"Kurt Masur ist tot", melden am heutigen Samstag, 19. Dezember, diverse Medien mit Berufung auf eine Mitteilung der New Yorker Philharmoniker. Im Alter von 88 Jahren starb der Mann, den Viele vor allem mit seiner Teilnahme am Aufruf der Sechs am 9. Oktober 1989 verbinden. Ein Aufruf, der großen Anteil daran hatte, dass es an diesem entscheidenden Montag friedlich blieb.

Auch Leipzigs OBM erinnert sich so an den einstigen Gewandhauskapellmeister, der schon 1989 die Ehrenbürgerwürde der Stadt Leipzig bekam.

“Leipzig ist ohne den Weltbürger Kurt Masur kaum vorstellbar. Wir verlieren ein musikalisches Genie, einen faszinierenden Dirigenten von erstem Weltrang und einen großen Humanisten”, sagt OBM Burkhard Jung. “27 Jahre lang leitete er als Kapellmeister sein Leipziger Gewandhausorchester; sein Name und das Orchester erklangen über Jahrzehnte in einem Atemzug. Insbesondere die angemessene  Würdigung seines großen Vorgängers Felix Mendelssohn Bartholdy danken wir seinem segensreichen Wirken. Kurt Masur setzte Maßstäbe, musikalisch – und im Herbst 1989, besonders an diesem einen Tag, dem 9. Oktober 1989, schrieb er auch politische Geschichte. ‘Keine Gewalt’ war auch sein Appell an die Menschen damals auf der Montagsdemonstration in Leipzig. Masur setzte erfolgreich seine Autorität ein, um friedlich das System zu revolutionieren. In Anerkennung seiner Leistungen verlieh ihm die Stadt am 27. Dezember 1989 die Ehrenbürgerwürde. Kurt Masur wird Leipzig fehlen, wir verlieren eine Identifikationsfigur und ich persönlich werde seinen väterlichen Rat schmerzlich vermissen.”

Dabei ist er für die Leipziger eigentlich als Chef des Gewandhausorchesters wesentlich wichtiger geworden, denn es war vor allem sein Betreiben, dass das traditionsreiche Orchester am Augustusplatz 1981 ein neues Haus bekam, ein Orchestergebäude, das nicht nur das einzige seiner Art war, das in der DDR gebaut wurde, sondern das bis heute auch durch seine bestechenden Klangeigenschaften überzeugt.

36 Jahre lang hatte das Gewandhausorchester nach der Zerstörung des Neuen Gewandhauses im Zweiten Weltkrieg in Provisorien mit zum Teil grauenvoller Akustik spielen müssen – etwa der Kongresshalle am Zoo. Da brauchte es schon einen Mann mit guten Kontakten nach Berlin und beharrlichem Durchsetzungsvermögen, um für den weltberühmten Leipziger Klangkörper ein neues, angemessene Haus zu (be-)schaffen.

Seine Rolle am 9. Oktober 1989, als es vor allem sein Name und seine ruhige Stimmen waren, die dem Aufruf der Sechs bei den Montagsdemonstranten Gehör verschafften, waren nicht sein einziger Anteil an der Entwicklung im Herbst 1989. Nach dem 9. Oktober organisierte er – vor allem mit den anderen fünf Aufrufunterzeichnern – die wirkungsvollen Gewandshausgespräche, die einen wesentlichen Beitrag zur Selbstverständigung der Leipziger und zur ersten Thematisierungen der Fehler der untergehenden DDR waren.

Bevor Kurt Masur nach Leipzig kam, war er als Dirigent in Dresden, Schwerin und Berlin tätig. Zum Gewandhauskapellmeister wurde er 1970 und blieb es bis 1997, ab 1991 in Doppelfunktion als Chefdirigent des New York Philharmonic Orchestra.

Zeitweise galt der Maestro geradezu als Gesicht der Friedlichen Revolution und bekam zahlreiche Preise dafür verliehen, was in Leipzig auch einige Gewichte und Sichtweisen verschob. Zu den letzten dieser reichlich über ihn ausgeschütteten Preise gehörten der Adenauer-de Gaulle-Preis von 2011, der Sächsische Verdienstorden von 2014 und die Goldene Henne in der Kategorie “Politik”. Dabei blieb er auch nach dem Herbst 1989 zuallererst Musiker, hatte mit dem Gewandhausorchester noch zahlreiche maßgebende Einspielungen, nahm Bruckner, Brahms und Bach mit nach New York, um sie dort mit den Philharmonikern einzuspielen.

Der Nachruf der Oper Leipzig:

Intendant und Generalmusikdirektor, Prof. Ulf Schirmer, zum Tod Kurt Masurs: „Ein großer Musiker, der mit seinem Schaffen das Leipziger Kulturleben nachhaltig geprägt hat, ist nach einem künstlerisch erfüllten Dasein von dieser Welt gegangen. Unser Beileid gilt den Hinterbliebenen.“
Kurt Masur war in den 1950er Jahren als Kapellmeister am Leipziger Opernhaus tätig und wurde später zum Ehrenmitglied der Oper Leipzig ernannt. In den 26 Jahren als Gewandhauskapellmeister hatte er auch auf die Opernarbeit in Leipzig großen Einfluss.

 

Und das Gewandhaus zu Leipzig:

 

Gewandhaus-Homepage: Res severa verum gaudium. Screenshot: L-IZ
Gewandhaus-Homepage: Res severa verum gaudium. Screenshot: L-IZ

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