Für alle Leser/-innenBei einer Solidaritätsdemonstration für die Kämpfe in Chile und im kurdischen Rojava ist es am Ende zu körperlichen Auseinandersetzungen zwischen Teilnehmenden und der Polizei gekommen. Letztere setzte jeweils mindestens einmal Pfefferspray und Schlagstock ein und wirkte teilweise komplett überfordert. Zudem musste der Notarzt kommen. Zuvor hatten am Sonntag, 19. Juli, rund 400 Personen für Antifaschismus, Antikapitalismus und Feminismus demonstriert.

Es begann als Solidaritätsdemonstration mit den Kämpfen in Chile und im kurdischen Rojava und es endete mit mindestens einer Festnahme, gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei und einem Notarzteinsatz.

Zunächst hatten sich am Sonntag, den 19. Juli, zwischen 16 und 17 Uhr etwa 400 Personen auf dem Willy-Brandt-Platz versammelt. Dort startete die Demonstration unter dem Motto „Von Chile bis nach Rojava – Freiheitskampf bleibt international!“ mit einer Auftaktkundgebung. Spruchbänder zeigten unter anderem die Aufforderungen, den Angriffskrieg der Türkei gegen Kurd/-innen zu stoppen und politische Gefangene freizulassen.

Auftaktkundgebung am Hauptbahnhof. Foto: L-IZ.de
Auftaktkundgebung am Hauptbahnhof. Foto: L-IZ.de

Zu sehen waren auch zahlreiche Fahnen der kurdischen Streitkräfte YPG und ein Banner, das den inhaftierten PKK-Führer Abdullah Öcalan zeigt. Nach einem Hinweis der Polizei, dass letzteres verboten sei, wurde das Banner bei einer Zwischenkundgebung auf dem Marktplatz entfernt. Keine Fotos von Öcalan zu zeigen war zudem Teil der Auflagen. Ein solches Verbot gilt in Deutschland seit mehr als drei Jahren.

Das Verbot der PKK in Deutschland und die Einstufung als Terrororganisation sind umstritten, unter anderem weil der Europäische Gerichtshof im November 2018 geurteilt hatte, dass die Organisation zumindest zeitweise zu Unrecht auf der „Terrorliste“ der EU stand. Die Vereinten Nationen stufen die PKK nicht als Terrororganisation ein.

Revolution in Rojava, Proteste in Chile

Die Redner/-innen auf dem Marktplatz thematisierten sowohl die Situation in Rojava, wo eine ökologische, feministische, antifaschistische und antikapitalistische Revolution gelungen sei, als auch die Proteste gegen soziale Ungerechtigkeit in Chile. Bei den Kämpfen in Südamerika kommt es immer wieder zu schweren Verletzungen. Hunderte Menschen verloren mindestens ein Auge. Die Vereinten Nationen werfen Chile auch Folter und Vergewaltigung der Protestierenden vor.

Eine weitere Zwischenkundgebung sollte eigentlich auf dem Augustusplatz stattfinden. Diese verlief jedoch anders als geplant. Nachdem die Polizei eine Person aus der Menge geholt hatte, um deren Identität festzustellen, protestierte die Mehrheit der übrigen Demoteilnehmer/-innen gegen diese Maßnahme.

Den Grund für die Identitätsfeststellung wollte die Polizei vor Ort auf Nachfrage der L-IZ nicht nennen. Mitglieder des Orgateams sagten, dass sie möglicherweise mit einer angeblichen Öcalan-Abbildung zusammenhänge.

Zu einer weiteren Identitätsfeststellung – beziehungsweise dem Versuch – kam es kurz vor Beginn der Abschlusskundgebung auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz. Auch in diesem Fall ist der Grund für die Maßnahme unbekannt.

Nach mehr als zehn Minuten des Dialogs wurde die betroffene Person unter Gegenwehr plötzlich in ein Polizeiauto gebracht. Einige Personen versuchten offenbar, die Abfahrt zu verhindern, was der Polizei dennoch gelang.

Pfefferspray, Schlagstock und ängstliche Gesichter

Bei etwa 50 in der Nähe stehenden Demoteilnehmenden, die das Geschehen aus rund 30 Meter Entfernung verfolgt hatten, brach nun großer Unmut aus. Sie beschimpften die sich in der Nähe befindlichen Polizist/-innen; einige Personen weinten – die Stimmung war aggressiv. Polizeibeamte setzten ihrerseits mindestens einmal Pfefferspray und mindestens einmal den Schlagstock ein. Die Polizei wirkte überfordert und bei einigen von ihnen war so etwas wie Angst in den Augen zu sehen.

Kurz darauf wurde es erneut hektisch, weil ein Demoteilnehmer am Boden lag. Menschen, die sich sofort um ihn kümmerten, ihn auf die Seite legten und beruhigend auf ihn einredeten, riefen nach dem Notarzt und Asthmaspray. Andere schirmten die am Boden liegende Person vor neugierigen Blicken ab.

Einige Polizist/-innen wollten zum Ort des Geschehens, jedoch versperrten ihnen Demoteilnehmer/-innen den Weg. Ein Polizist versuchte daraufhin, durch die Kette durchzubrechen, was den Widerstand verstärkte. Die Polizist/-innen zogen sich daraufhin zurück. Nach fünf bis zehn Minuten kamen die Notärzt/-innen – zu diesem Zeitpunkt ging es dem Betroffenen aber offenbar schon wieder etwas besser. Viele Anwesende wirkten dennoch schockiert.

Etwa 50 Personen warteten nun noch darauf, dass die Festgenommene aus dem nahegelegenen Polizeirevier zurückkehrt, was kurze Zeit später geschah. Sie humpelte und gab an, an Armen und Beinen verletzt zu sein. Danach endete die Versammlung. Für einige Teilnehmer/-innen dürfte sie juristische Konsequenzen haben.

Redebeiträge der Rojava-Solidemo am 19. Juli 2020

Audio: L-IZ.de

Impressionen der Demonstration

Video: L-IZ.de

Rojava zwischen allen Fronten: Kurden demonstrieren in Leipzig + Video

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