VideoWenn jetzt nicht wieder irgendein Relotius-Verschnitt auftaucht und erneut auf alle Regeln der lokalen Berichterstattung pfeift, dürfte es das diesjährige Silvester am Connewitzer Kreuz ebensowenig in die Tagesschau schaffen, wie der Augustusplatz oder Leipzig generell. Obwohl dennoch eine Menge los war, nur eben nicht wirklich da, wo die Reflexe so schön zuschnappen. Die zwei schlimmsten Ereignisse des Jahresübergangs fanden laut Polizei in der Georg-Schumann-Straße und der Karl-Heine-Straße statt. Eine Pizzeria brannte und irgendwer schien in Plagwitz Lust auf Barrikadenbau und Konflikte mit der Polizei zu haben.

Doch zuerst zum Connewitzer Kreuz, vor allem wegen der unausgesetzten Versuche, hier das Böse schlechthin zu suchen. Trotz aller Vordebatten über die Böllerei, Tiere in der Großstadt und den Feinstaub danach wurde hier, wie in der gesamten Stadt, geballert, was die Geldbörsen der rund 1.000 (meist männlichen) Anwesenden hergaben. Dennoch gibt es seit Jahren zwei Eigenarten am Kreuz: die „Bier statt Böller“-Demo der PARTEI und einen Drummer, der konsequent in der Kreuzungsmitte das neue Jahr eintrommelt. Beides fand wie gewohnt statt und frei verteilten Kuchen statt Feuerwerk hatte der Leipziger PARTEI-Vorsitzende Kuno Kumbernuß ebenfalls wieder dabei.

Um Mitternacht das gewohnte Bild wie in ganz Leipzig: Umarmungen, Wünsche fürs neue Jahr, gemeinschaftliche Alkoholvertilgung nach klirrenden Anstoßgeräuschen und jede Menge Krawall in der Luft.

Friedliche Anarchie am Kreuz also, bis hin zu Bengalos und so manchem Kracher, bei dem man angesichts der Detonationsstärke lieber nicht nach irgendwelchen Zertifizierungen fragte. Weniger friedlich ein paar taumelnden Punks, die sich ab etwa 0:40 Uhr an der Südbrause in eine wüste Schlägerei mit anderen ebenfalls deutlich Abgefeierten verstrickten, in dessen Folge zwei Beteiligte (je einer pro Partei) von Saniwagen eingesammelt wurden.

Der Grund selbst blieb dabei unklar, der Treibstoff für die teils von Umstehenden fast schon belächelte Boden-Keilerei war wohl in jedem Fall überzogener Konsum von alkoholhaltigen Flüssigkeiten. Wenn anschließend nichts Bleibendes ist, dürfte es als Folge einfach drei, vier Brummschädel mehr am 1. Januar 2019 geben.

Bis weit nach 1 Uhr blieb dies hier der einzige Vorfall, bei dem die sehr zurückhaltend in den Seitenstraßen aufgefahrenen Einsatzbeamten der Polizei etwa 10 Kollegen aufs Kreuz schicken mussten. Um den Abtransport der zwei vom Kampf Erschöpften zu sichern und dafür zu sorgen, dass es keine Massenkeilerei wird.

Fast schien es, als ob auch die anwesende Presse aus maßgeblich L-IZ und LVZ nichts mehr zu sehen bekommen würde, als gegen 1 Uhr doch noch ein rituelles Straßenfeuer aus Zivilisationsresten auf der stadteinwärtigen Seite des Kreuzes entzündet wurde. Als ob man einen Ruf zu verlieren hätte, wenn man es nicht täte, trugen ein paar Männer Brennbares herbei und zündeten alles sorgsam an. Zu dieser Zeit begannen immer mehr Feiernde sich bereits zu entfernen. Statt Wasserwerfer zu schicken, hatte die Polizei in diesem Jahr eine andere Idee.

