2020 beschloss die sächsische Landesregierung, dass in Gesetzen und Rechtsvorschriften nicht mehr nur die männliche Version zu verwenden ist. Es gab erwartbar Widerspruch von den üblichen Akteuren der „reinen Deutschen Sprache“, aber es wurde durchgesetzt. Die neue Landesregierung macht jetzt eine halbherzige Rolle rückwärts, verkauft das aber als Bürokratieabbau.
Mit der Pressemitteilung vom 4. März gab Justizministerin Constanze Geiert bekannt, dass mit der Verwaltungsvorschrift über den Erlass von Rechts- und Verwaltungsvorschriften (VwV Normerlass – VwVNE) die Erarbeitung von Gesetzen, Rechtsverordnungen sowie Verwaltungsvorschriften in Zukunft unbürokratischer und einfacher gestaltet wird.
Explizit betonte sie: „Vor allem wurden – zur deutlichen Entlastung der Rechtssetzung – die sächsischen Sonderregeln für eine geschlechtergerechte Gesetzessprache gestrichen. Diese zwangen bisher u.a. bei jeder Gesetzesänderung zur entsprechenden Umformulierung des gesamten Gesetzes, was dazu geführt hat, dass auf notwendige Gesetzesänderungen verzichtet wurde. Dieser enorme bürokratische Mehraufwand wird gestoppt. Der entstandene Normenstau kann nun abgebaut werden.“
Das klingt fast schon einleuchtend. Die gendergerechte Überarbeitung von Gesetzestexten bei einer Novellierung über die Novelle hinaus scheint hoch kompliziert zu sein. Der Gesetzgeber verzichtet also auf Novellen und Änderungen wegen dieser Änderungen?
Jeder Nutzer von MS Word, LibreOffice oder anderen modernen Textverarbeitungsprogrammen kennt wohl den Modus „Änderungen anzeigen“ und den Befehl „Suchen und ersetzen“, damit kann man in großen Texten beispielsweise „Bürger“ durch „Bürger:innen“ oder „Bürgerinnen und Bürger“ ersetzen. Dann schaut man sich die Änderungen an und ändert eventuell noch Personalpronomen, Artikel oder anderes, was mit dieser Änderung im Zusammenhang steht. Das ist keine Atomwissenschaft.
Die Ministerin betont aber auch: „Gesetzestexte müssen für die Menschen und die Wirtschaft vor allem verständlich sein.“ Dem steht das Gendern wohl im Wege. Ein kleiner Einwurf sei gestattet: Lesen Sie nur Punkt 1 (Begriffsbestimmung und Geltungsbereich) im VwV Normenerlass, verständlich ist anders. Nur gut, dass der Begriff „Tanzlustbarkeiten“, unter dem sich nicht nur junge Menschen nichts mehr vorstellen können, letztmalig in der Corona-Schutzverordnung von 2022 auftauchte.
Ist das Gendern und die nachträgliche sprachliche Anpassung von Gesetzen nun vom Tisch?
Das kann man nicht wirklich feststellen. In Anlage 2 (Gestaltung von Rechtsnormen und Verwaltungsvorschriften) des VwV Normenerlass lesen wir einen Punkt, der dieser Behauptung widersprechen könnte.
Unter I 2. f) steht: „Die Rechtsnormen bringen die Gleichstellung von Frauen und Männern auch sprachlich zum Ausdruck, ohne jedoch die Verständlichkeit oder Klarheit des Rechtstextes zu beeinträchtigen.“ Das bedeutet: Wenn man auf das Gendern verzichtet, muss es künftig „Bürgerinnen und Bürger“, „Einwohnerinnen und Einwohner“ und so weiter heißen.
Absolut wichtig, dem angeblich zu hohen Arbeitsaufwand für geschlechtergerechte Formulierungen aber widersprechend, heißt es in der gleichen Anlage beispielsweise unter I 3. b) „Anlässlich eines Änderungsvorhabens sollen alle Vollzitate den neuen Zitierregeln angepasst werden. Dies gilt nicht für die Eingangsformeln von Stammverordnungen. Im Falle der Anpassung sind die Folgezitate, bei denen bislang die Abkürzung verwendet wird, ebenfalls anzupassen.“
Das scheint, von der Formulierung her, auch bei Novellen, für das gesamte Gesetz zu gelten und auch machbar zu sein. Das gilt übrigens für den gesamten Punkt I 3. – „Übergangsvorschriften aus Anlass der Einführung der neuen rechtsförmlichen Regeln bei der Änderung von Rechtsnormen“.
