Politik ist eben leider nur zu oft reine Lobbypolitik. Mit Vernunft hat sie eher weniger zu tun. Das wissen nicht nur die Schüler und Schülerinnen, die bei „Fridays for Future“ demonstrieren. Eine vernünftige Politik hätte schon längst umgesteuert, wohl auch längst eine ordentliche CO2-Steuer eingeführt. Und – so betont der Leipziger Strategieberater Uwe Hitschfeld – das völlig widersprüchliche System aus Steuern und Abgaben entfilzt.

Das ja nicht ohne Grund so widersprüchlich und undurchschaubar ist. Das ist Absicht. Denn wer seine Spezialinteressen in intransparenten Gesetzen unterbringen kann, der ist froh, wenn der normale Bürger nicht mehr nachvollziehen kann, wer eigentlich von den gesetzlichen Regelungen nun profitiert – von der Absenkung der EEG-Umlage zum Beispiel, um nur ein Beispiel zu nennen.

Eigentlich bräuchte der Gesetzgeber eine große Aufräum-Abteilung, die bei jedem neuen Gesetz tätig wird und erst einmal aufschlüsselt, welche bestehenden Regelungen eigentlich wen und in welchem Ausmaß bevorteilen, wo die normalen Steuerzahler regelrecht ins Bockshorn gejagt werden und gar nicht mehr in der Lage sind nachzuvollziehen, wer eigentlich profitiert und wo sie selbst überproportional zur Kasse gebeten werden.

Wenn der Staatsbürger aber nicht mehr nachvollziehen kann, wer sich eigentlich die Vorteile sichert in der Gesetzgebung und wem ein Gesetz tatsächlich nützt, dann wächst das Misstrauen in Politik. Dann schwelt der Verdacht auf Vorteilsnahme und intransparente Mauscheleien.

„Die aktuelle Debatte um die Einführung einer CO2-Steuer greift zu kurz. Nötig sind eine grundsätzliche Überarbeitung des unübersichtlichen, ineffizienten und widersprüchlichen Systems von Steuern, Abgaben und Förderprogrammen und dessen konsequente Neuausrichtung hin zu einer Vermeidung von CO2 als zentrales Steuerungselement für Klima- und Energiepolitik“, sagt Uwe Hitschfeld vom Leipziger Hitschfeld Büro für strategische Beratung GmbH.

„In den letzten Wochen wurde in Deutschland intensiv über die Einführung einer CO2-Steuer diskutiert. Diese Überlegungen sind nicht neu, sie sind von Wissenschaft und Wirtschaft immer wieder an die Politik herangetragen worden. Nun wird dieser Vorschlag aufgegriffen. Also: Alles gut? – Leider nicht!“

Eine CO2-Bepreisung – zum Beispiel in Form eine Steuer – sei sinnvoll, betont er. Aber erst, wenn sie das neue, zentrale Steuerungselement für die deutsche und europäische Klima- und Energiepolitik wird. „Nicht, wenn sie einfach auf das bestehende, unübersichtliche, ineffiziente und oft widersprüchliche System von Steuern, Abgaben, Entgelten und Förderungen in diesem Bereich aufgesattelt wird“, so Hitschfeld. „Im Grundsatz geht es eben nicht darum, eine neue Steuer zu erfinden, sondern es sollte um eine Reform des energiewirtschaftlichen Gesamtsystems mit dem Ziel des Abbaus von Ineffizienz, Widersprüchen und Überregulierung und der konsequenten Ausrichtung auf die Vermeidung von CO2 gehen.“

Denn natürlich nutzt eine CO2-Steuer nichts, wenn gerade Verursacher großer CO2-Mengen sich das Geld dann über andere Vergünstigungen wieder zurückholen können, während Bürger, die ihren CO2-belasteten Energieverbrauch tatsächlich senken, am Ende doch wieder draufzahlen.

Und Deutschland hat bis heute noch riesige Kostenbefreiungen für große CO2-Emittenten. Das geht bei den erlassenen Abgaben für Kohletagebaue los, geht bei steuervergünstigtem Diesel weiter und hört beim steuerbefreiten Kerosin für den Luftverkehr nicht auf. Im Ergebnis führt das dazu, dass sich Luftverschmutzung durch große CO2-Erzeugung immer noch rechnet und die Verursacher nicht einmal Druck verspüren, ihr Verhalten zu ändern.

Um Mehreinnahmen für den Staat sollte es nicht gehen, betont Hitschfeld, sondern um Klarheit, Eindeutigkeit und Transparenz.

„Eine CO2-Steuer soll deshalb auch nicht mit dem Ziel eingeführt werden, die Einnahmen des Staates zu erhöhen. Sie soll eine Steuerungswirkung hin zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes entfalten und kann durchaus zunächst aufkommensneutral gestaltet werden“, betont Hitschfeld. „Die Bedenken, durch eine neue Steuer könne für die Bevölkerung und die Wirtschaft unzumutbare Belastung entstehen, erübrigen sich damit.“

Aber da ist ja noch die – bis heute fehlende – Ausmist-Abteilung beim Gesetzgeber.

Hitschfeld: „Eine andere Art der Belastung gibt es allerdings: Die Entwicklung eines solchen neuen, zeitgemäßen Steuer- und Abgabensystems für Klimaschutz und Energiepolitik ist kein Schnellschuss. Es entsteht nicht in einem Talkshowformat. Es erfordert den Sachverstand von Fachleuten aus Wissenschaft, Politik, Verwaltung und Wirtschaft und einen strategischen Politikansatz. Dafür ist es hohe Zeit!“

Aber das ungute Gefühl hat sich ja schon verbreitet, als – kaum hatte Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) die CO2-Steuer ins Spiel gebracht – sich Politiker wie Manfred Weber, EVP-Spitzenkandidat zur Europawahl, und CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer zu Wort meldeten, um den Vorschlag sofort vom Tisch zu wischen. Was dann den „Spiegel“ am 3. Mai gleich mal zum Hefttitel „Murks in Germany“ veranlasste, denn die Milliarden, die Deutschland für die Energiewende ausgibt, landen oft gar nicht da, wo wirklich an den neuen Energiestrukturen gearbeitet wird, sondern in den Taschen der alten Erzeuger, die ihre CO2-Schleudern gar noch als Übergangstechnologie verkaufen. Von einer klaren Linie ist da nichts zu sehen. Die Technologieführerschaft geht verloren und Zukunftsindustrien wandern ab.

Und einen „strategischen Politikansatz“ findet man auch nicht. Dazu bräuchte es strategisch denkende Politiker, die auch über den Tag und die nächste Landtagswahl hinauszudenken wagen, also eine Vision haben und wissen, wie man daran arbeitet. Die sind aber ziemlich selten geworden in Deutschland. Das Ergebnis: Eine ausgewachsene Klientelpolitik, die vor allem dafür sorgt, dass jede Menge Geld ohne Sinn vergeudet wird und die simpelsten Ziele der Klimapolitik nicht erreicht werden.

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