Eigentlich sollten am frühen Abend gleich drei Antifa-Demonstrationen in Leipzig starten. Doch ein Verbot der Versammlungsbehörde machte den Organisator/-innen einen Strich durch die Rechnung. Weil auch die Klage am Verwaltungsgericht ohne Erfolg blieb, waren für diesen Samstag, den 23. Oktober, keine größeren Veranstaltungen geplant. Eigentlich. Denn offen ist, ob es am Abend oder in der Nacht spontane Aktivitäten gibt. Am Vormittag kam es bereits zu Sachschaden in der Gorkistraße und am Nachmittag gedachten knapp 200 Personen der Todesopfer rechter Gewalt.

Die Gorkistraße grenzt nördlich an den polizeilichen Kontrollbereich, der sich heute über weite Teile Leipzigs erstreckt. Dort gingen heute Vormittag für einige Minuten einige dutzend Personen auf die Straße. Sie riefen Parolen, zündeten Pyrotechnik und beschädigten ein Immobilienbüro und eine Bankfiliale.Am Nachmittag folgte auf der Karl-Liebknecht-Straße eine Gedenkkundgebung für Achmed B. und andere Todesopfer rechter Gewalt. Dort waren etwa 150 bis 200 Personen vor Ort; beobachtet von einem großen Polizeiaufgebot. Im gesamten Kontrollbereich ist die Polizei massiv präsent. Immer wieder berichten Menschen von willkürlichen Kontrollen – solche sind in diesem Bereich erlaubt.

Zum ersten Teil des Livetickers

6:30 Uhr: Das Ende einer langen Polizeinacht

Worte wie „Machtdemonstration“, „Polizeistaat“ und der Fakt wenigstens zweier Spontandemonstrationen und eines Angriffes auf vier von rund 2.000 Einsatzbeamten werden von diesem 23. Oktober 2021 bleiben. Nachdem bereits tagsüber das Gebiet rings um die Innenstadt und der Leipziger Süden mit deutlich erhöhter Polizeipräsenz, Absperrgittern rings um Gebäude wie die Polizeidirektion Leipzig und dem Vorüberrollen von Wasserwerfern und Polizeipanzern war, verlagerte sich das Geschehen in der Nacht vor allem in den Leipziger Süden.

Neben einer ergebnislosen Durchsuchung des Fockeberges agierte die Polizei schwerpunktmäßig entlang der Bornaischen Straße.

Aber auch auf der Eisenbahnstraße waren in der Nacht Böllerschläge zu hören, ein Feuerwerk erhellte längere Zeit Connewitz, wo auch eine kleinere Barrikade brannte. Auf der Bornaischen Straße versuchte die Polizei mindestens in ein Haus zu gelangen, es fanden diverse Identitätsfeststellungen statt.

Video-Impressionen von der Bornaischen Straße bis 3 Uhr

Video: LZ

Was nun am Verbot und den gleichzeitigen Großeinsatz der Polizeien aus mehreren Bundesländern ein Erfolg sein soll, bleibt fraglich – das Fernbleiben von Gewalt entsprach eher dem eines normalen Samstages in Leipzig.

Die Versammlungsanmelderinnen selbst hatten jedoch auch selbst aktiv zum Versammlungsverbot beigetragen, da sie keinerlei mildere Mittel wie eine stationäre Kundgebung und damit eine höhere Wahrscheinlichkeit eines friedlichen Verlaufes annehmen wollten.

Ihren Gang durch die Gerichte hatten sie nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes abgebrochen und jede weitere Verantwortung für die kommenden Ereignisse von sich gewiesen.

Gesamt betrachtet blieben diese überwiegend friedlich, während Leipzig eine fast stadtweite Kontrollzone und einen gehörigen Grad an Militarisierung erleben musste.

