Kurz nach dem Erfolg der AfD bei den Landtagswahlen im März ist mit „Aufstehen gegen Rassismus“ eine bundesweite Kampagne an den Start gegangen, die es mit dem erstarkenden Rechtsradikalismus in Deutschland aufnehmen möchte. Am kommenden Wochenende findet in Leipzig ein Treffen lokaler und regionaler Aktivisten statt. Zwei von ihnen – Thorben vom Studentenverband „Die Linke.SDS“ und Stephan aus der Verdi-Jugend – sprechen im Interview mit L-IZ.de über die AfD und den Rassismus in Deutschland.

Aufstehen gegen Rassismus – so lautet der Name des überregionalen Bündnisses, das ist aber auch die Forderung an die Menschen in diesem Land. Wie gefährlich ist der Rassismus in Deutschland?

Thorben: Rassismus gibt es schon lange. Er hat aber nun einen Schub bekommen. Die AfD schafft es, rassistische und reaktionäre Gedanken zu bündeln. Sie ist die organisierte Form von Rassismus. Rassistische Positionen erscheinen plötzlich legitim. Dass Muslime nicht mehr einreisen sollen, ist eine Meinung, die mittlerweile in Talkshows diskutiert wird. Mit der AfD ist die Gefahr, dass sich rassistische Positionen verankern können, größer geworden.

Abgesehen von dem „Einreiseverbot“ für Muslime, das die Jugendorganisation der AfD kürzlich erneut gefordert hat – welche rassistischen Positionen vertritt die Partei konkret?

Thorben: Das zentrale Thema der AfD ist „der“ Islam, der angeblich nicht zu Deutschland gehört. Die AfD pickt sich eine Religion heraus und unterstellt allen Anhängern bestimmte negative Eigenschaften. Ähnlich war es vorher in der sogenannten Flüchtlingskrise. Da hat die AfD eine deutsche Kultur konstruiert, zu der „die Fremden“ angeblich nicht dazugehören.

Die „Mitte-Studie“ der Universität Leipzig hat kürzlich erneut aufgezeigt, dass menschenfeindliche Einstellungen bis weit in die Gesellschaft reichen. Greift der Fokus auf die AfD zu kurz?

Stephan: Wir sind uns bewusst, dass Rassismus nicht nur bei der AfD stattfindet. Deshalb wollen wir sogenannte Stammtischkämpferinnen und -kämpfer ausbilden. Wir versuchen, sie zu befähigen, im Alltag gegen Rassismus und Diskriminierung Position zu beziehen. Das richtet sich nicht nur gegen die AfD.

Thorben: Allerdings ist es die AfD als ein Sammelbecken für Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und die extreme Rechte, die zu einer realen Gefahr für viele Leute wird. Die Frage, wie Rassismus entsteht, wird man innerhalb eines so breiten Bündnisses nicht beantworten können.

In den Parlamenten sitzt die AfD bislang lediglich in der Opposition. Wäre es da nicht sinnvoller, stattdessen Regierungsmitglieder wie Bundesinnenminister Thomas de Maizière, der wiederholt falsche Statistiken zu Geflüchteten präsentiert hat, ins Visier zu nehmen?

Thorben: Was de Maizière sagt, ist menschenverachtend und bringt der AfD großen Zulauf. Die AfD ist aber mehr als eine Oppositionspartei. Mit ihren Äußerungen und ihrer Hetze im Internet und auf Demonstrationen ist sie für den Anstieg rechter Gewalt mitverantwortlich. Das ist noch mal etwas anderes.

Die AfD im Jahr 2014 mit teils ausgefallenen Thesen auf Wahlkampftour (hier auf dem Simsonplatz Leipzig). Foto: L-IZ.de
Auf Demonstrationen heizt die AfD die Stimmung an. Foto: L-IZ.de

Im Bündnis sind mit SPD und Grünen zwei Parteien vertreten, die Asylrechtsverschärfungen mit zu verantworten haben und die sich teilweise an der europäischen Abschottungspolitik beteiligen. Wie verträgt sich das mit dem Anliegen des Bündnisses?

Thorben: Solche Debatten finden innerhalb des Bündnisses natürlich statt. Der Fokus liegt aber auf einer Partei, in der sich die extreme Rechte organisiert, die sich als konservativ tarnt und die immer mehr Einfluss gewinnt. Um diese Gefahr zurückzudrängen, benötigen wir viele Leute. Alle, die sich in diesem Punkt einig sind, bringen wir zusammen. Das heißt aber nicht, dass sich die weiter links stehenden Gruppen den Mund verbieten lassen und Asylrechtsverschärfungen für gut befinden.

Stephan: Es gibt auch innerhalb von SPD und Grünen kritische Stimmen, die mit dem Kurs ihrer Parteien nicht einverstanden sind.

Nur gegen Rassismus aufzustehen, wie es der Name des Bündnisses fordert, wird im Kampf gegen die AfD wohl nicht reichen. Glaubt ihr, dass ihr schon irgendetwas bewirkt habt?

Thorben: Wir haben ja gerade erst angefangen. Vor allem in kleineren Orten, aus denen viele Mails kommen, merkt man den Bedarf nach Unterstützung und einem bundesweiten Dachangebot. Da konnten wir in manchen Punkten sicherlich schon gute Hilfestellung leisten.

Stephan: Gerade für die Ausbildung von Stammtischkämpferinnen und -kämpfern melden sich viele Leute, die bislang noch nicht politisch organisiert waren. Sie sehen die Entwicklung in Deutschland kritisch und wollen sich gegen Rassismus und Diskriminierung engagieren. Diesen Menschen können wir eine Plattform bieten.

Am kommenden Wochenende soll in Leipzig ein überregionales Aktiventreffen stattfinden. Was wollt ihr damit erreichen?

Stephan: Zunächst wollen wir schauen, wie wir uns weiter vernetzen und neue Gruppen und Personen anbinden können. Außerdem wollen wir „TeamerInnen“ ausbilden, die dann in ihrem persönlichen Umfeld die Stammtischkämpferinnen und -kämpfer schulen können. Am 3. September findet in Berlin eine Großdemonstration statt. Dafür wollen wir Anreise und Mobilisierung planen.

Thorben: Wichtig ist uns auch, darüber aufzuklären, was die AfD vorhat und warum sie keine Alternative ist. Wir wollen eine Stimmung erzeugen, die es der AfD erschwert, in ein Parlament nach dem anderen einzuziehen.

Was wäre ein realistisches Ziel im Kampf gegen die AfD? Dass sie in fünf Jahren wieder von der Bildfläche verschwindet?

Thorben: Ideal wäre es, wenn wir die aktuelle Dynamik eindämmen und damit verhindern können, dass die AfD im nächsten Jahr in den Bundestag einzieht. Dort hätte sie eine viel größere Plattform und würde zusätzliche Gelder erhalten, mit denen sie weitere Strukturen aufbauen könnte. Dass es in fünf Jahren mit der AfD vorbei ist, glaube ich nicht.

Die „TeamerInnenausbildung“ ist bereits ausgebucht. Das Aktiventreffen findet am Samstag ab 11 Uhr im Volkshaus statt. Eine Anmeldung für Interessierte ist nicht zwingend erforderlich, erleichtert den Organisatoren jedoch die Planung: zur Anmeldung

Am 15. Oktober soll in Leipzig eine große Regionalkonferenz stattfinden.

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