Einige der Leserinnen und Lesern haben vielleicht beim Lesen der Überschrift schon den NDW-Gute-Laune-Hit „Ich bin ja so verschossen, in Deine Sommersprossen“ von UKW gesummt und fragen sich: Was hat das mit dem Wahlkampf zu tun? Es geht um die Zeilen: „Haben wir hier schlechtes Klima, Fahren wir sofort nach Lima“. Das klang damals lustig, gemeint war aber wahrscheinlich das Wetter, nicht das globale Klima. Dem Klimawandel kann man ja nicht davonlaufen.

Was ist mit dem Klima? Das letzte Jahr war global, aber auch in Deutschland, das wärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen und der Januar 2025 schloss sich nahtlos an. Trockenheit im Wechsel mit Starkregen, Waldbrände und Überschwemmungen, die Aufzählung könnte man fortsetzen. Ergo: Nach Erkenntnissen der Wissenschaft ist der Klimawandel in vollem Gange, ob und wie er sich aufhalten beziehungsweise wenigstens verlangsamen lässt, darüber scheiden sich die Geister.

Eines ist aber Fakt: Es darf kein „Weiter so“ geben.

Ist das ein gesellschaftlicher Konsens?

Eine Wähler-Befragung der FAZ (Forsa-Umfrage) endete mit dem Ergebnis: „Umwelt und Klimawandel laut Umfrage wichtiger als Migration und Wirtschaft“, das will schon etwas über den Willen der Wählerinnen und Wähler besagen. Schließlich ist die FAZ nicht das, was Gegner einer effektiven Klimapolitik „Grüne Postille“ nennen.

Die FAZ liefert dazu auch gleich einen Erklärungsansatz: „Wahlkämpfe leben von Zuspitzungen – In der Sache aber oft durch den Fokus auf ein dominantes Thema.“

Wer setzt dominante Themen im Wahlkampf?

Die Dominanz der Themen wird von den wahlkämpfenden Parteien bestimmt, von den Medien (der Autor nimmt sich hier nicht aus) verbreitet und kommt so beim „Wahlvolk“ an.

Konnte man die Bundestagswahl 2021 schon als eine Klimawahl (die Grünen setzten damals den Fokus) bezeichnen, so wird 2025 der Fokus von der AfD gesetzt, von CDU/CSU übernommen und selbst jene Parteien, die eine Verschärfung der Migrationspolitik nicht wollen, müssen dauerhaft über Migration reden.

Man könnte hier von einer Verschiebung des Fokus auf ein anderes Thema sprechen, sieht man das Ergebnis der oben genannten Umfrage.

Was sind die Gründe für die Verschiebung?

Die Anschläge von Magdeburg, Aschaffenburg und weitere lenkten, befeuert durch Teile der medialen Berichterstattung, die Aufmerksamkeit auf ein „Migrationsproblem“. Wäre die mediale Berichterstattung genauso extrem bei jedem Femizid, bei jedem tödlichen Autounfall durch Alkohol oder überhöhte Geschwindigkeit, bei jedem von Familienangehörigen missbrauchten Kind oder ähnlichen Verbrechen, dann hätten wir einen anderen Fokus. Das soll selbstverständlich keines dieser Verbrechen verharmlosen oder abwerten, alle sind schlimm.

Wie lief die Verschiebung?

Es begann mit dem Ampel-Aus, damals hatte die FDP, gemeinsam mit CDU/CSU, den Fokus auf Wirtschafts- und Finanzpolitik gesetzt und wollte mit der angeblichen Unfähigkeit von SPD und Grünen in den Wahlkampf gehen. Komplizierte Themen, die komplexe Lösungsvorschläge erfordern. Diese muss man den Wählerinnen und Wählern erklären.

Dann kamen die oben genannten furchtbaren Anschläge. Plötzlich konnte der Spin geändert werden, ein Wahlkampf mit „Migrationsproblemen“ lässt sich mit einfachen Antworten auf komplexe Fragestellungen führen. Die Antwort ist: Migranten müssen weg und dürfen nicht rein!

Das ist einfacher unters „Wahlvolk“ zu bringen, als Wirtschafts- und Finanzpolitik. Über die Probleme kann man ja reden, wenn man die Wahl gewonnen hat. Das Grundrauschen des Migrationsthemas übertönt alle anderen Themen.

Was ist mit dem Klima?

Das Thema läuft so nebenbei, wenn es nicht ganz unter die Räder kommt. Dabei sind die Klimapolitik, die Finanzpolitik und die Wirtschaftspolitik eng verbunden. Wollen wir eine Welt erhalten, in der die Menschheit dauerhaft überleben kann, dann müssen wir bei jeder finanz- oder wirtschaftspolitischen Frage die Klimapolitik zumindest mitdenken, wenn nicht sogar an die erste Stelle setzen.

Fazit: Die Verschiebung des Fokus im Wahlkampf auf die Migration ist problematisch. Sie hilft weder dem globalen Klima noch dem gesellschaftlichen. Anders als Tina in den „Sommersprossen“ können wir nicht vor dem Klimawandel nach Lima abhauen und dann ist wieder alles prima.

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