Erst nach sechs Wahlgängen wurde im vergangenen Sommer Carsten Rentzing zum Bischof der sächsischen Landeskirche gewählt. Als Lieblingskandidat konservativer Gemeinden war er umstritten, besonders auch in Leipzig. Im Interview mit der L-IZ geht es um die Glaubwürdigkeit der Landeskirche, den gesellschaftlichen Auftrag von Kirche im Blick auf Flüchtlinge und Pegida/Legida sowie um Erwartungen an Muslime.

Beim Thema Rechtsradikalismus müssen wir ja nicht nach Pommern sehen…

Wir haben in Sachsen dort die größten Probleme, wo die Kirche schwach aufgestellt ist. An anderen Orten hat gerade die Pfarrerschaft zur Befriedung beigetragen, weil ihr Wort Gewicht hatte.

Manche Bedenken sind auch mit dem Islam verbunden. Wie sehen Sie diese Religion?

Ich kenne viele friedliche Muslime, aber ich bin kein Islamwissenschaftler. Ich kann nicht beurteilen, wie friedlich der Islam ist. Aber es macht schon einen großen Unterschied, wenn Christen sich auf Christus beziehen und wenn Muslime sich auf Mohammed beziehen. Aber wie tiefgreifend ist dieser Unterschied? Was bedeutet die Gewalt in der Anfangsphase des Islam für die islamische Lehre insgesamt? Das sind Fragen, die müssen uns die Moslems selber beantworten. Da wünsche ich mir auch sehr, dass sie eine klarere Antwort geben als das bisher der Fall war. Das betrifft die Frage der Gewalt, aber auch die Grundlagen unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens.

Haben Sie insofern Verständnis für jene, die eine Islamisierung des Abendlandes fürchten?

Ich kann mir keine Islamisierung vorstellen. Ich kann mir allerdings vorstellen, dass es zahlreiche Moslems auf dem europäischen Kontinent gibt, die hier Zuflucht gefunden haben. Das ist die Realität, wie sie längst existiert. Wir haben längst große islamische Kommunitäten in unserem Land. Mir ist aber auch in Berlin die negative Seite mancher Prozesse deutlich geworden, die Abschottung vom Rest der Gesellschaft, die Nischen, in die muslimische Zuwanderer geraten sind, wobei das nicht allein eine Frage des Islams, sondern der kulturellen Hintergründe ist.

Ich gehe da nicht naiv ran, ich weiß um die echten Probleme. Es gibt Leute, die haben Ängste. Angst ist aber ein schlechter Ratgeber. Sorge ist etwas anderes. Sorge ist der ernste Gedanke: “Geht das gut? Wie gelingt es uns, dass es gut wird?” Wer besorgt ist, zielt auf etwas Positives. Die Sorge vor Parallelgesellschaften ist berechtigt.

Vielen Dank für das Interview!

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Es gibt 2 Kommentare

In abgewandelter Form zitiert ich mal diesen Vertreter einer christlichen Parallelgesellschaft: ich kenne viele friedliche Christen, jedoch gibt es auch solche wie George Bush … Ich kann nicht beurteilen, wie friedlich dessen Anhänger sind …

Das leidige Thema “Parallelgesellschaft” wird immer hochgejazzt, wenn es um andere Menschen geht, die manche Leute irgendwie nicht so gern als Nachbarn haben wollen.

Wäre es Europäer (“EU-Inländer”), so würde man nicht von Parallelgesellschaften, sondern lieber von “Milieus” oder “Lebenswelten” sprechen, aber das ist letztlich dasselbe – klingt nur nicht so abgehängt.

Für diese “Parallelgesellschaften” wird die “andere” Religion gerne als Vorwand genommen, aber viel entscheidender ist m. E. die soziale Schicht, zu der diese “Nachbarn” gehören. Kurz gesprochen (und so hat es sich auch nach dem Mauerfall gezeigt:) Das Haushaltseinkommen trennt die Menschen wesentlich mehr als die Herkunft oder die Weltanschauung. Wesentlich mehr!

Man kann sich ja gerne mal überlegen, ob man als Hausnachbarn einen muslimischen Arzt, der Deutsch gut, aber eben nur als Fremdsprache spricht, oder doch lieber einen reinrassigen und breit sächselnden Leipziger in dritter Generation, der sich einen Listenhund hält, haben möchte.

Leider stellt sich diese “Ãœberlegung” im angeblich weltoffenen Sachsen gar nicht, denn in diesem Land der Ahnungslosen gibt es kaum muslimische Ärzte und haben die Eingeborenen immer noch viel zu wenig Kontakt mit nicht-sächselnden Mitgeborenen. Gut, dass sich das seit wenigen Jahren mit dem wachsenden West-Zuzug langsam ändert.

Leipzig ist für eine Zeitreise 40 Jahre rückwärts gut:
Das, was in Leipzig jetzt so läuft, haben meine “Westverwandten” nämlich schon in den frühen 1970ern (Stichwort: Gastarbeiter) “erlebt”. Es gab damals üble Vorbehalte gegen Italiener und Türken. Die damaligen Ausländerwitze mag man heute gar nicht erzählen…

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