Weitgehend unbeobachtet von der längst spärlich vorhandenen Presse kam es am 30. März am Rande der Gegenproteste zum wöchentlichen Legida-Aufmarsch zu einer beachtenswerten Aktion Baden-Württembergischer Polizeibeamter. In einer offensichtlich gut geplanten Aktion fanden sich Teile einer Hundertschaft der Einsatzpolizei zu einer kleinen Kundgebung in einer Pause am Grimmaischen Steinweg auf der Höhe der Grassi-Apotheke zusammen. Die L-IZ sprach mit dem Zugführer Holger Z. über den Überraschungscoup in Leipzig und die Folgen.

Sie wollten ein Zeichen setzen und kaum jemand hat es wahrgenommen. Einerseits, da es bereits ziemlich dunkel geworden war an diesem Montag in Leipzig. Andererseits, weil offenbar einschlägig bekannte Zeitungen keine Lust hatten, über die Aktion von Holger Z. und seinen Kollegen zu berichten. Etwa 15 von ihnen hatten sich der Spontandemonstration auf dem Gehweg am Grimmaischen Steinweg angeschlossen. Unmittelbar nachdem die Legida-Teilnehmer vorüber waren, verschwand der kleine Trupp in Richtung Johannisplatz, wo L-IZ sie wiederfand.

Im Gespräch schilderte Zugführer Holger Z. gegenüber L-IZ.de, wie es zur Aktion am Abend des 30. März kam und warum es doch nicht so spontan stattfand, wie es auf den ersten Blick aussah. „Wir hatten an alle großen Redaktionen in Sachsen vorab eine Mitteilung zu unserer Aktion versandt“, so Z.. „Offenbar soll diese Botschaft im Freistaat jedoch unterdrückt werden, man fürchtet sich wohl vor einer ‘politischen Polizei’“, so der 32-jährige Zugführer weiter.

Etwas Verständnis habe er schon für diese Ängste, dennoch sei es ihm und seinen Kollegen darum gegangen, in Sachsen ein Zeichen für Toleranz und gegen die antimuslimische Hetze von Legida und Pegida zu setzen. Ihn und Beamte aus seinem Zug habe schon lange gestört, dass die Teilnehmer versuchten, die Polizei für ihre Zwecke zu vereinnahmen.

„Wir sind Bürger in Uniform und haben mit den Äußerungen da auf dem Augustusplatz und den in Leipzig mitlaufenden Neonazis überhaupt nichts am Hut. Unsere muslimischen Kollegen lachen zwar nur noch über die ganzen Dummheiten, die da erzählt werden, aber mit Lachen allein ist es ja nicht getan. Das werten diese Legidas ständig als Zustimmung!“

Kurz zuvor hatten Z. und seine Kollegen noch auf die Gegendemonstranten aufgepasst und sich in die Anti-Legida-Proteste an der Dörrienstraße zur Überraschung vieler Anwesender eingereiht. Foto: L-IZ.de
Kurz zuvor hatten Z. und seine Kollegen noch auf die Gegendemonstranten aufgepasst und sich in die Anti-Legida-Proteste an der Dörrienstraße zur Überraschung vieler Anwesender eingereiht. Foto: L-IZ.de

Auch mit einem anderen Unsinn wollte man mit der Aktion endlich aufräumen. „Selbstverständlich sind wir dazu da, die Versammlungsfreiheit zu gewährleisten, was wir ja auch heute wieder getan haben. Das bedeutet jedoch nicht, wie von Herrn Rösler und Herrn Bachmann immer wieder indirekt angedeutet, dass wir gut finden, was in Leipzig und Dresden stattfindet! Oder glauben die wirklich, ausgerechnet ihre Anhänger würden uns bezahlen?“

Nicht grundlos habe man sich auch kurz zuvor mit den Gegenprotestlern solidarisiert und sich in einer überraschenden Aktion in der Dörrienstraße unter sie gemischt. “Wir wollten hier das Beisammenstehen aller Demokraten signalisieren, sind uns aber durchaus bewusst, dass einige die Aktion verunsichert hat. Durch unsere zweite Aktion dürfte nun aber alles klar sein”, so Holger Z. In der Tat war das scheinbar anlasslose Hineinrennen der Beamten in die Gegendemonstration vor Ort auf großes Unverständnis gestoßen. “Dafür möchte ich mich entschuldigen, aber auch darauf hinweisen, dass wir solche Formen der Solidarisierung noch weiter trainieren müssen. Hier wäre ein gemächlicher Schlendergang sicher besser gewesen.”

Aus der Sicht eines westdeutschen Beamten habe für ihn die „Leipziger Dauerschleife“ (Polizeijargon) längst den Charakter einer „Langspielplatte mit den ewig gleichen Liedern“ und ohne Lösungsansätze. „Während hier einige glauben, sie könnten wieder eine Mauer hochziehen, fehlt es an Integrationsmaßnahmen, Bildungseinrichtungen für Jedermann, gezielte Wirtschaftshilfe für die Staaten der Südhalbkugel und fairen Handel. Und vor allem wirksamen Maßnahmen gegen die steigende soziale Ungerechtigkeit in Deutschland.“

Eine Kollegin aus Stuttgart, welche ebenfalls dabei war und lieber anonym bleiben wollte, pflichtete ihm bei. „Es ist wirklich erstaunlich, was sich diese Legida-Teilnehmer ausdenken. Man müsste ihnen langsam mal eine Kostenbeteiligung an unseren Einsätzen auferlegen. Ich bin doch nicht zur Polizei gegangen, um nun jede Woche diesen Kinderzirkus zu betreuen und dann seh ich die gleichen Gesichter auch noch bei den Fußballeinsätzen wieder. Vielleicht sollte man einfach beides kombinieren?“

Zudem verwies die junge Beamtin auf den Steuerzahler, welchem das Aufgebot Woche um Woche kaum noch zu erklären sei. „Ich meine, die paar Hanseln heute sollten wenigstens jeder mal einen 10er zahlen, dann wären es heute wenigstens 5.000 Euro für unsere Kaffeekasse geworden. Aber wir kommen ja in zwei Wochen wieder. Dann bringt von uns jeder noch einen Kollegen mit und wir fragen mal bei Herrn Rösler direkt nach, ob er einen ähnlichen Spendenaufruf auf der Bühne für uns macht, wie vor zwei Wochen für einen Leipziger Neonazi.“

Die Redaktion der L-IZ wünscht allen Lesern einen angenehmen 1. April.

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Es gibt 2 Kommentare

Den Inhalt in diesem Artikel würde ich zum größten Teil unterschreiben. Aber die Polizei muss unparteiisch sein, jedenfalls im Dienst.
Ich glaube: APRIL, APRIL

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