Die Bundesanwaltschaft hat sechs weitere Personen angeklagt, die sich an schweren Angriffen auf mutmaßliche Neonazis beteiligt haben sollen. Die Beschuldigten seien Mitglieder der erweiterten Gruppe, zu der auch die bereits verurteilte Lina E. gehören soll. In der Anklage geht es unter anderem um versuchten Mord. Die „Rote Hilfe“ kritisiert Mordvorwurf und Verhandlungsort.
Schwerpunkt der Anklage ist der sogenannte Budapest-Komplex. Im Februar 2023 wurden in der ungarischen Hauptstadt an mehreren Tagen mutmaßliche Neonazis angegriffen und schwer verletzt. Alle sechs Angeklagten sollen sich an diesen Angriffen beteiligt haben.
Laut Bundesanwaltschaft folgten die Taten, die in unterschiedlicher Zusammensetzung stattgefunden haben sollen, stets einem ähnlichen Muster: Personen wurden ausgespäht und dann an öffentlichen Orten mit Pfefferspray sowie Schlägen und Tritten angegriffen. Dabei kamen auch Schlagstock und Hammer zum Einsatz.
Einen besonders brutalen Angriff beschreibt die Bundesanwaltschaft so: „Die Täter sprühten den Opfern eine unbekannte Substanz ins Gesicht und schlugen wiederholt auf sie ein. Ein Geschädigter wurde mit einem Schlag gegen den Kopf zu Boden gebracht. Auch als er bewusstlos auf dem Gehsteig lag, erhielt er weitere Schläge mit einem Schlagwerkzeug auf den Kopf und den gesamten Körper.“
Weitere Angriffe in Erfurt
Die Behörde wirft einer der sechs Angeklagten – vier Frauen und zwei Männer – außerdem zwei Gewalttaten in Erfurt vor. Im April 2022 soll Emilie D. die Verkäuferin eines Thor-Steinar-Ladens und im Januar 2023 zwei weitere Personen zusammengeschlagen haben. An den Aktionen waren jeweils mehrere Personen beteiligt.
Auf Nachfrage teilte die Bundesanwaltschaft mit, dass sich die Mordanklage gegen alle Beschuldigten richtet und sich sowohl auf mehrere Taten in Budapest als auch den Vorfall in Erfurt im Januar 2023 bezieht. Dort sollen die Angreifer*innen „wuchtig“ mit Fäusten, Schlagstöcken und einem Hammer auf die Köpfe geschlagen haben. Die Verletzungen waren lebensgefährlich.
Der Verein „Rote Hilfe“, der linke Aktivist*innen in Strafprozessen unterstützt, kritisiert die Anklagen als „politisch motivierten Einschüchterungsversuch“. In einer Pressemitteilung heißt es: „Die Bundesanwaltschaft pokert weiterhin hoch und versucht hartnäckig irgendeine Verurteilung wegen vorsätzlicher Tötungsversuche durchzukriegen.“
Die „Rote Hilfe“ verweist unter anderem auf den Prozess, der derzeit in Ungarn gegen Maja T. läuft. Diese Person soll an allen Angriffen in Budapest beteiligt gewesen sein, wurde aber von den dortigen Behörden nicht wegen versuchten Mordes angeklagt.
Dass der Prozess gegen die sechs Angeklagten in Düsseldorf stattfinden soll, bezeichnet die „Rote Hilfe“ als „abwegig“. Man habe den Eindruck, dass „hier das Umfeld von einer solidarischen Prozessbegleitung abgehalten werden soll“. Die Angeklagten hätten allesamt keine persönlichen Bezüge zu Nordrhein-Westfalen.
Zweiter Prozess in Dresden
Bereits im Juni hatte die Bundesanwaltschaft sieben andere Personen angeklagt. Einige von ihnen sollen ebenfalls in den „Budapest-Komplex“ verwickelt sein; anderen werden Gewalttaten in Wurzen, Dessau, Eisenach und Connewitz vorgeworfen. Es handelt sich dabei in vielen Fällen um jene Angriffe, für die Lina E. und drei Mitangeklagte verurteilt worden waren. Wie schon der Prozess vor einigen Jahren soll dieser neue Prozess wieder in Dresden stattfinden.
Sowohl in Düsseldorf als auch in Dresden müssen die Gerichte noch darüber entscheiden, ob sie die Anklagen zulassen. Die beiden Verhandlungen dürften äußerst umfangreich ausfallen und könnten mehrere Jahre dauern.
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