Am späten Sonntagabend hätten die Besetzer das Areal in der Arno-Nitzsche-Straße eigentlich verlassen sollen. So forderte es die Deutsche Bahn. Doch diese Frist ist verstrichen. Nun ist unklar, wie es im Leipziger Süden weitergeht. Ein selbsternanntes Kulturkollektiv möchte die über Jahrzehnte verfallene Brache zu neuem Leben erwecken.

Wer hin und wieder mit der Deutschen Bahn (DB) zu tun hat, weiß, dass diese zu Verspätungen neigt. Manchmal handelt es sich nur um wenige Minuten, manchmal um einige Stunden. Im Leipziger Süden verspätete sich die DB kürzlich um stolze zwei Wochen. Gemeint ist diesmal allerdings nicht die Wartezeit auf einen Zug. Zwei Wochen dauerte es, bis ein Mitarbeiter bemerkte, dass ein ungenutztes Areal in der Arno-Nitzsche-Straße besetzt wird.

Die meist jungen Besetzer nennen sich „Kulturkollektiv Arno Nitzsche“. Als ein solches Kollektiv treten sie auch im Gespräch mit der L-IZ auf; ihre Namen und die genaue Anzahl der Besetzer wollen sie nicht nennen. Auf dem riesigen Gelände – es ist von etwa 11.000 Quadratmetern die Rede – steht ein großes Gebäude, inklusive improvisierter Bar. Außerhalb des massiven Baus bietet sich den neuen Bewohnern viel Freifläche. Besonders den herumstreunenden Hunden scheint das zu gefallen.

Man ist sich einig: „Das Areal wird nicht sinnvoll genutzt.“ Früher hätte die DB hier ein Umspannwerk betrieben. Seit mehr als 20 Jahren sei die Fläche jedoch dem Verfall preisgegeben. „Für Investoren ist die Lage ungünstig.“ Deshalb habe man sich dazu entschlossen, das Gelände zu besetzen. Erste Sanierungs- und Reinigungsarbeiten haben bereits stattgefunden. Was am Ende dabei herauskommen soll, wird jedoch bewusst offen gelassen. „Wir haben viele Ideen, das Gelände zu beleben und zu gestalten“, sagen die Besetzer. „Der Platz ist da, um sich kreativ einzubringen.“ Dies soll sich nicht nur auf die Personen beschränken, die jetzt schon vor Ort sind, sondern ist auch als Angebot an all jene zu verstehen, denen es nicht an Ideen, aber am nötigen Freiraum mangelt.

Fraglich ist jedoch, wie lange die DB die Besetzer gewähren lässt. Nachdem ein Mitarbeiter am vergangenen Mittwoch auf die neuen Bewohner aufmerksam wurde, ließ eine Reaktion nicht lange auf sich warten. Bereits am Donnerstag wurden die Besetzer mittels Aushang dazu aufgefordert, das Gelände bis spätestens Sonntagabend zu verlassen. Dieser Brief bewirkte jedoch das Gegenteil: Etwa 100 Personen versammelten sich in der Nacht von Sonntag auf Montag im „Black Triangle“ getauften Gebiet. Sogar eine Band trat auf.

Seitdem ist nicht mehr viel passiert. Sowohl die DB als auch die Polizei halten sich laut Besetzerkollektiv zurück. „Wir sind an Gesprächen mit der Bahn interessiert und es finden auch schon welche statt. Aber die Mühlen mahlen langsam.“ Kurzfristiges Ziel sei es, einen Vertrag auszuhandeln, der die Bahn aus der Haftung für mögliche Personen- und Sachschäden entlässt. Laut dem Brief der DB ist das besetzte Grundstück durch „desolate, marode und teilweise einsturzgefährdete Gebäude und Gebäudeteile gekennzeichnet“. Die Besetzer sehen das anders.

Langfristig hoffen sie darauf, von der DB eine Erlaubnis für die Nutzung des Areals zu erhalten. Sie spekulieren, dass dies aus Imagegründen sogar im Interesse des Konzerns liegen könnte. „Doch bis es so weit ist, müssen wir jederzeit damit rechnen, dass eine Hundertschaft der Polizei anrückt, um das Gelände zu räumen.“ Welche Pläne die Bahn mit Besetzern und Grundstück verfolgt, ist unklar. Eine Anfrage der L-IZ blieb unbeantwortet.

Am Dienstagvormittag veröffentlichten derweil Unbekannte ein Bekennerschreiben auf der Online-Plattform Indymedia. Als „Zeichen gegen die irrationalen Eigentumsansprüche der Deutschen Bahn“ und aus Solidarität mit der Besetzung in der Arno-Nitzsche-Straße hätten sie in der Nacht auf Montag einen Waggon der DB in Brand gesetzt. Auf Unterstützung dieser Art möchten die Bewohner des „Black Triangle“ jedoch verzichten. „Momentan besteht noch die Hoffnung auf Kommunikation und eine einvernehmliche Lösung mit der Deutschen Bahn.“ Solche Aktionen seien deshalb kontraproduktiv. „Keiner ist so blöd, sich ins eigene Fleisch zu schneiden.“

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