Als just publik wurde, Christian und Bettina Wulff hätten sich wiedervereinigt, rauschte es ja wieder ganz gewaltig im Blätterwald. Schnell strengte Emnid eine Umfrage für die BILD am Sonntag an, um herauszufinden, dass es 50 Prozent der Befragten goutierten, dass die Wulffs wieder zusammen sind, während dies 21 Prozent nicht begrüßten. 29 Prozent machten keine Angabe. Möglicherweise waren sie noch mit den Familienverhältnissen Joachim Gaucks beschäftigt.

Aber mal abgesehen davon, dass Ratschläge oder Bewertungen von Herzensangelegenheiten eines einem nicht nahestehenden Menschen genauso sinnvoll daherkommen, als befragte man eine Blindschleiche nach Ratschlägen gegen nächtliche Wadenkrämpfe, muss doch eine jegliche Wiedervereinigung zur Freude der Bevölkerung gereichen. Mit dem Wiedervereinigen kennen wir uns schließlich aus: die beiden deutschen Staaten, Modern Talking, Bärbel Schäfer und Michel Friedman. Die Liste ist lang, an der man erkennt: Wiedervereinigte Paare sind meist um keinen Deut besser als im ersten Durchlauf, gelangen aber nie wieder zu ursprünglicher Stärke zurück und gehen einzig aus diesem Grunde der Umwelt weniger auf den Zünder.

Trotzdem musste ich der Wulffschen Reunion wegen unwillkürlich an meine Großmutter denken, von der ich irgendwann gelernt hatte, Aufgewärmtes schmecke nicht mehr. Vor allem dürfe man keine Pelze wieder erwärmen, so verstand ich sie, Pelze zu erwärmen, das vergifte einen, bringe Qual und Verderben ins Haus. Erst viel später erkannte ich den Fehler, dass eigentlich Pilze gemeint waren, da Oma die wenig soziale Angewohnheit hatte, beim Sprechen beständig auf einer Walnuss herumzukauen.

Weltgeschichte aber wird nicht selten durch Zufälle ausgelöst: Hier hatte mich undeutliche Artikulation argwöhnisch gegenüber Pelzen werden lassen, mich für deren Gegnerschaft sensibilisiert.

Immer mal wieder tauchen sie ja überraschend auf und beginnen vor allem in Fußgängerzonen mit stark aktionistischem Tun: die Pelzgegner. Sie scheinen nicht grundlos darüber verbittert, dass vorrangig ältere Damen im Winter stolzen Hauptes stark behaart gewandet umhergehen und vorgeben, so der Kälte trotzen zu müssen. Für diese Performance nehmen sie billigend in Kauf, dass  mal flugs eine Hundertschaft Chinchillas oder Nerze in die ewigen Jagdgründe geschickt wurde, nur um auf dem Altar des menschlichen “Ich-werd-nicht-mehr geliebt”-Verzweiflung geopfert zu werden. Die Liebe kommt durch den Pelz selten zurück.

Bedauerlicherweise agieren Pelzgegner oft arglos im Nichts: Vorrangig beziehen sie aufgebracht die Fäuste gegen das Firmament schüttelnd vor Geschäften Quartier, in denen nie auch nur eine einzige Pelzjacke den Ladentisch verlassen hat und selbst an den Verkäuferinnen kein Härchen zu finden ist – höchstens ein gutes. Dennoch erscheinen einem Pelzgegner als eher sympathisches Trüppchen, sind sie doch mit einem vernünftigen, überschaubaren Feindbild beschäftigt, ihre Energien sind positiv gebunden.

Unverständlich dagegen bleibt noch immer, warum der Zulauf bei den Pilzgegnern über die Jahre so spärlich vonstatten gegangen ist. Eine natürliche Abneigung des geradlinigen Menschen gegenüber dem Pilz als Lebensform an sich wäre doch nachvollziehbar. Allein die Unentschlossenheit des Pilzes hinsichtlich seiner Einordnung ins Reich der Biologie ist zu geißeln. Obwohl im Grunde der wahre Transvestit zwischen Flora und Fauna, pocht er akribisch darauf, einem eigenem Reich anzugehören.

Mal kommt er getarnt als Backhefe oder unverblümt als Schimmelpilz daher, um sich launisch bald geschlechtlich, bald ungeschlechtlich zu vermehren und sich neben den Bakterien und Linksautonomen als lästigster Zerstörbär auf Erden zu gebärden. So wird sich z.B. an wehrlosen Pflanzen rücksichtslos vergangen, indem man ihnen Krankheiten anhängt, die solch scheußliche Namen tragen wie Maisbeulenbrand, Birnengitterrost oder Obstbaumkrebs. Wie soll man da ein Fünkchen Pilz-Sympathie verspüren?

Alles in allem hat der Pilz über die Jahrtausende nicht viel getan, um sein sinistres Bild in der Öffentlichkeit zu verbessern, er ist und bleibt ein Wesen von phlegmatischer, roher und feuchter Kultur – alles Eigenschaften, die man selbst bei allergrößter Abneigung weder Christian noch Bettina Wulff nachsagen kann.

Allein aus diesem Grunde sollte man den beiden aus aufrichtigstem Herzen das Beste für eine gemeinsame Zukunft wünschen. Solange Menschen ihre zweite Chance nicht vergeigen, gilt schließlich weiterhin ehern: Hinterm Rubikon geht’s weiter. Auch das kann man von Großmüttern lernen.

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