaufnahme abgeschlossen.
Elsässers Anwälte sehen keine Verfassungsfeindlichkeit
Zuvor hatte das BMI dem 6. Senat über mehrere Stunden unter anderem verschiedene Textpassagen des Compact-Magazins vorgelegt, die dessen Verfassungsfeindlichkeit untermauern sollten. Es ging um die Einwanderungspolitik der Regierung, die Rolle von Migranten und speziell Muslimen, verschiedene Ethnien und die Frage, was „Deutschsein“ eigentlich bedeutet. Für die anwaltlichen Vertreter des BMI gab es genug Belege einer verfassungsfeindlichen Agenda von Elsässers Magazin.
So behandelte einer der angeführten Texte gar die Rolle früher Hochkulturen und deren angebliche Förderung durch Weiße, was mithin eine Überlegenheit suggeriere. Elsässer-Anwalt Ulrich Vosgerau gab hier zu, dass der Beitrag inhaltlicher Quatsch sei. Aber: „Man könnte auch Texte von Erich von Däniken hier einführen. Es ist nicht verboten, unsinnige Spekulation über die Frühgeschichte zu verbreiten“, so der als AfD-nah geltende Jurist.
Auch bei anderen Texten sahen er und sein Anwaltskollege, der AfD-Politiker Laurens Nothdurft, kein verfassungsrechtliches Problem. Auf den mehr als 240 Seiten, die das BMI gegen Compact zusammentrug, gäbe es harte Kritik gegen die Politik, es komme Angst vor ungebremster Zuwanderung und deren Folgen zum Ausdruck, wie etwa fehlender Integration und Konflikte auf den Straßen. Problematisch sei das alles nicht und würde schon gar kein Verbot rechtfertigen.
Dazu wurden von den Elsässer-Anwälten Zitate vorgelegt, die eine Distanzierung von Rassismus und Nationalsozialismus untermauern sollten.
Verhältnis zu Martin Sellner: „Rudi Dutschke von rechts“
Elsässer-Ehefrau Stephanie, die ebenfalls als Autorin des Magazins auftrat, verwahrte sich gegen eine migrantenfeindliche Position, die ihr von BMI-Anwalt Wolfgang Roth unterstellt werde, beklagte die Auswertung der Gegenseite als einseitig: „Ich habe mich mehrfach migrantenfreundlich geäußert“, sagte sie. Eine zentrale Frage im Verfahren ist das Verhältnis des Magazins zum Rechtsextremen Martin Sellner und dessen Ideologie.
Der heute 36 Jahre alte Österreicher war bis 2023 Sprecher der „Identitären Bewegung“ seines Landes, wird mit völkischem Denken, Antisemitismus und Rassismus in Verbindung gebracht. Zudem tat sich der Aktivist durch Fantasien zur „Remigration“ hervor, denen zufolge Menschen millionenfach auch mit Zwang außer Landes gebracht werden sollten. Vorstellungen, wie sie auch Jürgen Elsässer befürwortet? Immerhin bot der 68-Jährige dem Österreicher in seinem Magazin Platz für eine Kolumne, auch in Videoformaten von Compact soll Sellner laut BMI aufgetreten sein.
Er schätze Sellner, so Elsässer in seiner Gegenrede, weil er auch ein jüngeres Lesepublikum anzieht: „Ich schätze ihn als Mensch, als Charakter, ich halte ihn für menschlich, für unbestechlich. Ich habe mal gesagt, er ist der Rudi Dutschke von rechts.“
Elsässers distanzieren sich teilweise von Sellner
Seine Ideen einer sogenannten Remigration teile er in dieser Form aber nicht, gleichwohl habe er dem jungen Mann im Sinne des Autoren-Pluralismus Raum für Textbeiträge geboten. Dagegen will er ihn aus der Videoproduktion herausgehalten haben, so Elsässer, im reichweitenstarken Compact TV auf YouTube habe er keinen Platz gehabt: „Wir haben dann keine Kontrolle mehr, wenn Blödsinn gesagt wird.“
Schon während der Corona-Jahre habe es interne Kontroversen mit Sellner gegeben, weil dessen Fixierung auf die Migrations-Thematik zu wenig hergebe. Sellner wisse, dass er sich bei Compact nicht zu weit aus dem Fenster lehnen dürfe, ergänzte Stephanie Elsässer die Ausführungen ihres Mannes.
Urteil am 24. Juni geplant
Nach einem weiteren, langen Verhandlungstag konnte die Beweisaufnahme am Dienstag beendet werden. Die Vertretung des BMI sprach sich dafür aus, die Klage abzuweisen und das Magazin zu verbieten. Es lägen hinlängliche Nachweise für dessen aggressiv-kämpferischen Habitus und herabwürdigendes, rassistisch-ethnisches Volksdenken vor, das Menschen diskriminiere und ausschließe. Letztlich würde die Verfassung unterminiert.
Die Gegenseite sah wiederum keine Möglichkeit, das Magazin nach dem Vereinsrecht zu verbieten, es gäbe überhaupt keinen Beweis für einen angestrebten Sturz der verfassungsmäßigen Ordnung. Ein weiterer Verhandlungstag wurde jetzt abgesagt und eine Entscheidung des 6. Senats für den 24. Juni angekündigt.
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