„Gegen 01:40 Uhr brannte ein Feuer auf dem Connewitzer Kreuz, das durch die Kameraden der Feuerwehr gelöscht wurde. Die Polizei sicherte diese ab. Dabei flogen vereinzelt Feuerwerkskörper in Richtung der Einsatzkräfte. Daraufhin wurde der Bereich geräumt. Verletzt wurde niemand. Eine Anzeige wegen Sachbeschädigung an den Fahrzeugen wurde allerdings aufgenommen. Danach begannen auch hier die Mitarbeiter der Stadtreinigung mit ihrer Arbeit am Connewitzer Kreuz.“, so Pressesprecher Uwe Voigt zum finalen Einsatz am Kreuz.

Bereits eine Stunde zuvor konnte die Stadtreinigung übrigens ihre Arbeit auf dem Augustusplatz beginnen, auf welchem etwa laut Polizei 2.000 Personen den Jahreswechsel feierten. Spannend auch, dass es laut Polizei so gar keine Vorkommnisse aus der Eisenbahnstraße zu vermelden gibt – also wegen Relotius und den gesuchten Bildern …

Und bevor man es vergisst zu erwähnen: eine fast 600.000 Menschen umfassende Stadt hat weitgehend friedlich Silvester gefeiert.

Silvester 2018/19 am Connewitzer Kreuz. Video L-IZ.de

Gravierendere Vorgänge an anderen Orten Leipzigs

Die Polizei zu gewichtigeren Vorgängen der Silvesternacht, bei denen es im ersten Fall nicht um die erste Explosion in einem Imbissgeschäft in Leipzig geht. Hier scheint sich nach ähnlichen Vorgängen eher eine Kette an Ereignissen zu bilden, wenn auch noch ungenau: „Gegen 21:50 Uhr wurde durch die Feuerwehr bekannt, dass in der Georg-Schumann-Straße, in einer Pizzeria es zu einem Brand gekommen war. Die Kameraden der Feuerwehr löschten den Brand umgehend. Trümmerteile lagen auf der Straße verteilt. Die Straße musste gesperrt werden.“

Die Kriminalpolizei hat die Ermittlungen zur Brandursache aufgenommen. Und wichtig ist: „Der Laden war geschlossen. Nach den ersten Ermittlungen vor Ort gehen die Beamten von einer Explosion aus. Die Brandursachenermittler wurden hinzugezogen. Ein endgültiges Ergebnis ist in dieser Nacht noch nicht zu erwarten. Verletzt wurde niemand.“

Silvester über den Dächern von Leipzig. Video: L-IZ.de

Interessant auch, was sich mancher unter einem Jahreswechsel in Plagwitz vorstellt

Die Polizei jedenfalls hat nun das „Terrorismus- und Abwehrzentrum“ eingeschaltet und schildert den Vorgang in der Silvesternacht so: „Gegen 00:03 Uhr wurde bekannt, dass eine Anzahl schwarz vermummter Personen in Höhe Karl-Heine-Straße mit einem Barrikadenbau auf der Straße begonnen hätten. Bei der Anfahrt von Feuerwehr und Polizei wurde bekannt, dass spitze Gegenstände auf der Straße verteilt waren, die zu Reifenschäden bei drei Fahrzeugen der Feuerwehr und einem Funkwagen führten. An der Außenstelle des Bundesgerichtshofes, dem 5. Strafsenat, und an einem Nachbargebäude wurden Beschädigungen bekannt. Fensterscheiben wurden eingeschlagen und die Eingangstür des Strafsenats versucht, anzubrennen. An *drei Fahrzeugen, zwei Pkws und einem Transporter wurden Sachbeschädigungen begangen.“ (*Die Anzahl der beschädigten Fahrzeuge wurde nachträglich durch die Polizei korrigiert)