Fazit: Es geht nicht um zu hohen Arbeitsaufwand, weil Formulierungen in Gesetzen, Rechtsverordnungen sowie Verwaltungsvorschriften geändert werden müssen. Es geht gegen das Gendern. Dann sollte man das auch sagen.
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Es gibt 4 Kommentare
“Das generische Maskulinum wird dabei oftmals nicht generisch verstanden.”
Sehe ich auch so. Und die Lösung kann natürlich nicht sein, dass man es so versteht, wie es gemeint ist, das wäre zu einfach, dann müsste man ja an sich selbst arbeiten. So ist jemand anderes schuld und v.a. verantwortlich.
Sondern wir brauchen, da wir in Deutschland sind, neue Regeln, Gesetze, Vorschriften, Gerichtsurteile damit wir es allen recht machen können (was sowieso nie klappen wird).
> “Gendern ist und bleibt die Zuordnung des korrekten sprachlichen Genus zu einem Wort. ”
Hallo Herr Butter,
unter “Gendern” kann man viel verstehen und den Begriff weit fassen. Das, was dieses große Thema von der Bluttemperatur her auf den Reizpunkt bringt, und von mir auch gemeint war, sind Sonderzeichen im Wort, und wenn die nicht in Gesetze kommen, nicht in meinen Medien auftauchen, nicht in meiner Firmenpost landen, dann ist alles gut. Privat kann jeder reden wir er möchte. Von mir aus Denglisch, Jugendsprache, Büro-Bullshit-Bingo (“am Ende des Tages”) oder wie auch immer. Und das kann auch jeder, der es wichtig und schön findet, weiterhin so machen, wenn der böse Söder das GENDERVERBOT für Ämter und Anstalten erlassen hat.
Aber in das, was man früher mal offizielle Sprache nannte, soll diese Verirrung des aktuellen Zeitgeistes nicht reinkommen. Schon gar nicht im persönlich-wahlfreien Potpourri aus verschiedenen Formen. Gut, dass endlich weiter daran gearbeitet wird.
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> “Das generische Maskulinum wird dabei oftmals nicht generisch verstanden. Es ist daher ungeeignet.”
Also bisher ist noch jede Generation mit Lernen und Aufklärungsarbeit groß geworden. Klamotten “auf links Drehen”, oder die sprachliche Herkunft von “Schwarzfahren” wird gern mal missverstanden, kann aber einfach erklärt werden.
Jetzt, wo wir das Gendern mit Sonderzeichen als alleinig guten Weg vorgepredigt bekommen, und mittels höchsten Urteilen schon der Anschein der Alternativlosigkeit erweckt wird, kommt nun raus: Das Gendersternchen bringt die große Gerechtigkeit gar nicht. Denn er macht aus der maßgeblich “männlichen” Wahrnehmung einiger Leute nun die mehrheitlich “weibliche” Wahrnehmung. Klar, ist eine generische Form doch universell, während die weibliche Form speziell ist.
https://www.uni-wuerzburg.de/aktuelles/pressemitteilungen/single/news/gendersternchen-lassen-an-frauen-denken/
Reicht das als Argument, das “*innen” wieder sein zu lassen? Oder plädieren wir nun für alternierende Ungerechtigkeiten?
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Dass man Frauen und Männer in einer Anrede getrennt anspricht und würdigt, das ist (war) jahrzehntealte Normalität. Dass Gleichberechtigung herrschen soll, ist weitestgehend Konsens, und es muss weiter daran gearbeitet werden, denn sooo viel ist dabei noch gar nicht erreicht.
