Der 1. August 2013 naht mit Riesenschritten. Ab dann gilt in Deutschland der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz. Hat zwar die Bundesregierung, die diesen Anspruch festgelegt hat, weder durchdacht noch wirklich ernsthaft begleitet. Wirklich einlösen werden es am 1. August nicht alle Kommunen können. Und nicht nur Leipzig kämpft mit einem großen Paket gegen das drohende "Betreuungsloch". Auch wenn der linke Landtagsabgeordnete Volker Külow so gern auf den Leipziger OB Burkhard Jung zielt.

Woran der Amtsinhaber und Kandidat nicht ganz unschuldig ist. Er ließ noch kurz vor dem heutigen 2. Wahlgang einen Flyer verteilen mit dem Motto “Erfolg wählen – Burkhard Jung”. Da hat er 10 vermeintliche Erfolge der letzten sieben Jahre aufgelistet.

Aber wenn es um Zahlen geht, muss man schon genau sein. Volker Külow: “Greifen wir lediglich ein Beispiel, das im Wahlkampf eine wesentliche Rolle gespielt hat – Plätze in Kindertagesstätten – heraus. Hier vermeldet Herr Jung, dass seit 2006 in Leipzig 5.400 angeblich neue Kitaplätze entstanden. Allerdings wird verschwiegen, wie viele Plätze vorher während seiner Amtszeit als Sozialbeigeordneter verschwunden sind. Das Pendel dürfte so eher in den Bereich des Defizitären ausschlagen.”

Die Amtszeit von Burkhard Jung sei hinsichtlich der Kindertagesstätten aber vielmehr dadurch gekennzeichnet, dass die Zeit regelrecht verschlafen wurde und es daher schwer fallen dürfte, den ab 1. August geltenden Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz der unter 3-Jährigen einzulösen, meint er. “Deshalb herrscht auf diesem Sektor inzwischen auch hektische Betriebsamkeit, wie aus der Antwort der sächsischen Staatsregierung auf eine von uns gestellte parlamentarische Anfrage hervorgeht. – Danach will Leipzig wesentlich mehr Plätze in der Tagespflege (Tagesmütter) schaffen, obwohl die Stadt bereits gegenwärtig mit über 2.000 mehr als ein Drittel solcher Plätze in Sachsen hat. Die Tagespflege kann aus unserer Sicht die Betreuung in Kindertageseinrichtungen nicht ersetzen, bestenfalls eine Übergangslösung sein. Und noch ein Fakt lässt erahnen, wie es um die Seriosität der Bedarfsplanung bestellt ist. Während in Dresden ein Bedarf von 86 Prozent der Kinder zwischen ein und drei Jahren unterstellt wird, geht man in Leipzig lediglich von 74 Prozent aus.”
Die Anfrage gestellt hatte Dr. Dietmar Pellmann. Geantwortet hat am 12. Februar Kultusministerin Brunhild Kurth, die durchaus zu würdigen weiß, dass die beiden Großstädte Dresden und Leipzig erhebliche Anstrengungen unternehmen, um den Anspruch bis zum 1. August womöglich zu erfüllen. Was übrigens in beiden Städten gleichermaßen kompliziert ist. Denn der Bedarf an neuen Kitaplätzen ist in Sachsen höchst ungleich verteilt.

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Ursache – wie so oft – die Wanderungsbewegung innerhalb Sachsens. Was den Bedarf in Dresden und Leipzig gleichermaßen verstärkt. Zusätzlichen Bedarf im U3-Bereich sieht die Landesregierung noch in den Landkreisen Bautzen, Meißen und Osterzgebirge. Und das war’s schon. Brunhild Kurth geht freilich auch auf die 86 Prozent Bedarf in Dresden ein, die eben nicht – wie in Leipzig – einfach durch die Verwaltung ermittelt wurden, sondern durch eine (mittlerweile die 5.) repräsentative Dresdner Elternbefragung im April 2012. Genau das, was die Grünen auch für Leipzig fordern. Es kann nämlich durchaus passieren, das Leipzig mit der Prognose von 74 Prozent Bedarf im August auf die Nase fällt.

Anders als Leipzig freilich versucht Dresden die 2013 zusätzlich prognostizierten 2.300 Kita-Plätze nicht mit noch mehr Tageseltern zu decken, sondern fast ausschließlich mit Neubau. Und nicht nur 60 Bauprojekte hat man in Arbeit. Am 14. Februar gab der Dresdner Sozialbürgermeister Martin Seidel den neuesten Stand zum Dresdener Kita-Programm bekannt. Danach arbeitet das Dresdner Hochbauamt derzeit an 76 Objekten, darunter 30 Neubauten, 15 Modernisierungen und 31 Instandsetzungsmaßnahmen. Bei den Neubauten taucht auch das Wort “Systembauten” auf, das Brunhild Kurth in ihrer Antwort nicht berücksichtigt. Sie hob nur den Versuch Leipzigs hervor, mit Modulbauweise das Problem in den Griff zu bekommen. Aber es ist wohl im Endeffekt dasselbe.

Kleiner Unterschied trotzdem: Dresden denkt schon weit über das Jahr 2013 hinaus. Denn Seidel betonte auch, dass die zu betreuenden Kinderzahlen in Dresden mindestens bis 2020 weiter wachsen. Von 38.100 auf voraussichtlich 41.500. So ähnlich sieht das auch in Leipzig aus. Auch Leipzig kann – mit den Worten Seidels – in den nächsten Jahren das Ausbautempo nicht verringern. Im Gegenteil. Es darf nicht mehr wirklich darauf setzen, das Problem durch immer mehr Tageseltern lösen zu wollen. Das kann immer nur eine Übergangslösung sein – bis tragende Strukturen bei Kindertageseinrichtungen im innerstädtischen Bereich geschaffen sind.

Die Dresdener Ausbaupläne:
www.dresden.de/de/02/035/01/2013/02/pm_033.php
Die Antwort von Brunhild Kurth als PDF zum download.

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