Etwa 150 junge Menschen haben am Freitag unter dem Motto „Bildung statt Abschiebung“ in Leipzig demonstriert. Sie forderten Reformen im Bildungswesen, bessere Bedingungen für Geflüchtete und ein Ende aller Abschiebungen. Vor allem Schüler hatten sich an der Versammlung beteiligt. Denn "Abschiebung" ist mittlerweile das zentrale Wort in der deutschen Migrations- und Asylpolitik geworden, spätestens seit der ehemalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) im vergangenen Jahr „Akzeptanz für eine Abschiebekultur“ gefordert hatte. Geflüchteten in Deutschland ein sicheres und angenehmes Leben zu bereiten – davon hingegen war zuletzt eher wenig zu hören.

Das aktuelle Lieblingsprojekt einiger Bundesländer, um die „Abschiebekultur“ mit Leben zu füllen, sind die „Ankerzentren“. Was bedeutet, Asylbewerber für bis zu 18 Monate in Lager zu stecken, um sie im Falle einer negativen Entscheidung unkompliziert abschieben zu können. Dass Organisationen wie Pro Asyl, die Caritas oder die Diakonie solche Einrichtungen ablehnen, ist klar. Doch selbst die Polizei, die dafür zuständig ist, Abschiebungen durchzuführen, hält die Pläne für falsch.

So formulierte Jörg Radek, der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, im April 2018 den Verdacht, dass es darum gehe, den Aufenthalt für Asylsuchende möglichst unangenehm zu gestalten. Die Isolierung von der restlichen Bevölkerung würde zu Aggressionen führen. An einem Pilotprojekt wollen sich zunächst – wenig überraschend – Bayern und Sachsen beteiligen.

Protest gegen Abschiebungen. Foto: René Loch
Protest gegen Abschiebungen. Foto: René Loch

Was Radek auch kritisierte: Die Kinder, die in solchen „Ankerzentren“ kaserniert werden sollen, wären von der Schulpflicht befreit und würden nur rudimentären Ersatzunterricht erhalten. Es sind asylpolitische Maßnahmen beziehungsweise Vorhaben wie diese, die zumindest in einem Teil der Bevölkerung für Unmut sorgen – auch bei Schülern und Studenten.

Diese gingen am Freitag, den 22. Juni, in mehreren Städten auf die Straßen, um im Rahmen der „Jugendaktion Bildung statt Abschiebung“ zu demonstrieren. In Leipzig beteiligten sich daran etwa 150 Personen, vor allem Schüler.

Sie liefen von der Moritzbastei zum Rabet an der Eisenbahnstraße, hörten dabei Musik und riefen Parolen. Zu Beginn, während und am Ende der Versammlung gab es Redebeiträge. Felix Fink, Stura-Referent für Lehramt an der Uni Leipzig, forderte den Fokus der schulischen Ausbildung stärker auf Selbstbestimmung, Mitbestimmung und Solidarität zu legen. Er kritisierte die Rückmeldungen, die es seitens einiger Eltern auf den Demoaufruf gegeben hätte, wonach die Schüler instrumentalisiert würden. Es gebe offenbar die Annahme, dass sich Schüler nicht politisch äußern oder engagieren dürften.

Protest gegen Abschiebungen. Foto: Marie Nowicki
Protest gegen Abschiebungen. Foto: Marie Nowicki

Andere Redner thematisierten zurückliegende Fälle, in denen Abschiebungen von Schülern verhindert wurden, beispielsweise in Nürnberg. Dort hatte die Polizei im vergangenen Jahr einen afghanischen Berufsschüler aus dem Unterricht geholt – seine Mitschüler blockierten die Wegfahrt, es kam zu Auseinandersetzungen mit der Polizei und internationaler Medienaufmerksamkeit.

Auch im Fall des damals 18-jährigen Schülers Luan aus Leipzig waren die Medienberichterstattung und die massive Unterstützung seitens seiner Freunde offenbar hilfreich dabei, in der sächsischen Härtefallkommission ein Bleiberecht zu erwirken. Zuvor war er von der Ausländerbehörde dazu aufgefordert worden, Deutschland zu verlassen.

Neben Abschiebungen und der Benachteiligung von geflüchteten Kindern kritisierten die Redner auch allgemeine Zustände im deutschen Bildungssystem. So gehe es dort weniger darum, kritische Menschen auszubilden, sondern vor allem um kompetente Arbeitskräfte. „Weg mit Prüfungen und Klausurenstress“ lautete eine der Forderungen. Auch Vertreter der „Kritischen Lehrer*innen“ der Uni Leipzig und der Organisation „Protest LEJ“, die besonders die Situation bei Abschiebungen am Flughafen im Blick hat, kamen zu Wort.

Protest gegen Abschiebungen. Foto: René Loch
Protest gegen Abschiebungen. Foto: René Loch

Unter den Teilnehmenden herrschte Einigkeit, dass es grundsätzlich keine Abschiebungen geben dürfe und es legitim sei, sich dagegen zu wehren. Es wird wohl nur eine Frage der Zeit sein, bis sich wieder Menschen vor einer Wohnung oder in einer Schule versammeln, um zu verhindern, dass ihre Freunde abgeholt werden.

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