Darüber hinaus seien am Nachbargebäude „mittels Steinen Scheiben beschädigt und Farbbeutel“ geworfen worden. „In diesem Gebäude hielten sich Personen auf. Verletzt wurde niemand. Kriminalbeamte haben umfangreiche Ermittlungshandlungen und auch kriminaltechnische Tatortarbeit durchgeführt.“

Dazu sucht die Kriminalpolizei nun nach Zeugen, die Hinweise zum Sachverhalt geben können oder zu Personen, die sich zu diesem Zeitpunkt auf der Karl-Heine-Straße in Richtung der beiden Objekte bewegt haben oder anschließend von diesen beiden Objekten sich wieder entfernten. Diese werden gebeten, sich bei der Kriminalpolizei in der Dimitroffstraße 1 in 04107 Leipzig, Tel. (0341) 966 4 6666, oder bei jeder anderen Polizeidienststelle zu melden.

Zur Pressemitteilung der Polizei (PDF) auf L-IZ.de

Statement Oberbürgermeister Burkhard Jung

Zum Anschlag auf den 5. Strafsenat des BGH in Leipzig in der Silvesternacht äußert sich Oberbürgermeister Burkhard Jung: „Die Justiz genießt hohes Ansehen in unserer Gesellschaft. Wer die Justiz angreift, stellt sich damit außerhalb des breiten gesellschaftlichen Konsens’. Es ist für unser Zusammenleben ausgesprochen wichtig, dass solche Gewalttaten aufgeklärt und die Täter bestraft werden. Bitte unterstützen Sie die Arbeit der Polizei bei der Aufklärung dieser Straftat.“

Schlussstrich 2018: Falsche Bilder lange vor Relotius, ein früher Heli und eine Demo am Connewitzer Kreuz

Schlussstrich 2018: Falsche Bilder lange vor Relotius, ein früher Heli und eine Demo am Connewitzer Kreuz

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Michael Freitag über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Es gibt 7 Kommentare

Muss man bei der LVZ sowieso sehr aufpassen. Wenn da jemand einen Buchstaben ändert, wird auch als Artikeldatum das aktuelle Änderungsdatum gesetzt..

Ups, da hab ich nicht richtig geguckt. Stand der Artikel bei lvz-online gleich auf der ersten Seite. Naja, wenns sonst nix zu berichten gibt, muss halt ein alter Hut rumgereicht werden.

Hearst wünsche ich von Herzen ein Mimimi

Liebe Kathrin, ‘dein’ verlinkter LVZ-Artikel ist der vom vorigen Jahr also von Montag, den 1.1.2018.
Dieses Jahr war’s auch für die LVZ friedlich am Kreuz..

Ich wünsche dir, dass du dich bald vom ‘Deutschen Brauchtum’ erholst und uns allen, dass wir den Rest des Jahres davon verschont bleiben ^^

An der Haltestelle Wahren wartete ich ab 0.15 Uhr ziemlich vergeblich auf eine Bimmel stadteinwärts, irgendwann kam dann ein Bus. Bis dahin wurde auf der gegenüberliegenden Straßenseite geknallt, was die Geschäfte und angrenzende Nachbarländer so hergaben. Ob ich nun mit zunehmendem Alter empfindlicher werde nach bereits 2 Hörstürzen oder ob die Böller wirklich immer lauter werden? Ist mein Tinnitus nur bissel sensibel? Fakt ist: nachdem ein sogenannter Polenböller nach mir geworfen wurde und dieser 1m vor meinen Füßen explodierte, höre ich deutlich schlechter.

Es ist noch Neujahr, und ich wünsche allen Polenknallerwerfen abgerissene Hände.

“Hier scheint sich nach ähnlichen Vorgängen eher eine Kette an Ereignissen zu bilden, wenn auch noch ungenau” Hm, könntet ihr das bei Gelegenheit bitte etwas präzisieren?
Übrigens mochte ich den Laden, und es ist (u. a.) schade um das schöne gründerzeitliche Schaufenster.

Schreiben Sie einen Kommentar