Nach einer Spontandemonstration von etwa 60 Kurden soll es vor einigen Tagen am Hauptbahnhof zu einer Auseinandersetzung mit etwa ebenso vielen „Nordafrikanern“ gekommen sein. Das vermeldeten zumindest Polizei und LVZ. Dieser Darstellung widerspricht das Rojava-Soli-Bündnis. Es habe lediglich Streit mit einigen betrunkenen Störern gegeben.

Das Rojava-Soli-Bündnis Leipzig hat eine Polizeimeldung über einen angeblichen Konflikt zwischen Kurden und „50 Personen aus dem nordafrikanischen Raum“ kritisiert. Die Polizei hatte am 16. Oktober per Pressemitteilung über einen Einsatz am Kleinen Willy-Brandt-Platz am Abend zuvor berichtet. Demnach hätten dort etwa 60 Kurden demonstriert und sich ein „heftiges verbales Wortgefecht“ mit den Hinzugekommenen geliefert.

„Die Polizei war mit mehreren Zügen der Bereitschaftspolizei und Einsatzkräften der Polizeidirektion Leipzig schnell vor Ort und konnte Ruhe und Ordnung wieder herstellen“, heißt es in der kurzen Mitteilung.

Dieser Darstellung widerspricht das Bündnis. Es habe lediglich störende Rufe von wenigen Betrunkenen gegeben. „Es kam zu einem kleinen Disput zwischen zwei Kurden und fünf Personen aus dieser Gruppe, der allerdings friedlich und ohne weitere Komplikationen beendet wurde“, schreibt das Bündnis. „Das ganze dauerte etwa drei Minuten.“ Kurz darauf sei die Polizei eingetroffen.

Adressat der Kritik ist auch die Leipziger Volkszeitung. Diese verbreitet die Polizeimeldung auf ihrer Homepage. Linke-Stadträtin Juliane Nagel verschickte die Richtigstellung des Soli-Bündnisses vor fünf Tagen per Mail an das Büro der Chefredaktion. Eine Antwort habe sie bislang nicht erhalten, teilte Nagel der L-IZ mit. Im Online-Artikel der LVZ findet sich weiterhin nur die Darstellung der Polizei.

Hintergrund

Anlass der Spontanversammlung war der Konflikt zwischen Türkei und Kurden sowie die Rolle der deutschen Bundesregierung dabei. Seit dem Putschversuch im Juli 2016 gehen die türkischen Behörden verstärkt gegen die tatsächliche und vermeintliche Opposition vor, darunter die prokurdische Partei HDP und prokurdische Medien. Ende 2016 wurden mehrere HDP-Abgeordnete wegen angeblicher Terrorpropaganda festgenommen.

Am vorletzten Wochenende kam es auch in anderen deutschen Städten zu Demonstrationen. Das türkische Außenministerium bestellte daraufhin den deutschen Botschafter ein. Zudem schwelt weiterhin der Konflikt rings um den Wunsch großer Teile der Kurden, einen eigenen Staat zu errichten.

Während auch der deutsche Nato-Partner Türkei gewaltsam gegen die Kurden vorgeht, haben irakische Truppen am 18. Oktober 2017 die kurdischen Peschmerga aus dem Öl-Gebiet rings um die Stadt Kirkuk vertrieben. Die Peschmerga wiederum hatte die deutsche Regierung im Kampf gegen den IS mit Waffen und Ausbildern unterstützt. Derzeit möchte Deutschland „neutral sein“.

Das Rojava-Soli-Bündnis wiederum, benannt nach einem kurdisch geprägten Gebiet in Syrien, hat in den vergangenen Jahren in Leipzig bereits mehrere Veranstaltungen organisiert und Demonstrationen durchgeführt. Im November 2016 liefen mehrere hundert Menschen vom Rabet in die Innenstadt, um gegen den türkischen Staatspräsidenten Erdoğan zu protestieren.

Die nächste Demonstration ist für den 25. November angekündigt, ebenfalls im Rabet. Dann möchte das Soli-Bündnis gegen das Verbot der in Deutschland offiziell als Terrororganisation eingeordneten PKK protestieren.

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