Und bitte – jeder soll bitte über seine Identität nachdenken, sein Geschlecht und wegen mir auch über seine oder ihre Pronomen. Mir ist das völlig egal, aber ich möchte mich nicht um die inneren Umtriebe und Probleme aller Menschen kümmern. Wenn sich jemand nicht sicher ist wer oder was er ist, der soll dann der Grund für Schriftänderungen an riesigen Gesetzestexten sein, weil man sich sonst nicht “gesehen” fühlt?
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Die Schulklasse hört vom Lehrer schon zehn Minuten vor Ende der Stunde die Ansage “So, wir machen Schluss für heute. Alle Schüler der 7b können heimgehen.”
Und was passiert? Nur die Jungs stehen auf? Mädchen und das eine Schüleryx bleiben sitzen?
Völliger Blödsinn. Alle sind angesprochen, alle sind gemeint, natürlich verstehen es alle. Dass man aufhört, pragmatisch sein zu wollen, macht die Welt für die große, unbeteiligte Mehrheit kompliziert und senkt deren Toleranz erheblich. Und auch Leute wie ich haben am Ende darunter zu leiden.
Gendern ist und bleibt die Zuordnung des korrekten sprachlichen Genus zu einem Wort. Da das BVerfG entschieden hat, dass auch Menschen, die sich nicht binären Geschlechtervorstellungen zuordnen lassen, repräsentiert werden müssen, stellt sich die Frage, wie man das tut. Dafür gibt es verschiedene Ansätze. Das generische Maskulinum wird dabei oftmals nicht generisch verstanden. Es ist daher ungeeignet. Ebenso die Nennung der maskulinen und femininen Form, bei der nicht klar ist, ob sie nicht-binäre oder anderweitig diverse Menschen mit einschließt.
Diese beiden Formen wären damit, sofern über die Gesamtbevölkerung gesprochen wird, falsches Gendern. Leider werden solche Formen jedoch am stärksten von denen eingefordert, die nicht-binäre und anderweitig diverse Personen aus der Gesellschaft nicht nur sprachlich ausschließen wollen.
> “Das ist keine Atomwissenschaft.”
Das hat auch niemand behauptet. Es geht um Aufwand “für nix”, den man sich sparen möchte. Auf den übrigens auch sehr, sehr viele DAMEN verzichten möchten, glaubt man den Umfragen und dem jeweiligen Umfeld.
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> “Es geht gegen das Gendern. Dann sollte man das auch sagen.”
…um damit schöne Vorlagen für den politischen Gegner zu liefern? Warum denn?
Der Trend im Sinne dessen, was “die Leute” wollen, ist ein bißchen mehr Normalität. Das sagen die Wahlergebnisse, im Grunde auch europaweit und weiter.
Die Deutschen wählen doch nicht wegen gravierendem Ausländerhass die AFD. Oder weil sie überhaupt nicht mit Homosexuellen umgehen können. Auch in der piefigen Kleingartensparte meines Vaters gibt es einen Transmenschen, und alle gehen normal mit dem um.
Das “Problem” ist, dass es nur noch Diversität gibt (“der wichtigste Quell unserer Inspiration”), nur noch schwarz und weiß (“Transfeind”), und dass einfache, generische Formen in Punkto Universalität und Gerechtigkeit schon per Definition allen vereinzelten, diversen Formen überlegen sind. Auf den ersten Blick schon.
Nein, Frauen sind nicht nur “mitgemeint” im Maskulinum, sondern es sind alle Menschen damit angesprochen. Per Definition. Dass der Trend im gesellschaftlichen Allgemeinen dahin geht, dass nur noch gilt was Jeder “fühlt”, das muss nichts sein, was für immer in Stein gemeißelt ist.
Wenn die CDU dahingehend Dinge wieder normalisiert, dann dürfte das genau im Sinne der Leute hierzulande sein. Wenn sie mit solchen völlig ungefährlichen Aktionen, die absolut niemanden schlecht behandeln oder diskriminieren oder in einen echten Nachteil bringen, ein paar AFD-Stimmen zurückholen, dann sollen sie das unbedingt tun. Sehr gern! Ganz egal, unter welchem Projekttitel man das verkauft. Wenn man dann noch geschickt kommuniziert, kann man sicher einige Leute wieder ein Stück weit zufriedener machen.