Aktuelle Umfragen zur Landtagswahl in Sachsen 2024 prognostizieren für die AfD ein Ergebnis von 30 %. Diese Entwicklung schockiert leider kaum noch jemanden. Insbesondere in Sachsen ist das Erstarken rechtspopulistischer bis rechtsextremer Milieus seit Jahren Alltag. Nach Jahren mit der AfD im Parlament, mit PEGIDA, LEGIDA & Co. auf der Straße und dem neuen Konglomerat aus prorussischen, querdenkenden, esoterischen und rechten „Sozialprotesten“ haben sich viele Menschen an deren demokratiefeindliche, ausgrenzende und menschenverachtende Rhetorik gewöhnt.

Aber jeder fremdenfeindliche Kommentar, jeder „Ungeimpft“-Stern und erst recht jeder Anschlag auf Unterkünfte für Geflüchtete sollte, nein muss, die Zivilgesellschaft empören und uns nur noch geeinter der rechten Hetze entgegenstehen lassen.

Titelblatt der Dezember der LEIPZIGER ZEITUNG, LZ 109.
Titelblatt der Dezember der LEIPZIGER ZEITUNG, LZ 109. Foto: LZ

Mein Name ist Gabriel Clemens und um genau da anzusetzen, absolviere ich mein Freiwilliges Soziales Jahr Politik im Erich-Zeigner-Haus e. V. Leipzig. Klar, auch wenn wir es gerne wollen, unsere Arbeit rettet nicht die Welt, doch wir fangen da an, wo man noch etwas bewegen kann – in der Bildungsarbeit gegen rechts. In Stolpersteinprojekten recherchieren wir gemeinsam mit jugendlichen Schülerinnen und Schülern Opferbiografien zwischen 1933 und 1945, für die durch den Kölner Künstler Gunter Demnig Stolpersteine verlegt werden. Die ausführliche Beschäftigung der Jugendlichen mit Biografien und den damaligen gesellschaftlichen Zuständen prägt deren Meinungsbildung und trägt zur Entwicklung von humanistischen Moral- und Wertevorstellung bei.

Aber Bildung hört nicht nach der Schule auf, deswegen bieten wir auch Weiterbildungen für Multiplikator/-innen sowie Vorträge im Bereich der Erwachsenenbildung an, in denen aktuelle politische und gesellschaftliche Themen vermittelt werden. Um auch Menschen im Umland von Leipzig zu befähigen, in der historisch-politischen Bildungsarbeit aktiv zu werden, haben wir unsere Erfahrungen und Erkenntnisse in einem Leitfaden zusammengefasst, der den Projektablauf darstellt und wichtige Materialien enthält.

Die Jugendprojekte laufen meist über ein ganzes Jahr. Was dabei erschreckend oft auffällt: Der Unterricht in den Schulen schafft es offenbar nicht, die Zeit des Nationalsozialismus ausreichend aufzuarbeiten. Das Auswendiglernen von Zahlen und Fakten führt bei den Lernenden vielmehr zu einem Gefühl der Übersättigung, nicht zum Verstehen und gleich gar nicht zur Ausbildung eines moralischen Bewusstseins.

Dies ist allerdings nur bedingt Schuld der Lehrenden. Vielmehr müssen wir dringend überdenken, wie wir das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte den Kindern und Jugendlichen so vermitteln können, dass nicht nur ein paar Jahreszahlen hängenbleiben, sondern auch ein grundlegenderes Verständnis entstehen kann. Nur daraus folgt ein breiteres – und wenn notwendig auch lauteres – Engagement der Zivilgesellschaft gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus.

Hoffnung geben mir verschiedene Initiativen und Projekte, wie zum Beispiel die zwischen Januar und März 2023 im neuen Rathaus gezeigte Wanderausstellung des United States Holocaust Memorial Museum „Einige waren Nachbarn: Täterschaft, Mitläufertum und Widerstand“, durch die auch wir Schülerinnen und Schüler begleiten werden. Vor allem junge Menschen sind eingeladen, diese Ausstellung zu besuchen.

Sie nähert sich den Verbrechen des Nationalsozialismus vor allem über regionale Bezüge und die Arbeit mit historischen Fotos – neue didaktische Methoden, die vor allem junge Menschen dazu befähigen, ihre eigenen Gedanken und Gefühle auszudrücken. Und natürlich werden wir weiter mit unserer täglichen Arbeit im Erich-Zeigner-Haus e. V. dazu beitragen, Schülerinnen und Schüler für das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte zu sensibilisieren und dafür eintreten, dass sich die Verbrechen der Nationalsozialisten nie wiederholen.

Mehr aktuelle Träume sowie aus den letzten Jahren auf L-IZ.de 

„Bildung gegen Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus“ erschien erstmals am 16. Dezember 2022 in der aktuellen Printausgabe der Leipziger Zeitung (LZ). Unsere Nummer 109 der LZ finden Sie unter anderem in Großmärkten und Presseshops sowie bei diesen Szenehändlern.

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