Im Amtsgerichts-Prozess gegen den Grünen-Politiker und ehemaligen Stadtrat Jürgen Kasek gewann der Ton zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung am Mittwoch, dem 12. November, zunehmend an Schärfe. Knackpunkt ist unter anderem die Frage, ob der Angeklagte sich der Urkundenfälschung und des Betrugs schuldig gemacht hat, indem er 2022 trotz verlorener Anwaltszulassung mutmaßlich weiter Gebühren abrechnete.
Am Mittwoch setzte das Leipziger Amtsgericht seine Verhandlung gegen den Grünen-Politiker und Ex-Stadtrat Jürgen Kasek fort. Wie berichtet, legt die Leipziger Staatsanwaltschaft dem 45-Jährigen unter anderem den missbräuchlichen Titel von Berufsbezeichnungen zur Last. Demnach soll der studierte Volljurist auch nach dem Verlust seiner Zulassung als Rechtsanwalt, die am 19. Juli 2022 Rechtskraft erlangt hatte, weiter in seinem Beruf praktiziert, Mandanten vertreten und zum Teil illegal Gelder abgerechnet haben. 42 Fälle sind angeklagt worden.
Kasek: Hatte mich selbst überschätzt
Zumindest teilweise hatte Kasek in der vergangenen Woche sein Schweigen beendet und Fehler eingeräumt: Er habe seinen Titel als Anwalt mit Signatur, Webauftritt und Profil bei X (ehemals Twitter) zunächst weitergeführt, gab der Angeklagte zu.
In einer Erklärung seiner Verteidigerin Rita Belter zeichnete Kasek von sich das Bild eines Mannes, der seine Kraft überschätzte. Spätestens ab 2021 hätten die vielen Termine und Verpflichtungen als Rechtsanwalt, Stadtrat, Parteimitglied der Grünen und alleinerziehender Vater ihn zunehmend aufgefressen und körperlich ausgezehrt, ohne dass er die Notbremse gezogen hätte, sagte er.
Kasek kein Anwalt mehr: Mandantin erfuhr es von der Gegenseite
Schwerer als der Titelmissbrauch wiegt der Vorwurf, Kasek habe auch nach dem 19. Juli 2022 Anwaltsgebühren geltend gemacht. Das nimmt die Anklagebehörde an.
Eine ehemalige Klientin sollte am Mittwoch als Zeugin etwas Licht ins Dunkel bringen. Sie nahm 2022 Kaseks Hilfe in Anspruch, als gegen sie wegen eines Vorfalls mit ihrem Hund eine Strafanzeige gestellt und Schadenersatz über 10.000 Euro gefordert worden war: „Ich habe mich an Herrn Kasek gewandt, hatte ein Gespräch mit ihm“, so die 50 Jahre alte Silke T. (Name geändert). Kasek habe am 19. Juli 2022 vor einer Zivilkammer des Landgerichts einen Vergleich über nur noch 4.000 Euro erzielt.
Doch just ab jenem Tag hatte Kasek wegen eines Streits um ausstehende Beiträge zum Rechtsanwaltsversorgungswerk keine Zulassung mehr: Hiervon habe Silke T. erst durch ein Schreiben der gegnerischen Anwältin erfahren, dem der entsprechende Beitrag der Leipziger Volkszeitung von Ende August 2022 beigefügt war.
Kasek soll anderen Anwalt eingesetzt haben
Kasek soll dann einen anderen Anwalt mit der Führung seiner Kanzlei und der Betreuung der Mandate beauftragt haben. Jener „neue“ Anwalt galt für die Leipziger Justiz aber als eine Art Phantom, weil er kaum erreichbar war und nur selten bei Gerichtsprozessen auftrat. Auch Silke T. entsann sich, dass sie von jenem Mann nicht mehr als die Unterschrift kannte: „Ich hatte zu ihm keinen Kontakt, nie mit ihm gesprochen. Ich habe immer nur mit Herrn Kasek gesprochen.“
Letztlich habe sie angenommen, dass Kasek, der sie nach seinen Angaben weiterhin juristisch habe beraten wollen, sich um ihr Anliegen kümmert, das sie einfach aus der Welt schaffen wollte: „Die Angelegenheit hat mich sehr belastet.“
Scharfes Wortgefecht im Gerichtssaal
Aus Sicht der Verteidigung ergab die Aussage der Zeugin keinen Beweis, dass Kasek im Bewusstsein um seine verlorene Zulassung als Scheinanwalt aufgetreten war, dass es gar einen Vermögensschaden gab, so Kaseks Anwältin Rita Belter.
Staatsanwalt Manuel Rothe widersprach: Den Unterlagen nach habe Kasek für eine rechtliche Erstberatung der betroffenen Silke T. eine Gebühr kassiert, was nie hätte geschehen dürfen. Außerdem sprach der Staatsanwalt wegen eines signierten Schriftsatzes auch von einer möglichen Urkundenfälschung.
Verteidigerin Belter ging den Anklagevertreter daraufhin scharf an: „Sie kommen mit irgendwelchen Anwürfen, die Sie nicht beweisen können. Sie zeigen, dass sie meinen Mandanten nicht leiden können.“ Staatsanwalt Rothe schoss zurück: „Ich habe hier eine Strafsache. Ich habe zu Herrn Kasek keine persönliche Meinung und ich kenne ihn auch nicht.“
Der Angeklagte selbst hatte die Vorwürfe einer finanziellen Bereicherung schon in der vergangenen Woche bestritten. Der Prozess wegen Titelmissbrauchs, Betrugs und Untreue soll planmäßig am 26. November weitergehen.
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