Der Aufmacher des Artikels „Wir brauchen mehr Bock auf Arbeit“ findet sich im Interview mit Steffen Kampeter zwar auch, aber nur im Zusammenhang mit „staatlicher Fürsorge“ für Arbeitslose. Dafür heißt es über das Bundesarbeitsministerium: „Das ist aber zu wenig für ein Ministerium, das auch Bock auf Arbeit machen sollte.“ Also mal kein Gute-Laune-Ministerium, sondern ein Bock-mach-Ministerium.

Steffen Kampeter, den table.media da zum Lob der Arbeit interviewt hat, ist ja nicht umsonst BDA-Hauptgeschäftsführer, er zeigt das im Interview auch deutlich, indem er die Unternehmen für ihre Maßnahmen zur Fachkräftesicherung bejubelt und den „Schwarzen Peter“ an die Politik weiter reicht, die den Unternehmen nur Steine in den Weg legt.

Ich will die Maßnahmen der Wirtschaft nicht kleinreden, immerhin haben viele Unternehmen jahrzehntelang ausgebildet, zwar ohne Einstellungsgarantie, aber man kann nicht alles haben. Schon gar nicht eine Ausbildung mit späterer Übernahme ins Unternehmen.

Besonders in den 1990er und 2000er Jahren wurden massenhaft Arbeitskräfte outgesourct, Leiharbeiter wurden eingestellt und die Facharbeit wurde zur angelernten Tätigkeit degradiert. Der Facharbeiter wurde dem Shareholder-Value geopfert.

Das machte richtig Bock auf Arbeit!

Besonders für zwei Altersgruppen, die Älteren und die Jüngeren.

Der 50-jährige Facharbeiter, der sich plötzlich in einem Unternehmen ohne Tarifvertrag wiederfand, allerdings noch die gleiche Arbeit – manchmal sogar an der gleichen Maschine – erledigte, der bekam richtig Bock auf Arbeit. Der Rettungsanker wurde die Rente mit 63, die Kampeter als Ursache des Übels sieht.

Dessen Kinder, also der von Kampeter beklagte Nachwuchs, bekam ebenfalls richtig Bock, in die Fussstapfen der Eltern zu treten und eine Ausbildung zu beginnen, die zu den gleichen Perspektiven führte.

Die Rente mit 63 ist das Übel, Kampeter sagt dazu „Sie nimmt uns hochqualifizierte Leistungsträger.“

Seltsam, bis vor kurzer Zeit wollten die Unternehmen, bei Einstellungen nichts von diesen Leistungsträgern wissen, auch innerbetrieblich wurden diese gern hintenan gestellt. Das alte Eisen eben.

„Es geht um den Wert von Arbeit. Um den Stolz auf Arbeit“, sagt Kampeter in diesem Zusammenhang.

Über mindestens zwei Jahrzehnte wurde der Wert der Arbeit von Unternehmerseite nicht anerkannt – die Mitarbeiter waren lästige Kostenfaktoren, die man versuchte zu reduzieren. Der „Stolz auf die Arbeit“, wo soll der herkommen? Soll der Leiharbeiter bei VW am Fließband stolz auf den Konzerngewinn sein?

Es gibt Fehler der Politik, einige beschreibt Kampeter völlig zutreffend, aber die Arbeitgeber, die er vertritt, sollten sich auch ihren Fehlern stellen und sie schnellstens korrigieren.

Sonst hat niemand mehr Bock auf Arbeit.

Der Beitrag entstand im Rahmen der Workshopreihe „Bürgerjournalismus als Sächsische Beteiligungsoption“ – gefördert durch die FRL Bürgerbeteiligung des Freistaates Sachsen.

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