Nachtrag, 24. Oktober 2021

Im Nachgang an die Nacht hat die Polizeidirektion Leipzig (PD Leipzig) eine weitere Meldung veröffentlicht. In dieser heißt es neben dem Angriff auf ein Einsatzfahrzeug und vier Beamte (siehe weiter unten im Ticker) zu drei Brandstiftungen im Laufe der Nacht an anderen Orten der Stadt: „Gegen 22:20 Uhr wurden zwei brennende Pkw (Audi A4 und Hyundai) in der Neuen Gutenbergstraße/Ecke Ludwig-Hupfeld-Straße festgestellt. Gegen 23:30 Uhr wurde ein weiterer brennender Pkw Mercedes Benz in der Großen Fleischergasse gemeldet. Durch die enorme Wärme wurden vier weitere Fahrzeuge beschädigt.“

Weiterhin seien „um 00:22 Uhr auf dem Gelände eines Autohauses im Leipziger Stadtteil Zentrum-Südost fünf brennende Fahrzeuge festgestellt“ worden. Vier Tatverdächtige (w/18, w/20, m/21, m/24, alle deutsch) wurden noch vor Ort angetroffen und wurden zur Identitätsfeststellung in die PD Leipzig gebracht.

Darüber hinaus stellten die Beamten in der „Kantstraße eine beschädigte Bankfiliale fest. Die Scheiben wurden mit Bitumen und Steinen beworfen. Es konnten zwei flüchtende weibliche Tatverdächtige (23/deutsch, 23/französisch) durch die Kräfte gestellt werden.“

01:20 Uhr: Fliegende Gegenstände in Connewitz

Nach Mitternacht flogen in Connewitz noch ein paar Gegenstände auf die Polizei. Diese war angerückt, um einen Brand zu löschen, wurde beworfen und musste flüchten.

Später übernahm ein Räumpanzer die Aufgabe.

23:25 Uhr: Sponti auch in Connewitz

Am späten Abend tut sich dann doch noch einiges im Leipziger Süden. Etwa 50 Personen sind fünf bis zehn Minuten lang über die Bornaische- und Stockartstraße in Connewitz gelaufen. Dabei wurde etwas Feuerwerk gezündet. Zudem wurden ein paar Mülltonnen umgeworfen. Die Polizei ist schnell mit einem Großaufgebot in Connewitz zur Stelle und räumt teilweise die Straßen.

22:05 Uhr: Doch noch eine Sponti

Vor etwa 30 Minuten sind einige Personen durch Lößnig gelaufen und haben dabei Pyrotechnik abgebrannt. Die Spontandemo dauerte nur wenige Minuten. Bereits nach kurzer Zeit war die Polizei mit einem Großaufgebot vor Ort. Sachbeschädigungen oder Identitätsfeststellungen wurden bislang nicht bekannt.

21:40 Uhr: Die Polizei zieht ein Zwischenfazit

Unser Eindruck: Egal, wo in Leipzig man sich aufhält, im 2-Minuten-Takt kommt oder fährt die Polizei vorbei. Und wenn man beim Lidl in Connewitz parkt, bietet sich folgendes Bild:

Polizeipräsident René Demmler zieht derweil ein positives Zwischenfazit und spricht davon, dass das Demoverbot eine „Demobilisierungswirkung gegenüber der beabsichtigten Anreise von gewaltgeneigten Personen entfaltet“ habe. Abgesehen von den Sachbeschädigungen an der Gorkistraße habe es keine nennenswerten Zwischenfälle gegeben.

Was es heute auch noch gab:

20:10 Uhr: Es lärmt mal wieder

Ach, das haben einige wirklich vermisst. Vor allem im Leipziger Süden ist seit Anbruch der Dunkelheit ein Polizeihubschrauber unterwegs und seit etwa 20 Uhr noch ein zweiter.

Polizei über Leipzig. Foto: LZ

Die Polizei möchte damit beobachten können, ob es irgendwo zu potentiell Gewalt suchenden Ansammlungen oder auch nur zu potentiellen Spontanversammlungen kommen könnte. Für viele Anwohner/-innen bedeuten die Hubschrauber aber zunächst einmal vor allem: Lärm. Viel Lärm.

19:25 Uhr: Best of Kontrollbereich

Zur Einstimmung auf einen langen Abend präsentieren wir ein Best-of-Kontrollbereich. Selbst ein Spielplatz wird zum Beobachtungsobjekt der Polizei.

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